Oblivion:16 Akkorde des Wahnsinns - Band XII

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Band IX 16 Akkorde des Wahnsinns   ►
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Diese Seite enthält den Text von 16 Akkorde des Wahnsinns aus The Elder Scrolls IV: Shivering Isles.

Inhalt

16 Akkorde des Wahnsinns
Band XII
von
einem unbekannten Verfasser

Malacaths Geschichte


In den Tagen vor der Gründung Orsiniums wurde die verschmähte Rasse der Orks noch unerbittlicher verfolgt und geächtet als ihre Nachkommenschaft zu unserer Zeit. So kam es, dass viele Champions der Orsimer auszogen, um so gut wie möglich ihre Grenzen zu schützen und somit das Wohlergehen ihres Volkes zu sichern. Noch heute gibt es viele Erzählungen über diese Champions, zu denen die Legion der Verdammten, Gromma der Haarlose und der edle Emmeg gro-Kayra gehörten. Letzterer wäre gewiss in ganz Tamriel zur Legende geworden, hätte er nicht die Aufmerksamkeit eines gewissen daedrischen Fürsten erregt.


Emmeg gro-Kayra war der uneheliche Sohn einer jungen Maid, die bei seiner Geburt starb. Er wurde in den Bergen, die wir heute die Höhen von Normar nennen, vom Schamanen seines Stammes, der Grilikamaug, aufgezogen. Am Ende seines fünfzehnten Lebensjahres schmiedete Emmeg mit eigener Hand einen reich verzierten Schuppenpanzer. Dies war ein Übergangsritus seines Stammes. An einem stürmischen Tag hämmerte Emmeg den letzten Niet ein, warf einen schweren Umhang über den wuchtigen Panzer und verließ sein Dorf füt immer. In seiner Heimat hörte man oft Berichte über seine Heldentaten, sei es die Verteidigung einer Handelskarawane gegen Wegelagerer oder die Befreiung versklavter Tiermenschen. Die Berichte über den edlen Ork-Ritter sprachen sich sogar bei den Bretonen herum, mit einem gewissen Unterton der Furcht.


Zwei Jahre nach seinem Eintritt ins Erwachsenenalter schlug gro-Kayra eines Abends gerade sein Lager auf, als eine dünne Stimme aus der Dämmerung zu ihm sprach. Er war überrascht, die Sprache seines Volkes aus dem Munde von jemandem zu hören, der offensichtlich nicht zu den Orks gehörte.


„Edler Kayra“, sagte die Stimme, „die Geschichten über Eure Taten sind durch viele Münder gegangen und haben auch meine Ohren erreicht.“ In die Finsternis spähend erkannte Emmeg durch den wabernden Rauch des Lagerfeuers den vagen, schimmernden Umriss einer bemäntelten Figur. Von der Stimme her hatte er den Eindringling zunächst für ein altes Weib gehalten, doch nun erkannte er, dass es sich um einen schmal gebauten, hageren Mann handelte, auch wenn er keine Einzelheiten ausmachen konnte.


„Mag sein“, erwiderte der Ork vorsichtig, „aber ich suche keinen Ruhm. Wer seid Ihr?“


Der Fremde ignorierte die Frage und fuhr fort: „Dennoch hat Euch der Ruhm gefunden, Orsimer, und ich habe ein Geschenk für Euch, das dieses Ruhmes würdig ist.“ Der Besucher öffnete seinen Umhang ein wenig, wobei im fahlen Mondlicht nur ein paar schwach schimmernde Knöpfe zu sehen waren, nahm ein Bündel heraus und warf dieses neben das Lagerfeuer. Emmeg entfernte vorsichtig die Lumpen, in die der Gegenstand gewickelt war und stellte mit Erstaunen fest, dass es sich um ein breites Krummschwert mit reich verziertem Griff handelte. Als Emmeg die schwere Waffe in die Hand nahm und probeweise schwang, erkannte er, dass der kunstvoll gearbeitete Knauf dem praktischen Zweck diente, das beträchtliche Gewicht der Klinge auszugleichen. In seinem jetzigen Zustand machte das Schwert nicht viel her, dachte der Ork, aber wenn er es aufpolierte und einige fehlende Edelsteine ersetzte, würde es zu einer Waffe, die zehnmal soviel wert war wie er selbst, der Champion.


„Es wird Neb-Crescen genannt“, sprach der schmächtige Fremde, der die Anerkennung in gro-Kayras Augen sah. „Ich habe es in einer wärmeren Gegend gegen ein Pferd und ein Geheimnis getauscht, aber in meinem Alter könnte ich von Glück sagen, eine solche Waffe überhaupt heben zu können. So ist es nur recht, wenn ich es an jemanden wie Euch weitergebe. Sein Besitz soll Euer Leben für immer ändern.“ Emmeg zwang sich, den Blick von der gebogenen Klinge aus geschliffenem Stahl zu reißen und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Besucher.


„Schöne Worte, alter Mann“, sprach Emmeg, wobei er seinen Argwohn nicht verbarg, „doch ich bin kein Narr. Ihr habt diese Klinge bei einem Tauschhandel bekommen und wollt heute Abend gewiss wieder handeln. Was wollt Ihr von mir?“ Die Schultern des Fremden sackten zusammen und Emmeg freute sich, den wahren Grund für dessen abendlichen Besuch durchschaut zu haben. So saß er eine Weile mit dem Fremden und bot ihm schließlich einen Stapel Pelze, eine warme Mahlzeit und eine Handvoll Münzen als Entgelt für die exotische Waffe. Als der Tag anbrach, war der Fremde fort.


Eine ganze Woche nach der Begegnung mit dem Fremden hatte Emmeg Neb-Crescen nicht einmal ziehen müssen. Im Wald war er auf keine Feinde gestoßen, und seine Mahlzeiten hatten aus Geflügel und kleineren Tieren bestanden, die er mit Pfeil und Bogen erlegt hatte. Die Ruhe war ihm nur recht gewesen, doch am siebenten Morgen, als der Nebel noch in den tieferen Zweigen hing, spitzten sich Emmegs Ohren, als er das Knirschen nahender Schritte im Schnee des Waldbodens hörte.


Emmegs Nasenflügel weiteten sich, aber er hatte den Wind im Rücken. Da er den Unbekannten weder sehen noch riechen konnte, jedoch wusste, dass die Brise seinen Geruch in dessen Richtung trug, war Emmeg sofort auf der Hut und zog Neb-Crescen vorsichtig aus der Scheide. Was danach geschah erlebte Emmeg wie im Rausch.


Als Emmeg Gro-Kayra wieder zu sich kam, erinnerte er sich zunächst nur an das Bild der gekrümmten Klinge, die vor ihm durch die Luft kreiste und den jungfräulichen Schnee, der den Waldboden bedeckte, mit Blut bespritzte. Dann wurde er gewahr, dass ein rasender Blutrausch ihn überwältigt hatte. Doch dann erblickte er sein Opfer. Es war eine Orkmaid, wenige Jahre jünger als er selbst. Ihr Körper war mit grausigen Wunden übersät, die selbst einen zehnmal stärkeren Gegner getötet hätten.

Sein Blutrausch wich einem Gefühl des Entsetzens. Unter Aufbietung seiner ganzen Willenskraft ließ Emmeg Neb-Crescen los und schleuderte das Schwert weit von sich. Mit einem misstönenden Klirren segelte die Klinge durch die Luft und grub sich in eine Schneewehe. Von Scham und Entsetzen gepackt zog Emmeg seinen Umhang enger um sich, um sich vor den missbilligenden Augen der aufgehenden Sonne zu verbergen, und floh diesen schlimmen Ort.


Der Schauplatz des Mordes von Emmeg gro-Kayra an jemand aus seinem eigenen Volk bot ein schauerliches Bild. Vom Hals abwärts war die Leiche fast bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt und verstümmelt, doch das unberührte Gesicht war zu einer Maske blanken Grauens erstarrt.


An dieser Stelle vollzog nun Sheogorath gewisse Riten, um Malacath herbeizubeschwören. Die beiden daedrischen Fürsten hatten eine Unterredung bei dem entstellten Leichnam.


„Warum zeigst du mir das, Wahngott?“ begann Malacath, nachdem er sich von seiner anfänglichen stummen Empörung erholt hatte. „Macht es dir solches Vergnügen, zu sehen, wie mich der Mord an meinen Kindern betrübt?“ Die kehlige Stimme des Schutzherrn der Orismer war voller Zorn, und er musterte sein Gegenüber mit vorwurfsvollem Blick.

„Von der Geburt her gehörte sie dir, Bruder“, begann Sheogorath mit ernster Haltung und Miene. „Aber durch ihre eigenen Gewohnheiten war sie auch meine Tochter. Meine Trauer und Empörung sind nicht geringer als deine.“


„Da bin ich mir nicht so sicher“, knurrte Malacath, „aber sei versichert, dieses Verbrechen werde ich persönlich rächen. Ich erwarte, dass du dich nicht einmischst. Geh beiseite.“ Als der schreckliche Fürst sich an ihm vorbeidrängen wollte, sprach Sheogorath wieder.


„Ich habe nicht die Absicht, zwischen dir und deiner Rache zu stehen. Im Gegenteil, ich werde dir dabei helfen. Ich habe Diener in dieser Wildnis und kann dir sagen, wo sich unser gemeinsamer Feind jetzt befindet. Ich bitte nur darum, dass du dazu eine Waffe meiner Wahl verwendest. Richte den Verbrecher mit meiner Klinge, und verbanne ihn auf meine Ebene, damit auch ich ihn bestrafen kann. Das Recht auf die Ehrentötung gebührt dir.“


Malacath stimmte zu, nahm von Sheogorath das breite Schwert und verschwand.


Malacath erschien aus dem Nichts auf dem Weg vor dem Mörder. Dessen Figur war in ihrem Umhang in dichten Schneetreiben nur undeutlich zu erkennen. Malacath stieß einen so üblen Fluch aus, dass alle Bäume um ihn herum abstarben. Er zog die Klinge und bewegte sich schneller als ein tollwütiger Wolf. Vor Wut schäumend schwang er das Schwert im glatten Bogen, trennte den Kopf seines Feindes von dessen Schultern und stieß ihm dann die Klinge bis ans Heft in die Brust. Aus der Wunde unter dem Schuppenpanzer und dem schweren Umhang sprudelte Blut und wuchs zu einem roten Fleck.


Malacath fiel keuchend vor Wut und Anstrengung nach der unerwartet heftigfen Begegnung auf die Knie, während der Körper vor ihm rückwärts zu Boden taumelte und der Kopf auf einem breiten, flachen Stein dumpf aufprallte. Auf einmal wurde die Stille wie von einem Donnerschlag unterbrochen.


„Es -- tut mir so Leid...“ stammelte die Stimme von Emmeg gro-Kayra. Malacaths Augen weiteten sich, als er den abgetrennten Kopf ansah. Aus der Wunde strömte Blut, doch irgendwie lebte er noch. Emmegs Blick flackerte wild umher, während er versuchte, sich auf Malacath zu richten. Die einst so stolzen Augen des Champions füllten sich mit Tränen des Kummers, des Schmerzes und des verwirrten Wiedererkennens.


Zu seinem Entsetzen merkte Malacath erst jetzt, dass er nicht nur eines seiner Orsimer-Kinder getötet hatte, sondern seinen eigenen Sohn, den ihm vor vielen Jahren eine Orkmaid geboren hatte. Lange, schmerzerfüllte Augenblicke lang blickten die beiden sich an, niedergeschlagen und erschüttert.


So leise wie geölter Stahl betrat Sheogorath die Lichtung. Er hob Emmeg gro-Kayras abgetrennten Kopf vom Boden auf und steckte ihn in einen kleinen, grauen Sack. Dann zog er Neb-Crescen aus dem Leichnam heraus und wandte sich ab, um zu gehen. Malacath mühte sich auf die Beine, aber er sank wieder auf die Knie, als ihn die Erkenntnis traf, dass er seinen eigenen Sohn für immer ins Reich von Sheogorath verdammt hatte. Trauer erfüllte ihn ob seines Versagens, während das heisere Flehen seines Sohnes in der Ferne verklang.


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