[Artikel-Übersetzung] Lektüre eines Videospiels: Die Bücher von Skyrim

Dieses Thema im Forum "[TES] Tamriel-Almanach und Lore" wurde erstellt von Numenorean, 28. September 2017.

  1. Numenorean

    Numenorean Bürger

    Lektüre eines Videospiels: Die Bücher von Skyrim

    Ein Artikel, den Dan Crabtree am Vorabend von ES V: Skyrim für das Paste Magazine verfasst hat. Das Original ist leider nicht einmal mehr per Web Archive zugänglich, aber Brian von der Imperial Library hatte es glücklicherweise archiviert. Der Artikel basiert auf einem Interview mit Kurt Kuhlmann, dem Co-Lead Designer von Skyrim. Nicht mehr ganz aktuell, aber die besprochenen Designprinzipien sind so ungefähr seit Oblivion ausgeprägt und ändern sich auch nicht über Nacht.

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    Text ist das unmittelbarste Werkzeug im Repertoire eines Gamedesigners. Worte werden den armen Gelegenheitsspielern in Nischentiteln wie Amnesia: The Dark Descent aufgehalst und den passionierten Fans lorelastiger RPGs in Überfülle geboten. Die modernen Maestros der Fantasy bei Bethesda Softworks haben tausende Seiten Text für die Elder Scrolls-Serie geschrieben, in Oblivion (2006) 256 detailreiche Ingame-Bücher verteilt und nochmal eine solche Menge in Morrowind (2002). Diese Wälzer wurden vermutlich nur von den wenigen des harten Kerns verschlungen. Hat Bethesda ungezählte Stunden sorgfältiger Wortarbeit für eine fanatische Minderheit aufgewandt? Mit dem Release von Skyrim am frostigen Horizont [2011] und Unmengen historischer Annalen dieses nördlichen Gebiets im Schlepptau haben wir uns gefragt, wie viele Argonier es wohl braucht, um die vier Bände des „Argonischen Berichts“ zu schreiben und wo die Legenden schließlich hinführen.

    Für Co-Lead-Designer Kurt Kuhlmann geht es bei der Literatur der Elder Scrolls-Skillbücher vor allem um Immersion. „Die Skillbücher sind eine Gelegenheit, Gameplay auf etwas anzuwenden, das für die Atmosphäre schon im Spiel ist“, sagt er. „Der Spieler braucht den Text nicht zu lesen, um den Vorteil des Skillbuchs zu bekommen - es reicht schon, das Buch zu öffnen. Die Bücher sollen den Spielern Hintergrund und Atmosphäre bieten, die es interessiert. Wir versuchen nicht, die Leute zum Lesen der Bücher zu zwingen, wenn sie daran kein Interesse haben.“

    Wer also hat daran Interesse?

    Die allerhärtesten, eingefleischten Fans dürften die Literatur durchkämmen, aber Bethesda führt über diese nur schwer greifbaren Liebhaber der Lore keine Aufzeichnungen. „Wir können nicht irgendwie nachvollziehen, wer die Ingame-Bücher liest“, erklärt Kuhlmann. „Wir haben eine Gruppe leidenschaftlicher Fans, die so etwas lieben, aber ich weiß nicht, welche Prozentzahl sie ausmachen.“ Die Prozentzahl scheint angesichts des Eindrucks großer Fülle, den die Schriftwerke bieten, auch unwichtig zu sein. Bücher wie Oblivions „Schwellenbrücken“ sind entweder zu referentiell oder zu technisch, um für den Spieler praktischen Wert zu haben. Sie suggerieren eher, als dass sie erzählen, und für Kuhlmann ist das die richtige Dynamik.

    „Ich glaube, die Bücher bieten jedem Spieler das Gefühl einer echten, größeren Welt“, sagt er, „selbst wenn sie sie nicht lesen. Man weiß, dass man sie lesen könnte, und es gibt sicher Spieler, die ein paar gelesen haben (diejenigen, die sie neugierig gemacht haben) und bei denen dann die vage Masse anderer, ungelesener Bücher zu diesem Gefühl einer größeren Welt beiträgt, die nur darauf wartet, weiter erkundet zu werden.“

    In einem Interview mit @Play hat Ken Levine von Irrational Games erklärt, wie die unterschiedlichen Schichten eines Spiels jeweils ein ausgewähltes Publikum ansprechen können: „Mit BioShock … war es unser Ziel, die Lore für die Leute hineinzugeben, die sie wollen“, sagte er, „und da gibt es wirklich einen unglaublichen Tiefgang, aber wir wollten, dass die Leute es auch einfach spielen können, und … wenn sie sich nicht mit dieser tieferen Geschichte auseinandersetzen wollen, dann müssen sie es auch nicht.“

    Bethesdas Philosophie zu Ingame-Texten ist ähnlich, wie Kuhlmann ausführt: „Vieles von der Lore und Hintergrundgeschichte der Welt landet am Ende in Büchern, wo Spieler, wenn sie wollen, am einfachsten darauf zugreifen können, statt in gesprochenen Dialogen, wo es dazu führen kann, die Erzählung zum Stillstand zu bringen. Es gibt eine Grenze, wie lange selbst der ergebenste Lorefreund dasitzen und einem NPC zuhören möchte, der die Hintergrundgeschichte auslegt. Aber wir wollen es trotzdem gerne zugänglich machen, weil es auch viele Spiele gibt, für die die Erkundung der Lore genauso wichtig ist wie die Erkundung der physischen Spielwelt.“

    Jeder Teil von Tamriels Landschaft ist von Fantasy-Medien inspiriert. So wie das Ödland der Hauptstadt in Fallout 3 von Geographie und SciFi-Einflüssen zehrte, finden Bethesdas Schreiber Anleitung in ihren persönlichen Bibliotheken. Kuhlmann zufolge sind die literarischen Wurzeln der Elder Scrolls so zahlreich wie die Autoren, die die Bücher angelegt haben.

    „Wir setzen oft Anspielungen auf realweltliche Literatur, je nach Schreiber gibt es unterschiedliche Gründe“, sagt er. „Was die Leute vielleicht nicht wissen ist, dass die Bücher von sehr vielen geschrieben werden - die Designer verfassen den Großteil, weil das einfach Teil ihrer Jobbeschreibung ist, aber es gibt auch eine Menge guter Schreiber im Team außerhalb der Designabteilung, die Bücher zu Skyrim beigetragen haben. Ich glaube, das breite Spektrum an Schreibern trägt auch dazu bei, dass sich die Bücher echter anfühlen - man bekommt eine Vielzahl von Stimmen, Stilen etc. geboten.“

    Kuhlmanns eigene Einflüsse, direkt und indirekt, schließen „Gene Wolfe, Jorge Luis Borges, Paul Park, Jeff Vandermeer und Tolkien für das Silmarillion“ ein. Über die Allgegenwart von Tolkiens Fantasy sagt Kuhlmann: „Das Worldbuilding, für das Tolkiens Werk steht, ist nie übertroffen worden.“

    Der Hobbit und Der Herr der Ringe waren aus gutem Grund für die Ausprägung von The Elder Scrolls entscheidend. Als die allgegenwärtigen Romane, die Orks, Magie und epische Kämpfe zwischen Archetypen (siehe: Gut gegen Böse) umfassen, bieten sie die kulturelle Grundlage dafür, wie ein Fantasyreich funktioniert. Imitationen - Gute, Schlechte und Two Worls - sind gekommen und wieder verschwunden, aber Bethesdas Markenserie bleibt. Das Team hat von Tolkiens reichhaltigen Erzählungen übernommen, um eine Fiktion zu erschaffen, die sowohl parallel als auch einzigartig ist.

    „Tamriel begann damals in den Tagen von Arena und Daggerfall als eine ziemlich traditionelle, tolkieneske Fantasywelt“, sagt er. „Als wir dann die Welt entwickelt haben, versuchten wir, unsere eigenen Twists auf die verschiedenen Fantasystandards anzuwenden, aber auch, keine bestehende Lore in dem Prozess zu verwerfen. Das ist einer der Gründe dafür, warum wir versuchen, alle Lore aus der Welt heraus darzustellen - Bücher, Dialoge etc. - statt als maßgebliche Stimme der Gamedesigner von außerhalb der Welt. Alle Lore leitet sich von einem Blickwinkel ab und oft gibt es einen unterschiedlichen Blickwinkel auf dasselbe Thema, wenn es in der Welt ein anderer darstellt.“

    Die 100 neuen Bücher in Skyrim und die wiederkehrenden Bücher aus Oblivion geben von ernsthaften Biographien fiktionaler Charaktere bis zu humorvollen Parodien auf mittelalterliche Literatur eine Vielzahl an Tonlagen und Perspektiven wieder. Alles sind originäre Inhalte. Mit einer unerwarteten Anspielung weist Kuhlmann auf die Fülle neuer Wälzer in Skyrim hin: „Es gibt eine Buchreihe, die von der Ilias inspiriert ist und die, glaube ich, wirklich sehr gut geworden ist. Und obwohl das jetzt kein Buch ist, bestand eines meiner persönlichen Projekte darin, den ganzen Dialog eines Abschnitts in alliterierenden Versen zu schreiben - basierend auf meiner umfassenden Wikipedia-Bildung zu dem Thema … wir werden sehen, ob es jemandem auffällt.“
     
    Zuletzt bearbeitet: 24. Dezember 2017
    Deepfighter gefällt das.
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