Eternus' Musikbox

Dieses Thema im Forum "Musikforum" wurde erstellt von Eternus, 19. August 2011.

  1. Eternus

    Eternus Vertrauter

    So, liebe Leute,
    ungeachtet dessen, ob es irgendwen interessiert oder nicht (ich glaube aber, das könnte hilfreich sein) habe ich beschlossen, einen Reviewthread auch für Musikalben zu öffnen. Hat zwei Gründe: erstens bin ich großer Musikfreund und schreibe gern über die Töne, die mir zu Ohren kommen, und zweitens finde ich es schade, dass angehende Reviewer bisher nicht den Platz hatten, auch welche zu veröffentlichen.

    Damit hier aber etwas Ordnung im Saustall herrscht (und weil ich will, dass wir hier Qualität haben), gelten für hier gepostete Reviews folgende willkürlich und experimentell aufgestellte (und änderbare, wenn nötig) Regeln:

    1. Keine Reviews, deren eigentlicher Text weniger als 200 Wörter (<- Richtwert, muss nicht punktgenau befolgt werden) umfasst. Reviewen heißt nicht, einen Einzeiler zu schreiben der "Das Album ist richtig cool, solltet ihr euch anhören" aussagt. Es gilt, sich eine differenzierte Meinung zu bilden und diese dem Leser in einer ansprechenden und informativen Form darzubieten. Wenn ihr wirklich kritisieren wollt, werdet ihr auch genug Worte dafür finden. Wenn ihr es irgendwie geschafft habt, sogar mehr als die 200 Wörter zu reden ohne irgendetwas zu sagen, wird das Review trotzdem nicht in die Liste aufgenommen.

    2. Dies ist ein Reviewthread, kein Fanboy-Profilierungsthread. Es kommt selten vor, dass ein Album komplett perfekt ist. Wenn ihr nur Reviews schreibt, um eure Lieblingsband in den Himmel zu loben: spart es euch. Lobhymnen von Fanboys helfen niemandem weiter.

    3. Bitte, bitte, tut mir den Gefallen und achtet ein wenig auf Genrevielfalt. Wenn hier nur Reviews einer bestimmten musikalischen Richtung auftauchen, ist das arg einseitig und hilft niemandem, seinen musikalischen Horizont zu erweitern.

    4. Nochmal: Ich werde nur Reviews aufnehmen, die ich für aussagekräftig genug halte.

    5. Stellt sicher, dass man die elementaren Dinge wie Bandname, Albenname, Erscheinungsjahr, Genre und so erfährt. Anspieltipps sind auch nett.



    Womit der Thread auch eröffnet wäre. Ich werde in Kürze beginnen, ihn mit eigenen Reviews zu füllen. Fühlt euch eingeladen, auch was zu schreiben :)


    Grüße,
    Eternus
     
    Zuletzt bearbeitet: 19. August 2011
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  3. Eternus

    Eternus Vertrauter

    Zuletzt bearbeitet: 20. August 2011
  4. Eternus

    Eternus Vertrauter

    So, um mal den Anfang zu machen, will ich ein Album eines Genres erwähnen, das hier im Forum bisher gründlich unterrepräsentiert ist.

    Künstler: Casper
    Album: XOXO
    Erscheinungsjahr: 2011
    Genre: Hip-Hop

    Wer Casper kennt, weiß, dass er in der Rapszene vor allem eines tut: polarisiert. Nicht nur dank seiner Stimme, die mich ein klein bisschen an Dendemann erinnert und klingt, als hätte er wochenlang einen Whiskey nach dem anderen gekippt und dabei mehrere Schachteln Kippen geraucht, auch wegen seinen ungewöhnlich tiefsinnigen Texten.
    Nun ist es viel gesagt, die deutsche Rapszene tue sich einfach mit Stilbrüchen; und Casper sprengt mit XOXO so ziemlich jedes Tabu, welches die Szene bisher kannte. Er rappt über Liebe, Schmerz, Selbstfindung, Verzweiflung, Verlorenheit. Er greift Erfahrungen und Probleme auf und haut sie einen Takt später in Stücke, um sie einen Song (und manchmal eine Strophe) weiter neu zusammenzusetzen und etwas anderes zu schaffen.

    Der zweigeteilte Opener Der Druck steigt/Blut sehen ist auf Anhieb ein musikalischer und raptechnischer Bitchslap und demonstriert eindrucksvoll die Aufbruchstimmung, nur um sie sofort mit Desillusionierung zu vernichten. Die darauffolgenden Auf und davon und XOXO (mit einem Feature von Thees Uhlmann, der eine nette Hook spendiert hat) wirken fast wie eine Entschädigung und handeln von Frustration mit dem drögen Alltag, um dann in XOXO final die Freiheit zu besingen.
    Danach wendet sich Casper ernsteren Themen zu wie dem Selbstmord eines Freundes (Michael X), der Konfrontation mit den Widrigkeiten des Lebens (Alaska und Das Grizzly Lied), um in So perfekt (dem Marteria ein durchschnittliches Feature mit seiner typischen, etwas gelangweilten Tonlage beisteuert) schließlich einen Gute-Laune-Kracher abzuliefern. Die darauffolgenden Titel wie Die letzte Gang der Stadt (für mich ein Tiefpunkt des Albums) und 230409 (ein Song über Trennungen) schlagen schließlich einen fast vorbereitenden Bogen bis zum Arlen Griffey Prelude, welches Kontrolle/Schlaf vorangeht - dem letzten, verzweifelten Highlight des Albums, einem textlich wie musikalisch imo großartigen Song.

    Soweit die guten Nachrichten. Casper lässt die Emotionen einen fliegenden Wechsel vornehmen und nahtlos ineinanderfließen, dies mit seinem typischen Flow und Stimmeneinsatz, die sehr zur Stimmung des Albums beitragen.

    Allerdings gibt's ein paar Schwachpunkte.
    Die Beats sind zwar eingängig und qualitativ durchaus gut, allerdings sind es Beats der Art, die relativ schnell langweilig werden. Natürlich gibt es Ausnahmen (Der Druck steigt, Das Grizzly Lied oder Kontrolle/Schlaf zum Beispiel), allerdings dreht sich die Scheibe nur wegen Caspers Rap mehr als dreimal im Player.
    Außerdem hat Casper meine Hoffnung enttäuscht, ein jüngeres Hip-Hop-Album zu finden, in welchem dem Wort "Gang" keine Bedeutung geschenkt wird. Leider passiert das (wenn auch nicht im herkömmlichen Sinne) und das auch noch im einzigen Song, der meines Erachtens etwas missraten ist, Die letzte Gang der Stadt.

    Fazit: Textlich ausnehmend gut (bis auf ein paar Ausnahmen), gewöhnungsbedürftige Stimme, Casper wie man ihn kennt. Mutig allerdings, dass er es wagt, mit XOXO sämtliche gängigen Tabus zu brechen, und es gelingt ihm mehr als gut.

    Anspieltipps:
    Der Druck steigt, XOXO, Das Grizzly Lied, So perfekt, Kontrolle/Schlaf
     
    Zuletzt bearbeitet: 19. August 2011
  5. Jetzt weiß ich auch, was diesem Forum bis dato gefehlt hat... Aber jetzt ist der Thread ja da.


    Künstler: Electric Wizard
    Album: Black Masses
    Erscheinungsjahr: 2010
    Genre: Doom Metal

    Electric Wizard. Unsere Eltern haben und vor Musikern wie diesen gewarnt. Guck doch, Kind, lange Haare und schwarz angezogen! Die nehmen bestimmt Drogen (hell yeah!), und den Teufel beten sie sicher auch an (fúck yeah)! Rechnen wir jetzt noch in zweierlei Weise gruselige B-Horrorfilme aus den Siebzigern dazu, und schon haben wir die drei Hauptinspirationsquellen des Quartetts aus Dorset zusammen.
    Ach, noch eine kurze Information an die Leser: ein modernes Album braucht ihr hier nicht zu erwarten. Auch kein technisch ausgefeiltes oder gut ausproduziertes. Wenn ihr so etwas erwartet, seid ihr hier falsch. Dafür liefern Electric Wizard musikalisch die volle Dröhnung (oh, doppeldeutig!).

    Genre ist, wie oben angegeben, Doom Metal. Allerdings kein hemmunglos hoffnungloser, depressiver Doom Metal á la My Dying Bride oder Unearthly Trance, sondern einer, der eher an frühe Black Sabbath erinnert: grooviger Doom Metal, der ins Ohr geht und da auch bleibt.
    Schon der erste Song der Platte, Black mass, ist ein richtiger Gassenhauer, mit einem exzellenten Riff und ordentlich Druck. Und dafür, dass es sich um ein Doom-Album handelt, verdammt großem Tempo. Die restlichen Songs der Platte sind akustisch weniger hervorstechend (weil langsamer), aber deswegen trotzdem alles andere als schlecht. Insbesondere Satyr IX, der schleppendste und doomigste Song, liefert drogenschwangere Seance-Atmosphäre frei Haus, und bei Scorpio Curse schafft es Sänger Justin Oborn, eine wundervolle Endzeitstimmung herbeizuzaubern. Der einzige akustische Titel des Albums, Crypt of Drugula, besteht quasi nur aus soundtechnischen Spielereien durch Gitarren und Samples und schafft wirklich ein beeindruckendes Hörerlebnis, aber Song kann man das ganze nicht nennen. Interessant, aber nichts, was man sich öfter anhören würde.
    Natürlich, bei Black Masses haben wir es nicht mit technischen Meisterleistung zu tun: die Riffs sind simpel gestrickt (aber immerhin gibt es einige schöne Soli), die Basslines sind nicht besonderes und das Schlagzeug sticht auch kaum hervor. Wiederholungen innerhalb der Songs sind sowieso Standard im Doom-Genre, und hier werden sie bis zur Grenze beansprucht. Dennoch wird das ganze nie langweilig, weil die Riffs einfach sitzen, und wirklichen musikalischen Ausschuss sucht man vergebens.

    Heimlicher Star des Albums ist allerdings die Produktion: rein analog und unter Livebedingungen mit grottigem Equipment der Sechziger eingespielt, ist der Sound entsprechend mies: es dröhnt, blubbert, summt und quietscht an allen Enden, irrsinnige Basslastigkeit, kein Druck bei den Drums, und so weiter. Trotzdem: der Sound macht auf einer entsprechend guten Anlage richtig Spaß, er hat einfach Stil - haben wir nicht alle irgendwie genug von den glasklaren Produktionen des neuen Jahrtausends? Problem ist nur, dass dieser Sound sich wirklich nur auf einer sehr guten Anlage auskosten lässt, mit Kopfhörern oder gar Ohrstöpseln hat man nicht im Ansatz diese ganzkörperliche Erfahrung des Dröhnens, des Drucks, des Feedbacks. Mit Kopfhörern macht das Album nur noch halb so viel Spaß, leider. Schlechte Zeiten für Nachbarn.
    Zweiter großer Kritikpunkt: die Texte. Sie sind zwar alles andere als schlecht, funktionieren in den Songs und decken auch einige Themen ab: Satansmessen (Black mass, Patterns of evil, Satyr IX), Zombies (The nigthchild), und Drogen (Turn off your mind). Problem ist nur, dass es so gut wie keine Originalität dabei gibt, sie wirken wie von der Stange. Lichtblicke sind Scorpio Curse, ein Text über den Weltuntergang, und Venus in furs, pure Sexualpsychologie und dabei noch Anspielung auf Jess Francos Filme. Aber ansonsten... Fehlanzeige.

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Black Masses eigentlich genau das bietet, was man als Hörer erwartet: spaßigen, eingängigen Doom mit eigenwilliger, charismatischer Produktion. Textlich haben Electric Wizard allerdings im Vergleich zum Vorgänger deutlich nachgelassen, was zwar schade ist, den Eindruck insgesamt aber nur wenig schmälert. Dafür ist die Musik dann doch zu gut und das okkult-düster-erotische Gesamtpaket zu stimmig.

    Anspieltipps:
    Black mass, Venus in furs, Satyr IX, Scorpio Curse
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 19. August 2011
  6. FreshTheFallen

    FreshTheFallen Bürger

    Interessante Idee, und ich würde tatsächlich gerne meinen musikalischen Horizont noch weiter ausweiten (Dopplung...), ich habe mich zwar schon quer durch die Musikszene gehört, aber z.B. "Doom Metal"? Nie gehört, gleich mal angeschaut...

    Ja, der Thread ist auf jedenfall sinnvoll, und ich möchte etwas, was sich in meinen Erinnerungen festgesetzt hat, euch mal kurz näherbringen.

    Künstler: Sabaton
    Album: Coat of Arms
    Erscheinungsjahr: 2010
    Genre: Power Metal

    Sabaton ist eine schwedische Power Metal Band. Ihr Name leitet sich vom Sabaton, einem mittelalterlichen Panzerschuh, ab. Aber ihre Thematik ist nicht das Mittelalter. Ihr Fokus liegt viel mehr auf der Unmenge an historischen Ereignissen, ganz besonders die harten Fakten, die Verbrechen an der Menschheit, aber auch die Helden des Zweiten Weltkriegs scheint es ihnen angetan zu haben. Kritiker werfen ihnen jedoch, so wie sie es vielen Künstlern der Metalszene gegenüber tun, vor, sie glorifizierten den Kampf als solchen als gute Möglichkeit, den Willen durchzusetzen und Macht zu demonstrieren. Sabaton selbst jedoch gibt an, jediglich das Geschehene in ihren Texten zu verarbeiten und keinerlei positive Wertung vermitteln zu wollen. Sie singen nicht nur auf Englisch, teilweise verwenden sie auch Sprachen, welche in einer Beziehung zu der Thematik des Songs stehen. Der Gesang des Sängers Joakim Brodén ist immer etwas heiser, was jedoch der Stimmung, der Nachdenklichkeit der Songs zugute kommt.

    Natürlich verwenden sie die für Metal typischen Instrumente E-Gitarre, E-Bass und das Drumset, aber der Synthesizer ist ebenfalls oft im Einsatz und verleiht ihren Songs immerwieder einen gewissen ernsten, nachdenklichen Touch.
    Und diesen sollte man nie außer Acht lassen. Wie oben erwähnt, sie haben sich in mein Gedächtnis gebrannt, und zwar mit ihrem Titel The Final Solution.
    (Persönliche Anmerkung: Erst nachdem ich diesen Song gehört habe, wurde mir das ganze Ausmaß der Schrecken des Zweiten Weltkrieges klar. Natürlich, man liest davon, es ist Stoff des Geschichtsunterricht, aber erst nach diesem Song verstand ich erst, welche Vernichtung der Menschheit der Zweite Weltkrieg wirklich war. Es ist lange her, dass ich aufgrund eines Songs den Tränen nah war...)

    Das Album Coat of Arms behandelt ausschließlich Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges, so zum Beispiel der namensgebende Song Coat of Arms. Dieser behandelt den griechisch-italienischen Konflikt, welcher erst durch das Eingreifen deutscher Streiktkräfte zugunsten Italiens entschieden werden konnte, denn Griechenlands Moral war zunächst ungebrochen. Und diese Tapferkeit, sich solchen Mächten zu stellen, wird von Sabaton besungen.

    Und so geht es weiter, auch das oben erwähnte The Final Solution, aber auch Wehrmacht thematisieren den Wahn des Zweiten Weltkrieges aus wechselnden Perspektiven der damaligen Akteure.

    Fazit: Sabaton's Album Coat of Arms ist absolut empfehlenswert, man bekommt die Wahnvorstellungen und die Schrecken des Zweiten Weltkrieges wieder nähergebracht und kann sich daraus etwas für sich selbst mitnehmen, und dem ein oder anderen könnte es sogar leichter fallen, die Geschichten und Geschehnisse rund um diesen Krieg zu erfassen und für sich selbst zu erkennen, dass es wichtig ist, dass es nie wieder zu soetwas kommt.

    Anspieltipps:
    Coat of Arms, The Final Solution, White Death
     
  7. Eternus

    Eternus Vertrauter

    Haruspex: Danke, wird aufgenommen.
    FreshTheFallen: Danke, aber so eine Lobhymne ist kein Review. Du gehst nicht näher auf das Album ein, erwähnst nur dessen Wirkung auf dich und äußerst, dass Sabaton den zweiten Weltkrieg gut zu vertonen vermag - beides Merkmale, die sehr subjektiv sind und daher geeignet, um sie zu bewerten, aber nicht zu beschreiben. Ich finde zB auch, dass Feindflug den zweiten Weltkrieg grandios vertonen kann, aber für andere hört es sich nach mechanischem, monotonem Gedröhne an. ;)
    Abgesehen von einigen kleinen Details, die die Musik und nicht deren Rezeption charakterisieren, erwähnst du nicht viel über das Album an sich. Nimm's mir nicht böse, aber das werd ich so nicht in die Liste editieren.

    [hr]-[/hr]
    Und mal noch ein Review von mir.

    Künstler: :Wumpscut:
    Album: Schädling
    Erscheinungsjahr: 2008
    Genre: Industrial/(Dark) Electro/Aggrotech/stellenweise Ambient/EBM

    2008. 2008 war für :Wumpscut: ein in gewisser Weise schicksalhaftes Jahr; es war das Jahr, in welchem der unsägliche Releasetakt seine Wirkung erstmals wirklich zeigte, dem :W: bis heute treu ist und welcher - meines Erachtens - für den Qualitätsverlust der letzten beiden Alben verantwortlich ist. Außerdem beging :W: zum ersten Mal die Sünde, Musik mit dem Ruf, Menschen zu Amokläufern zu machen, lächerliche Songtitel zu geben.

    Aber eins nach dem anderen. :Wumpscut: ist ein Projekt mit einer wechselhaften Geschichte, und genau so präsentiert sich Schädling. Der Opener Rusty Nails from Hell präsentiert sich musikalisch glücklicherweise ernstzunehmender als sein Titel (oder sein Text) und wartet mit angenehm finsterem Gewummer auf, bei dem sich der geneigte Hörer mit :W:-Erfahrung sofort heimisch fühlen dürfte, egal wann er angefangen hat, es zu hören. Textlich mäßig, musikalisch solide, aber nichts Außergewöhnliches.
    Dafür erwartet einen mit Schäbiger Lump ein akustischer Wolf im Schafspelz. Was nach einem seichten, fast trivialen Titel klingt, entpuppt sich sofort beim ersten Anhören als bitterernste, wenn auch einsilbige Abhandlung des Handelns von Roland Freisler - dem gefürchtetsten Richter des Dritten Reiches. Rudy Ratzingers schreiflüsternder Gesang ergänzt sich hier prima mit dem in den Song eingewobenen Freisler-Sample ("Morde? Sie sind ja ein SCHÄBIGER LUMP!") und stellt ein erstes kleines Highlight des Albums dar.

    Was darauf folgt, ist im Allgemeinen das, was man bereits schon oft von :Wumpscut: gehört hat und nichts, was besonders wäre, weil es Titel solcher Natur auf jedem :Wumpscut:-Album gibt. Oh How It Feels ist sowohl musikalisch als auch textlich durchaus solide, finster anmutend, aber eben nicht mehr als das. Fügt sich allerdings schön in den experimentell anmutenden Ablauf des Albums. Dasselbe gilt für Foretold und Break The Seal - keine Kracher, solide in der Produktion, keiner gesonderten Erwähnung wert (weil für :Wumpscut:-Verhältnisse absolut üblich), fügen sich aber aufs Ganze betrachtet doch gut ein.
    Rifki ist der zweite Titel, der wirklich interessant ist, weil vor allem sein Text Rätsel aufgibt. Wer ist dieser Rifki, wieso sitzt er im Knast und warum will man ihn umbringen? Tanzt auch musikalisch ein wenig aus der Reihe, es klingt - der Angelsachse nennt es weird - und zeigt bereits erste Tendenzen Ratzingers, abgedrehte Samples zu benutzen (noch abgedrehter als üblich). Ansonsten normale :W:-Kost, finstere Beats, sogar etwas clubtauglich. Ein bemerkenswerter Song, auch wenn er nicht ganz meinen Geschmack trifft. Danach kommt Enemy, welches in dieselbe Kerbe schlägt wie schon Oh How It Feels, Foretold und Break The Seal.
    Das darauffolgende Hard To Bear ist ein rein instrumentaler Track, lädt dazu ein, die Gedanken schweifen zu lassen, ein netter, etwas seichter Vorgeschmack darauf, was Schädling noch in petto hat - aber bevor uns :Wumpscut: die richtigen Perlen präsentiert, setzt er uns noch noch einen richtig fetten textlichen Rohrkrepierer vor: Spuuk (Now Is Over). Musikalisch haut Spuuk schon in eine richtig angenehme, ungewohnte Kerbe, die den Track sogar hätte retten können, wenn - da - nicht - der - unsäglich - dämliche - Text wäre. Ein "Spuk now is over" vor wechselndem akustischem Hintergrund zerstört einfach die Atmosphäre.

    Wie paradox erscheint dann das letzte Viertel des Schädlings! Moloch, Voodoo Void und Nest schlagen Wege ein, die ich auf diese Weise niemals beschritten hörte. Voodoo Void überrascht mit einer fast orientalisch anmutenden Klangkulisse und Moloch und Nest tanzen aus der gesamten Reihe wie zwei zugedröhnte Kiffer bei einer Bundeswehrparade. Zwei wunderschöne, finstere, elektronische ambientige Klangteppiche.
    Drei Tracks, die ein fast schon als verkorkst zu bezeichnendes Album retten. Wie oft gibt's so was?

    Fazit: Knapp zwei Drittel des :Wumpscut:schen Klanges, die Ratzinger mit Schädling abliefert, sind bestenfalls solide, schlimmstenfalls grottig, während vier Tracks es schaffen, das Album in einer Hinsicht abzurunden, die selbst den Rest noch in einem besseren Licht dastehen lassen und das Album an sich zu einem durchaus wertvollen Silberling wandeln. Mit Schwächen, aber Stärken, die vermutlich dem Mastermind selbst nicht bekannt waren.
    Knapp geschafft, Herr Ratzinger.

    Anspieltipps:
    Schäbiger Lump, Rifki, Moloch, Voodoo Void, Nest.
     
    Zuletzt bearbeitet: 20. August 2011
  8. Kulturbanausen, unwürdige! ;)


    Künstler: Marilyn Manson
    Album: Holy Wood (In the shadow of the Valley of Death)
    Erscheinungsjahr: 2000
    Genre: Alternative Rock/"Industrial Rock"

    Im Jahr 2000 meldete sich der größte Provokateur Amerikas (mal abgesehen von Terry Jones, dem Koranverbrenner) mit seinem vierten Album zurück. Besonderheit dieser Scheibe ist, dass sie Brian Hugh Warners erste Veröffentlichung seit dem Littleton-Massaker ist, für das er von den US-Medien mitverantwortlich gemacht wurde, eine Erfahrung, die ihn schwer mitnahm, zumal die Anschuldigungen so absurd waren wie hierzulande die der Killerspieldebatte. Genaueres entnehme man bitte Michael Moores Film Bowling for Columbine (lohnt sich übrigens).
    Jedenfalls hat dieses Erlebnis Warner nicht davon abgehalten, mit Holy Wood wieder einmal gehörig Salz in die Wunden der US-Amerikanischen Gesellschaft zu streuen: Kernthema des Albums ist, wie zu erwarten, Gewalt. Und obwohl Warner hier durchaus subtil und nicht mit dem Vorschlaghammer vorgeht, prangt auf dem Albumcover (das ihn übrigens als Jesus am Kreuz ohne Unterkiefer zeigt - symbolisch für seine Anprangerung und die ihm auferlegte Zensur) dick und fett der Parental-Advisory-Sticker. USA halt.

    Musikalisch gelingt Warner ein interessanter Spagat zwischen aggressiven, treibenden Rockpassagen, in denen sein Schreigesang voll zur Geltung kommt, und ungewohnt ruhigen, balladesken Songs, die teilweise bis auf ein Minimum reduziert sind und gerade dadurch die tiefgründigen Texte noch besser zum Ausdruck bringen. Garniert wird das alles von zahllosen elektronischen Effekten im Hintergrund, die man eher unterbewusst aufnimmt und die man meiner Ansicht nach genauso gut hätte auslassen können. Sie schaden allerdings keineswegs.
    Obwohl das Album für seine achtundsechzig Minuten Spielzeit mit neunzehn Song viel Potenzial für Abwechslung bieten würde, merkt man das an den Songs kaum: der rockige Teil des Albums (immerhin gut zwei Drittel) klingt zwar gut, drückt gut und ist sauber produziert, aber wirklich herausstechende Songs sucht man leider vergebens. Alles ganz gut, aber eben nichts sehr gutes. Dazu simples "Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Interludium-Refrain-Refrain"-Schema. Es kommt einem fast vor, als würde Warner kein unnötiges Risiko eingehen wollen... [Ausnahme macht The fall of Adam, ein Song, der ruhig beginnt und sich ab der Mitte in eine Art unverständliche Rede eines Diktators mit Liebesbezeugungen des unterwürfigen Volkes verwandelt - einer der Gänsehautmomente des Silberlings.] Dafür ist jede Ballade eigenständig und weiß zu gefallen. Lamb of God beispielsweise, in der Warner stimmlich ungewohnt sanfte Töne anschlägt, oder Count to six and die, der letzte Song der Scheibe, der nur aus einem Klavier, einem mechanischem Klacken und Warners Stimme besteht. Hier merkt man, was die Band musikalisch leisten kann, und genau diese Songs retten das Album davor, im akustischen Mittelmaß zu versumpfen.

    Textlich zeigt Warner allerdings, wo der Frosch die Locken hat: was er hier liefert, ist ein Rundumschlag gegen das amerikanische System. Sei es die Waffenvernarrtheit (The love song, ein exzellenter Text: "Guns, God, and the government" - die amerikanische Dreieinigkeit), Teilnahmslosigkeit (The fight song, garniert mit einem Stalinzitat), Verzweiflung und Chancenlosigkeit (The nobodies), Rache (Burning flag), oder das Herzstück des Albums, Lamb of God, das mit den düsteren Zeilen "If you die when there's no one watching / Then your ratings drop and you're forgotten. / If they kill you on the TV, / You're a martyr and a lamb of God." aufwartet und damit eine erschreckende These zum Thema Amokläufe und Meddiengesellschaft aufstellt. Meisterstück. [Obwohl ich dazusagen muss, dass es sich hier um meine Interpretation der Texte handelt. Die Texte sind zu tiefgründig und komplex, um eindeutig und absolut sagen zu können, was ihre Aussage ist.]

    Was kann man abschließend über das Album sagen? Musikalisch solider Alternative Rock ohne große Fehler, mit einigen Schwankungen an die Spitze. Textlich wieder einmal brilliant. Sicher, man muss einiges an Sprachkenntnis, schwarzem Humor und bei diesem Album auch Bibelfestigkeit mitbringen. Und Republikaner sollte man besser auch nicht sein, es sei denn mit einer dicken Portion Selbstironie.
    Alles in allem: Ein Marilyn Manson. Provokation auf hohem Niveau. Aber auch nicht viel mehr, das Konzept zeigt bereits erste Abnutzungserscheinungen...

    Anspieltipps:
    The love song, Disposable teens, In the shadow of the Valley of Death, The nobodies, Lamb of God, The fall of Adam, Count to six and die
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 20. August 2011
  9. Eternus

    Eternus Vertrauter

    Noch ein neues:

    Künstler: Marsimoto (eigentlich Marteria)
    Album: Halloziehnation
    Erscheinungsjahr: 2006
    Genre: Hip-Hop
    Gesamtlänge: 1h 1min 9s

    Es gibt viele Medien, die den illegalerweise praktizierten Inhalationsprozess der Produkte unvollständiger Verbrennung von Cannabis behandeln. Filme, Bilder, gibt es alles. Aber Marsimoto hat eins der wenigen Musikalben geschaffen, welche sich ausschließlich (ganze 30 Tracks lang) mit Gras und Kiffen auseinandersetzen. Um mal den Opener Soundcheck zu zitieren: "Unser Konzept: drei Joints, vier Becks. Erst dann produzieren wir Marsimoto-Tracks". Das merkt man. Deutlich. Nicht weil die Tracks lasch oder langweilig oder schlecht produziert sind. Die Elektrobeats (von Dead Rabbit) sind abwechslungsreich und gehen gut ins Ohr, die Texte kreativ und unterhaltsam (angenehm wenig Gangstershit), Marsimotos gepitchter Stimmeinsatz und Flow technisch auf hohem Niveau.
    Was die These bekräftigt, dass Marteria während des Produktionsvorgangs beträchtliche Mengen Marihuana vernichtet haben muss, ist die schlichte Abgedrehtheit der Texte und der Beats. So mancher Track hat einen leicht chaotischen Anstrich, Texte sind teilweise betont absurd, Stimmeffekte und Beat schaffen eine durchaus gewöhnungsbedürftige Atmosphäre, die man jedoch durchaus genießen kann, wenn man Hip-Hop gegenüber nicht gerade feindselig eingestellt ist.
    Allgemein ist Halloziehnation zwar ein thematisch enges, aber durchaus gelungenes Erstlingswerk von Marteria und speziell seinem Alter Ego Marsimoto. Features von Gabreal, Underdog CRU und Mobia runden das Gesamtbild trotz durchschnittlicher Tracklänge von unter 2 Minuten ab.

    Was man Marsimoto allerdings negativ anrechnen kann, ist die thematische Eintönigkeit. Allerdings tut dies der nahezu durchgehenden Unterhaltsamkeit des Albums keinen wirklichen Abbruch.

    Fazit: Eigenwillig, unkonventionell, aber gut.

    Anspieltipps: Halloziehnation, Randale und Liebe, Chill Faktor, Spiel mir das Lied vom Dope, Der Nazi und das Gras, Der Döner in mir
     
  10. Eternus

    Eternus Vertrauter

    Yay, Sonntag. Was hat man da zu tun? Nichts! Und deswegen kommt auch das nächste Review.

    Künstler: Monsters of Liedermaching
    Album: Sitzpogo
    Erscheinungsjahr: 2008
    Genre: Liedermaching

    Wer die Monsters nicht kennt, der sei ins Bild gesetzt: sie haben eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte. Sechs Liedermacher, die eigentlich auf irgendeinem Gig nacheinander auftreten sollten, haben sich eine Bank geschnappt, auf die Bühne gestellt und den Auftritt gemeinsam absolviert. Das hat so gut geklappt, dass sie beschlossen haben, sich zusammenzutun und nur noch zusammen aufzutreten. Fred Timm, Rüdiger Bierhorst, Peer Jensen, Jan Labinski, Torsten Kühn und Jens Burger bildeten fortan die Monsters of Liedermaching. Sechs Musiker also, die inzwischen sechs Releases haben.

    So vielfältig wie die Mitglieder sind, präsentieren sich die Monsters auch musikalisch auf ihrem dritten Album, Sitzpogo. Konstant unterhaltsam präsentieren sie sich mit Witz und Verstand, nehmen Alltägliches auf die Schippe und schaffen es, mit ihren Texten den Zuhörer praktisch die gesamten 24 Lieder hindurch zu unterhalten. Gefühlvolle, absurde, witzige und nachdenkliche Lieder geben sich die Klinke in die Hand und schaffen ein sehr unterhaltsames Gesamtwerk.

    Das Einzige was man bemängeln könnte sind vereinzelte textliche Ungereimtheiten (Wortwitz komm raus, du bist umstellt -.-), gepaart mit der schlichten musikalischen Untermalung der Texte (auch wenn man dabei stellenweise sehr kreativ war) - was aber der Unterhaltsamkeit keinen Abbruch tut.

    Fazit: Nichts für Menschen mit musikalischem (!) Anspruch. Simple Gitarrenbegleitung lockt heutzutage nicht mehr viele Hunde hinterm Ofen hervor, allerdings sind es die Texte, durch die die Monsters bestechen. Wer die 76 Minuten Zeit hat, Sitzpogo anzuhören, wird exzellent unterhalten.

    Anspieltipps: Hartz IV, Moti, Blasenschwäche, Ich bin nicht frei, Quizmillionär, Häschen
     
  11. Werbung (Nur für Gäste)
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