"Schlangen und die Gerüchte von Schlangen": Akavir & Tsaesci

Dieses Thema im Forum "[TES] Tamriel-Almanach und Lore" wurde erstellt von Numenorean, 19. April 2017.

  1. Numenorean

    Numenorean Bürger

    [Dieser Text ging ursprünglich aus einer Antwort hervor, die ich vor Zeitaltern mal in einer TA-Diskussion für @ddr.Peryite schreiben wollte, nachdem sich herausgestellt hatte, dass wir recht unterschiedliche Vorstellungen von den Tsaesci hatten. Er hat sich dann von selbst weitergeschrieben, weil ich dieser Frage ohnehin einmal nachzugehen wollte. Erscheinungsbild und Wesen der akavirischen Völker gehörte immer schon zu den meistdiskutierten Fragen der Lore-Community, ohne dass es eine gute Zusammenstellung dazu gab. Ich versuche, auf die Entwicklung der Akaviri in The Elder Scrolls von den frühesten Erwähnungen in TES II Daggerfall bis zu ihren jüngsten Darstellungen in TES Online einzugehen und auch die Lore-Community und Entwicklungshintergründe in diesen 20+ Jahren nicht zu vergessen. Erwartet nur keinen Definite Guide to Akavir, der sämtliches Inworld-Wissen kompiliert und dann mit Ockhams Messer zur beruhigendsten und langweiligsten Schlussfolgerung gelangt. Akavir ist ein Beispiel für notorisch uneindeutige Lore, deren letzter Schluss bislang noch nicht gefunden wurde.]

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    „Schlangen und die Gerüchte von Schlangen“:
    Akavir & Tsaesci

    Die Frage, die seit TES III: Morrowind und ganz besonders seit TES IV: Oblivion endlos diskutiert wurde besteht darin, ob die Tsaesci, die um 1Ä 2700 in Tamriel einfielen, von Reman Cyrodiil besiegt wurden, anschließend einflussreiche Stellungen in seinem neuen Kaiserreich erhielten und es nach dem Ende der Remanen sogar noch einige Jahrhunderte länger zusammenhielten – ob diese Tsaesci à la Yuan-Ti (Mischwesen von Mensch und Schlange aus DnD) oder als Menschenkultur aufgetreten sind und was es dann mit den Schlangen-Assoziationen ihrer für Tamriel fremdartigen, fernöstlichen Kultur auf sich haben könnte.


    I. Streitwagenfahrer (Daggerfall)
    Die frühesten Erwähnungen von Akaviri finden sich in TES II: Daggerfall (1996). In der Geschichte von Lyrisius fallen Streitwagenfahrer aus Akavir im Land ein. Held Lyrisius muss vom Schlachtfeld fliehen, kehrt aber mit einem überlisteten Drachen zurück und vernichtet die Eindringlinge. Liest man diese Mär mit späterer Lore im Hinterkopf, klingt vielleicht der Sieg Remans am Fahlen Pass an, aber Kulturen mit Streitwagen (so in etwa? Man denke an die östlichen Wagenfahrer, die bei Tolkien Gondor überfallen) wurden so leider nie wieder aufgegriffen. Weder hier noch in Wegesruh, Juwel der Bucht oder der Geschichte von Dolchsturz (letztere stellt die Akaviri-Einfälle neben Katastrophen vom Format der Thrassischen Pest und des Kriegs der Rechtschaffenheit) werden sie als sonderbare Tierwesen bezeichnet. -viri (Latein) sind Männer, Menschen.
    Auch der Potentat Savirien-Chorak wird beiläufig schon in einem Daggerfall-Buch über die Dunkle Bruderschaft erwähnt, aber noch als colovianischer Kaiserpotentat, was tatsächlich erst die Online-Ausgabe zu akavirisch ändert. Insgesamt sind die Akaviri im zweiten Elder Scrolls noch wenig mehr als der Name.


    II. Cyrodiils Akaviri (Redguard)
    Der Kleine Reiseführer durch das Kaiserreich, Erste Ausgabe ist das Gründungsdokument der modernen TES-Lore. TES Adventures: Redguard (1999), dem der Text beilag, macht hier den entscheidenden Schritt weg von seinen Anfängen als DnD-Epigone hin zu einer kulturell, geschichtlich, geographisch, mythologisch und religiös wirklich ausgearbeiteten Welt.
    Die Akaviri werden seitdem historisch mit dem Zweiten Kaiserreich verbunden. Das Cyrodiil-Kapitel berichtet, wie Reman das gespaltene Land vereinte und ihre Invasion am Fahlen Pass bezwang. Anschließend bot Reman der gefangenen „Horde“ Amnestie, sollten sie sich seiner Sache anschließen. Die Akaviri akzeptierten, und der Erfolg des neuen Kaiserreichs wird anschließend respektvoll auf die Mitwirkung seiner einstigen Feinde zurückgeführt. Die Cyrodiil-Kaiser hören auf den Rat akavirischer Potentaten und umgeben sich gern mit Akaviri-Hauswachen; die berühmten Klingen haben hier ihren Ursprung. Auch reiten die Akaviri auf Roten Drachen (!), was in die Herrschaftssymbolik des Kaiserreichs eingegangen ist (natürlich bedeutet das Zeichen darüber hinaus noch Akatosh & Roter Diamant).
    Bei diesen eng mit Cyrodiil verbundenen Akaviri ist übrigens noch nicht von Tsaesci die Rede, weil der Name erst mit TES III: Morrowind erfunden wurde. Auch lesen wir nichts von befremdlichen Schlangenwesen, im Gegenteil - im Herzland sind die Akaviri um die Wende zur Dritten Ära ganz in der einheimischen Bevölkerung und besonders dem nibenischen Adel aufgegangen:


    Eine der erwähnten Kolonien ist der elsweyrische Stadtstaat Krempen. Greg Keyes' Roman Die Höllenstadt (2009) wird diesen Ort besuchen, der in der Vierten Ära wieder von einem lokalen Potentaten regiert wird. Ein Abschnitt im Elsweyr-Kapitel des Kleinen Reiseführers beschreibt bereits die akavirische Verbindung zu dieser Stadt: Als Cyrodiils Akaviri im Interregnum der Zweiten Ära vom Kurzzeitkaiser Attrebus vertrieben werden, gehen sie über die Grenze ins Land der Khajiit. Bald darauf tauchen Erben eines gewissen dir-Kamal im Herzland auf, stürzen Attrebus und ermöglichen ihren akavirischen Brüdern die Rückkehr. Das kamalesische Intermezzo auf dem Rubinthron scheitert bald darauf, aber die Erwähnung von dir-Kamal ist dennoch interessant. Weder hier noch im Himmelsrand-Kapitel (Ada'Soons Truppen plünderten Windhelm!) ist von Bestienvölkern die Rede. Die Kamal sind an dieser Stelle noch ebenso wenig dämonisiert wie ihre Verwandten.

    Ein paar Wochen nach Release von TESA: Redguard entspann sich ein berühmt-berüchtiges Foren-Rollenspiel, an dem zahlreiche Bethesda-Entwickler teilnahmen: Die Imperial Library hat es die Redguard Forum Madness genannt. Michael Kirkbride (= MK) spielt darin unter anderem einen Agenten des Kaiserreichs namens Nohept dir-Kamal, der an General Warhaft (bekannt aus TES: Arena) schreibt – dem Namen nach also ein Kamal, der mit den Geheimoperationen des Septim-Kaiserreichs betraut ist.
    Im Cyrus-Comic (den John Pearson gezeichnet & MK geschrieben hat) tritt ein Söldnerführer namens Duadeen auf. MKs Variante der Five Hundred Companions (2011) identifiziert ihn später als Halb-Akaviri ("Dust-Breeches Duadeen the Half-Viri"), also einen der im Kleinen Reiseführer erwähnten Nachfahren der gescheiterten Eroberer. Es ist auch das erste Mal, dass ein Akaviri mit seinem Fu Manchu erkennbar fernöstlich gestaltet wird. (TESA: Redguard hatte die vom feudalen Japan abgeschauten Elemente der frühen Yokuda-Lore - Stichworte Buch der Kreise, Yokeda-Warlords, Berg Hattu, Todesgedicht, Schwertjagd - in seiner Ausarbeitung der Rothwardonen bewusst ausgelassen). Auf dem Pferd aber sitzt ein ganz menschlicher Schurke.

    III. Mystifikation (Morrowind)
    In TES III: Morrowind (2002) wird Akavir geheimnisvoll. Der dritte Teil erweitert das kulturelle Worldbuilding des Kleinen Reiseführers besonders in mythologischer, religiöser und esoterisch-okkulter Hinsicht. Das Universum, das nun Aurbis heißt, bekommt einen für eine Videospiel-Welt sehr komplexen und glaubwürdigen Überbau aus Metaphysik, Kosmologie und Mythen, die bei allen Unterschieden auf gemeinsame Archetypen und Erzählmuster zurückgreifen. Stärker als die übrigen Teile der Reihe widmet sich TES III sozusagen der platonischen Seite der Dinge und ist auch erkennbar borgesianisch geprägt – voll reizvoller Obskuritäten, Verschleierungen, Spiegelungen, Parallelen und Paradoxien, magischer Analogien und poetischer Metaphern. Auch demonstriert Morrowind in seinen besten Texten einen sehr weitreichenden Perspektivismus. Vor dem Hintergrund einer solchen Konzeption, die Ereignisse lieber von vielen Perspektiven gebrochen und nach den Gesetzen des Mythos darstellt statt simple Fakten zu enthüllen, wird auch Akavir nun in weite Ferne entrückt. Der Kontinent liegt nun in einem fernen Osten, über den im Tamriel der ausgehenden Dritten Ära nur wenig und wenn, dann nur sehr seltsames bekannt ist.

    Der Haupttext für die Beschäftigung mit dem Kontinent und seinen Bewohnern ist MKs Geheimnisvolles Akavir. Es ist eine Art Geographia der Wunder in einer ohnehin schon an Wundern reichen Welt. Ihren Titel trägt sie aus gutem Grund. Wir wissen nicht, wer der tamrielische Erzähler ist und woher seine Vorstellungen stammen, was er gesehen, gehört oder missverstanden hat, ja ob er überhaupt an einem authentischen Bericht interessiert ist oder den reichen Osten selbst imaginiert. Sein Ansatz, das Verhältnis von Tamriel und Akavir zu bestimmen, ist beunruhigend eschatologisch: Zweimal haben die Akaviri Tamriel - Nexus der Schöpfung und Ort des Letzten Krieges - schon überfallen, da kündigt der östliche Gottkaiser Tosh-Raka eine dritte Invasion an.
    Das Buch erinnert sicher an mittelalterliche Vorstellungen von einer aus dem Osten hereinbrechenden Apokalypse (Mongolenstürme), aber mehr noch an Darstellungen fabelhafter Wundervölker am Ende der Welt. Obwohl sich die Phantastik in Tamriels Fall ein wenig selbst aushebelt, könnte vielleicht das Reisebuch des Ritters John Mandeville (ein unter Pseudonym verfasster, fiktiver Reisebericht), in dem sich mehr oder minder wirkliche und phantastisch-wunderbare Welten des fernsten Ostens mischen, einen guten literarischen Vergleich abgeben.

    In Geheimnisvolles Akavir werden die Bewohner des Kontinents auch erstmals in verschiedene Völker unterschieden: Zu Kamal - jetzt Schneedämonen - und den Tsaesci - jetzt das Schlangenvolk der Potentaten - gesellen sich das Affenvolk der Tang Mo und Ka Po'Tun-Katzen, die sich in Drachen verwandeln wollen. Letztere beiden hat man in Tamriel nie gesehen (sie erinnern natürlich verdächtig an Imga und Khajiit). Womöglich wurde Akavir deshalb in der bekannten Kombination als Königreich der Tiere angelegt, um gleich vage vertraute Asienbilder zu evozieren: Akavir wird als Drachenland übersetzt, die Schneedämonen erinnern an Yetis oder japanische Schneegeister, Affen und Tiger haben im Osten ihre kulturelle Bedeutung und auch sonst kommen sämtliche Tierwesen so im chinesischen Kalender- und Zählsystem vor. Diese Referenzen sind eigentlich nicht einmal besonders subtil.

    Es soll vor langer Zeit auch Menschen auf Akavir gegeben haben, aber:


    Tsaesci: Ein unsterbliches, vampirisches Schlangenvolk, das die Menschen verschlungen hat – aber noch immer ungefähr so aussieht wie sie, wenn auch mit goldenen Schuppen. Was hat dieses "eating" mit ihrer Erscheinung tun? Man kann es sicher metaphorisch als verinnerlichen oder einverleiben lesen, sich aber natürlich streiten, wie wörtlich solche Metaphern in einer Welt wie Tamriel ausfallen mögen. "Eating" bedeutet für die Tsaesci, zu etwas zu werden – laut dem Tsaesci-Schöpfungsmythos ist das ein Grundmotiv ihrer Kultur: "And we ate it to become it", wir kommen unten darauf zurück.
    Zusammenfassend ist Tsaesci in Geheimnisvolles Akavir der Schlangenpalast, der auf irgendeine Weise, die Tamriel wohl selbst nicht recht versteht, menschlich wurde und auch etwa so erscheinen kann. Es ist den Tsaesci übrigens nicht gelungen, die Roten Drachen ebenso zu verschlingen. Sie haben es versucht, konnten sie aber nur versklaven. Darum, könnte man annehmen, erscheinen sie zumindest nicht auch noch als Drachen.

    Es gibt noch ein paar verstreute Erwähnungen der Tsaesci in Morrowind. In den 36 Lehren des Vivec (17) besuchen Vivec und der Hortator unter anderem Akavir:

    Den Schlag des Idioms lese ich als einen Angriff mittels Sprache, der aus überlegener Ein- oder Innensicht (Insight) in ihre Struktur möglich wird. Diese explizite Verbindung von Tsaesci und Sprache ist ein wichtiges Element für ihre weitere Entwicklung. Irgendwie können Tsaesci sich den sprachlichen Ausdruck (oder seine idiomatischen Ungenauigkeiten & Schwächen) zunutze machen.
    In Richtung kämpferischer Anwendung von Sprache geht auch der Vergleich des konzentrierten Kiai eines akavirischen Schwertkämpfers mit dem nordischen Thu'um, (also tonaler Manipulation der Musik von Aurbis, ähnlich wie dwemerische Klangarchitektur oder Yoku-Schwertsingen) in Die Kinder des Himmels.
    An Geheimnisvolles Akavir erinnert in Vivecs Lektion außerdem noch die Ankündigung der Schlangen, dreifache Rache zu üben.

    Darüber hinaus findet sich eine Akaviri-Referenz in der Anuade, einer Schöpfungsgeschichte (ursprünglich für die Ayleiden konzipiert), die den Gründzügen des Monomythos in ihrer relativen Abstraktion wohl recht nahe kommt. Es heißt dort von der mythischen Herkunft der Völker Nirns:
    Ganz ohne die unbehaglichen Windungen aus Geheimisvolles Akavir und den 36 Lehren sind die Tsaesci hier einfach ein weiteres Menschenvolk. Insgesamt bleibt aus MKs Morrowind-Texten aber der Eindruck zurück, dass mehr an der Sache dran ist, auch wenn der Schlangenaspekt in der Tsaesci-Kultur noch dunkel bleibt.


    IV. Ein historischer Roman (Morrowind)
    Ted Peterson hat unser Bild von Tamriel neben Michael Kirkbride mit am stärksten geprägt, seine vielen Schriften von TES II: Daggerfall bis TES IV: Oblivion machen diese Welt um einiges spannender, amüsanter und lebendiger. Sowohl MK als auch "Tedders" entfremden die Akaviri in TES III: Morrowind, allerdings auf sehr unterschiedliche Weise.

    2920: Das letzte Jahr der Ersten Ära ist der beste historische Roman der Elder Scrolls (Ted Peterson scheint mir dieses Genre überhaupt erst in der Literatur der Reihe etabliert zu haben). 2920 basiert allgemein auf geschichtlichen Ereignissen und ist im Gegensatz zu einem seifigen biographischen Roman (!) wie Die wahre Barenziah auch verhältnismäßig gut recherchiert. Im Interview mit drei Schriftstellern spielt Tedders den Autor Carlovac Taunwei sogar als schreibenden Historiker.
    2920 ist geschickt aus einer Vielzahl von Einzelszenen montiert, erstreckt sich über zwölf Monate und den ganzen Kontinent. Dazwischen erleben wir das Geschehen immer so hautnah mit, wie man es sich in einem historischen Roman nur wünschen kann. Das Werk war in der Community immer sehr beliebt, aber seine Darstellung bleibt natürlich fiktionalisiert, ist Unterhaltungslektüre für das Publikum einer viel späteren Zeit und kein unmittelbarer Einstieg in die Wirren der späten Erste Ära. 2920 hat zwar einen gewissen historischen Anspruch, muss aber vor allem den Anforderungen an eine spannende Geschichte genügen. Im Gegensatz zu MKs vagen Andeutungen hat Tedders die Schlangennatur der Tsaesci für diesen Roman wörtlich genommen und macht damit die Heimtücke seiner Figuren Versiduae-Shaie und Savirien-Chorak greifbar:
    Savirien-Chorak (jetzt ein Tsaesci, kein colovianischer Potentat mehr!) wird uns spektakulär vorgestellt:
    Die Vorstellung solcher Hybride ist mythologisch sicher uralt und findet sich noch bei Tamriels Tiervölkern. Im engeren Sinne Mischwesen aus Mensch und Schlange gibt es etwa in altiranischer Folklore, berühmt ist auch die Schlangenkönigin in Tausendundeiner Nacht: Körper einer Schlange, Kopf einer wunderschönen Frau. Auch die indischen Nagas (im Argonischen Bericht von Ted Peterson nochmal aufgegriffen) sind vergleichbar; entfernter noch die medusenartige Lamia griechischer Mythologie (besonders in ESO tauchen schlangenartige Lamien auf, ohne allerdings mit Tsaesci assoziiert zu werden).
    In der phantastic fiction dürfte Robert E. Howard in seinen großartgen Geschichten um Kull (in The Shadow Kingdom verbirgt sich ein älteres Volk halbmenschlicher Schlangenwesen hinter Illusionszaubern und konspiriert gegen den König!) und Conan (The God in the Bowl) das Bild etabliert haben, daraus wurde schließlich auch die Filmversion des Thulsa Doom.
    Vor allem sind die 2920-Tsaesci aber ein Beispiel typischer Rollenspiel-High Fantasy, denn Ted Petersons Kreaturen sind unverkennbar von den Yuan-Ti der Forgotten Realms abgeschaut. Bekanntlich begann The Elder Scrolls in den frühen 90ern als gewöhnliche DnD-Heimkeller-Kampagne, was besonders in den ersten beiden Titeln noch sehr deutlich spürbar ist, bevor sich Tamriel dann mit TESA: Redguard & TES III: Morrowind auf eigene Füße stellen konnte. Entsprechende Ausleihen aus anderen Fantasy-Settings waren damals schon wenig kreativ, aber die Entwickler hatten wohl ihren Spaß, und es genügte. Ted Peterson, als Daggerfalls Lead-Designer noch einer dieser alten Garde, greift für Morrowinds 2920-Roman einfach noch einmal in diese bewährte Trickkiste. Diese Tsaesci sind eingängig und verständlich, im Grunde nichts anderes als Tamriels bekannte Tiervölker, ein grundsolides Fantasy-Klischee.

    Kein Wunder also, dass sich die Idee festgesetzt hat. Sucht nach Bildern, Mods oder den abertausenden Threads über Tsaesci, als erstes kommt jedermann auf 2920 zurück. Und so sehr das auch für diese Buchreihe spricht, so hat es doch die Wahrnehmung der Akaviri allzu einseitig bestimmt. Es wurde ausgeblendet, was eigentlich ein historischer Roman ist, und wer nicht um unzuverlässiges Erzählen oder überhaupt die Rolle von Fiktion innerhalb dieser Tamriel-Fiktion weiß, nimmt die 2920-Tsaesci natürlich erstmal mit. Jedenfalls ging es mir so, als ich die Reihe in TES III oder im Almanach zuerst gelesen habe.

    Im erwähnten RP-Interview verteidigt Carlovac Taunwei seine Darstellung von physisch schlangenartigen Akaviri-Potentaten. Es gäbe zu viele Beschreibungen von Tsaesci als Schlangen, um noch Zufall oder Metapher zu sein, außerdem würde einiges in der rothwardonischen Geschichte eine vorzeitliche Verbindung zu den Tsaesci nahelegen (das Verhältnis von Yokuda & Akavir ist allerdings ein Kapitel für sich). Vor allem hätten ihm Überlebende der gescheiterten Akavir-Invasion Uriels V. Augenzeugenberichte geliefert. Die spätere Darstellung im Oblivion-Buch zur Katastrophe von Ionith entspricht dieser Behauptung allerdings nicht.

    Im August 2004 (zwischen Morrowind und Oblivion) hat Ted Peterson auch selbst noch einmal die Erscheinung der Tsaesci und seinem Roman kommentiert. Nach einem spontanen Reim von Sheogorath:

    Ansonsten gibt es in dieser Richtung in TES III noch Phylogenese und Biologie, ein für meine Begriffe recht krudes und vielfach überholtes Werk, das über die Reproduktion von Tsaesci nichts zu wissen glaubt und sie in eine Reihe mit Dreugh, Imga, Harpien, Goblins, Trollen und diversen Daedra stellt. Erstaunlich, berichtete der Kleine Reiseführer doch noch ausführlich von den Nachkommen der Akaviri in Cyrodiil!

    Ted Peterson hat (bis auf die Spacelore-Abschnitte von MK) auch den Pocket Guide to the Empire, Third Edition für TES IV: Oblivion verfasst. Im Hochfels-Kapitel werden die wenigen Daggerfall-Stellen über Akaviri an der Iliac-Bucht noch einmal aufgegriffen, zu den Schlangenmenschen, Affen, Katzen und Schneedämonen kommen noch plündernde kaninchen- und rattenartige Piraten hinzu:

    Der KRK3 hinterfragt seine Darstellung allerdings auch wieder, spricht nur von "so-called 'Akaviri Snakemen'", indirekten Referenzen und hält sich die Hintertür falscher Übersetzungen offen:
    Da haben wir es wieder: Tsaesci und Sprache.


    V. Klingen und Archäologen (Oblivion)
    TESIV: Oblivion hat die reiche Dschungelkultur aus dem ersten Kleinen Reiseführer, das jetzt nur noch in alter Literatur oder als mytho-okkulte Gegenwelt existiert, aus kommerziellen Erwägungen über Bord geworfen. Auf akavirische Einflüsse wurde allerdings nicht verzichtet. Die Klingen, in TES III der bewährte Geheimdienst des Empire, werden nun wieder zu einer Elitegarde und Leibwache mit fernöstlichen Wurzeln. Der Wolkenherrscher-Tempel steht uns in einem asiatischen Stil vor Augen. Es heißt auch, dass die zeremonielle Klingenrüstung diejenige der Drachengarde des alten Reman sei (TESV Skyrim und TES Online bestätigen das) - und an dieser schweren Ausstattung mitsamt Stiefeln und Beinschienen entspricht natürlich nichts der Physiognomie und Kampfweise eines Tsaesci aus dem 2920-Roman. Klingen und Akavir wurden also mit TESIV: Oblivion wieder zusammengeführt, TES V Skyrim knüpft später daran an.

    Die eigentliche Sensation war für viele Lore-Scholaren die Entdeckung am Fahlen Pass. Im Auftrag von Brumas Gräfin Carvain, passionierte Sammlerin akavirischer Relikte, suchen wir das verschollene Hauptquartier der von Reman geschlagenen Invasoren, um ein Artefakt zu bergen ("The [Draconian] Madstone appears as a snake coiled around and encircling itself") und treffen in den Ruinen auf den Geist von Hauptmann Mishaxi, einem großen Akaviri-Taktiker, der uns unbestreitbar als Mensch entgegentritt. Auch die Skelette seiner Soldaten waren einmal Menschen. Gräfin Carvain übersetzt außerdem ein Akaviri-Tagebuch ins Tamrielische (in der Tat keine geringe Leistung!), worin der Kundschafter Xhaferi nicht nur sehr menschlich-nahbar empfindet -

    - sondern auch explizit eine Beinverletzung seines Mitkundschafters Sylaj beschreibt:

    (Auf eine frühere Textfassung zurückgreifend gibt die deutsche Übersetzung ihre Namen übrigens als Hisshira, Tzenzin und Shenzin an, was im Original noch kurz vor Toresschluss geändert wurde).
    Das Tagebuch bestätigt noch einmal, was wir in den Ruinen mit eigenen Augen sehen konnten. Kaum eine Quest (wer auch immer diese hier geschrieben hat, MK oder Tedders hatten mit der Entwicklung nichts zu tun) hat je so viele Diskussionen ausgelöst.
    Zum einen hatte sich die Darstellung aus dem 2920-Roman festgesetzt, zum anderen musste sich TESIV: Oblivion natürlich ganz allgemein und zu Recht oberflächliche Lore und Trivialisierung vorwerfen lassen. Man hat am Fahlen Pass deshalb sofort eine falsche Darstellung gesehen und zum Beispiel vermutet, dass Bethesda für eine einzelne Quest keine aufwändigen Spezialanimationen und Modelle erstellen wollte. Adanorcils seinerzeit vielbeachtetes Loressay Akavir: The Soldier and The Serpent argumentiert zwar in sich recht schlüssig, geht aber von der Prämisse aus, dass es unbestreitbar schlangenartige 2920-Tsaesci geben müsse und verkennt den transformativen Aspekt der Tsaesci aus Geheimnisvolles Akavir oder der Remanada. Es ist ein interessantes Dokument seiner Zeit und fasst gut zusammen, wo manchen Gelehrten der Stiefel drückte:
    Zur Lösung des vermeintlichen Problems wird aber nicht das eigene, alles andere als hieb- und stichfeste Wissen über Tsaesci hinterfragt, sondern eine Theorie entworfen, wonach Tsaesci sich tatsächlich aus zwei Völkern zusammensetzen – menschlichen Akaviri und schlangenartigen Tsaesci, die erstere versklavt hätten. Dazu wird vor allem mit semantischen Indizien argumentiert – die Quest spricht immer von Akaviri statt Tsaesci, auch ändert sich das Namensschema zu Xfaferi und Mishaxhi statt Savirien-Chorak, Sidri-Ashak, Dinieras-Ves, Versiduae-Shaie, was allerdings auch die Eigenart eines unaufmerksamen Questschreibers sein könnte. Insgesamt dient die Argumentation dazu, das erwartete 2920-Bild der Tsaesci irgendwie zu behaupten. Adanorcil erklärt später dazu: "Much to my surprise, I found humans labelled as "Akaviri" there, rather than Tsaesci, the golden-scaled snake-people that I had expected. [...] I created the possibility of a group of humans in Akavir, thereby differentiating them from the snake-people. Truth be told, I hardly take that theory into account anymore myself, since I now prefer the idea that "we were supposed to see Tsaesci". Nonetheless, I notice that the text is still referred to sometimes."

    Ich kann mir in der Tat vorstellen, dass die Umsetzung Mishaxis (im Construction Set ein Kaiserlicher) technischen Limits unterlag. MK hat das auch so bestätigt und kommentiert, dass die Tsaesci dessen ungeachtet nie etwas anderes als die unsterblichen, vampirischen Schlangenmenschen aus Geheimnisvolles Akavir wären. Ich kann mir auch denken, dass die Oblivion-Entwickler selbst nicht wussten, was sie mit den Akaviri anstellen sollten und ein Großteil der Tsaesci-Verwirrung zu diesem Zeitpunkt einfach auf diese Mesalliance von Ideenlosigkeit und technischen Einschränkungen zurückging. Es gibt ein kurioses, heute zum Glück ganz vergessenes Zwischenspiel, als ein Bethesda-Entwickler im allgemeinen Oblivion-Forum die drängenden Fragen zu beantworten suchte. Ich konnte nicht einmal mehr in Erfahrung bringen, wer es war, weil sich nur noch indirekte Verweise dazu finden lassen und auf der Imperial Library davon nichts archiviert ist: Tosh Raka, der Tigerdrachenkaiser von Akavir, habe einen kleinen Teil der Menschenbevölkerung gerettet, als die Schlangen alle anderen Menschen gefressen (und nicht bloß assimiliert) hätten. Später konnte Tosh Raka diese Menschen dann den Tsaesci übergeben, um ihre Invasion zu starten. Und damit wären es Schlangen-Menschen, Menschen der Schlangen. Man hat eingewendet, dass diese Erklärung alles nur noch schlimmer macht: Warum plötzlich Tigerdrachen zitiert werden, weshalb die Menschen in Tamriel kämpfen sollten, was Tosh Raka dazu bringen würde, die Menschen ihren und seinen Erzfeinden auszuliefern und so weiter. Seltsamerweise ist es gerade MK, der diesen Post eines anderen Dev zusammenfasste. Obwohl die Entwickler bei weitem nicht alles über Tamriel wüssten, sei das hier ungefähr der aktuelle Wissensstand:
    Dieser eigenartige Ansatz bleibt aber unelegant, hatte sonst keinen Widerhall, ist nie wieder aufgegriffen, nicht archiviert und daher vergessen worden. Sicher steht das auch ganz bezeichnend für die allgemeine Verwirrung, die nach dem Fahlen Pass über Tsaesci herrschte.

    Unter den weiteren Oblivion-Büchern spricht die Geschichte der Kriegergilde (auch von Peterson, nehme ich an) ganz selbstverständlich & beiläufig von unsterblichen Schlangenmenschen, welche die Zeit immer auf ihrer Seite hätten, und beschreibt, wie sich die Syffim-Söldnerarmee irgendwann nicht mehr nur aus Akaviri rekrutierte und zur Kriegergilde wurde.
    Kurios ist eine Unterhaltung mit dem bosmerischen Seemann Thurindil in Anvil, der auf dem Schiff Schlangenerweckung dient. Er behauptet, Sohn von Julianos und Mohi-Titona, der Königin von Akavir zu sein und weiter, dass seine Mutter ihn mit ihren Drachenschiffen besuchen würde. Ist das Seemannsgarn?
    Der oben schon genannte Kaiserliche Bericht zur Katastrophe von Ionith schließlich untersucht detailliert den Zusammenbruch der Akavir-Kampagne Uriels V. Dieser auch in der Kurzen Geschichte des Kaiserreichs erwähnte, wirklich gewaltige Kriegszug gen Osten wird in Form eines nüchternen, um Objektivität bemühten Kommissionsberichts dargestellt. Aber mit keinem Wort dieses langen Berichts wird etwas außergewöhnliches an der äußeren Erscheinung des Feindes festgestellt, im Gegenteil: anstelle der Drachenreiter des Kleinen Reiseführers gibt es nun ganz gewöhnliche Tsaesci-Patrouillen:
    Insgesamt zeigt TESIV: Oblivion die Tsaesci also äußerlich eindeutig als Menschen, auch wenn mancher inzwischen fest davon überzeugt war, dass es zumindest auch ein Schlangenvolk sein müsste.


    VI. Mythen und Sprache
    Der Tsaesci-Schöpfungsmythos, ein paar Monate nach Oblivion-Release im Dezember 2006 veröffentlicht, ist von Lady Nerevar (zusammen mit dem thalmorischen Dominion-Prismatextrakt) einer der beiden schwierigsten MK-Texte genannt worden. Der versucht, mit literarischen Mitteln überhaupt einmal einen Eindruck dieser fremdartigen Kultur zu erwecken. Es handelt sich um die Monomythos-Variante der Tsaesci, ihre Genesis und auch eine Suggestion ihrer letzten Ziele. Ich möchte hier keine umfassende Analyse dieses besonders dunklen Textes im Vergleich mit den anderen Erzählungen versuchen, aber ein paar Eigenarten hervorheben:

    Die Tsaesci verstehen metaphysische Konzepte als lebendige Sprache, fressbare Kommunikation und transiente Nährformen, die sie klug genug sind zu verschlingen. Man kann diese Absorption abstrakt lesen, aber wahrscheinlich bedeutet das aggressive "eat to become" für Tsaesci mehr als nur die kulturelle Adaption anderer Völker. Bedenken wir, dass dieses Universum aus Mythen & Magie besteht und Sprachmagie unmittelbarer wirkt (bekanntestes Beispiel: Skyrims Thu'um, oder das Ehlnofex) - es ist Aurbis, wo oft eher Ideen die Formen bestimmen als umgekehrt. Trotzdem scheint selbst Tamriels magisches Sprachverständnis bei den Tsaesci an seine Grenzen zu stoßen, die mit ihrem eigennützigen Verschlingen von Sprache (das die wirklichkeitsformende Macht dieser Zuschreibungen und Strukturen ganz wörtlich verinnerlicht hat) schon längst über einem linguistic turn hinaus. Die Tsaesci geben in ihrem Mythos überdies zu, alle Quelleninformationen zu ihrem Virus in den Alphabeten verschlungen zu haben, so dass niemand sonst hinter ihr Geheimnis gelangen kann.

    Der Zugriffscode der Tsaesci sind Namen. Die zwölf Welten der Schöpfung stehen eine für jede Schlange, die einen Namen hatte und können sich vermehren, denn Namen sind Selbstbegatter. Das Fortschreiten der Schöpfung ist für die Tsaesci ein einziges Benennen. Als die zwölf Welten der Schöpfung zerbrechen, verschwinden eure - der Sterblichen, vermutlich - Alphabete, nicht aber die der Tsaesci. In ihrer Gnade geben diese erhabenen Meister den minderen Geistern nun tote Sprache, die aber lebendig wird, wenn ausgeführt (genau wie Pelinal sagt: language without exertion is dead witness). Tsaesci können sich wohl über diese einzigartige kulturelle Fähigkeit verwandeln: und wir verschlangen [es], um [es] zu werden. Sie kennen den sprachlichen Quellcode und sehen sich in der Lage, mit Sprache quasi mathematisch zu kalkulieren. Der Schöpfungsmythos wird von Formulierungen wie Zufallssequenz, scales (= Schuppen & Skalen, hier doppelzüngig), Bedingungsdokument, Variationskarte, Proportion geprägt. Erstaunlich ist auch, wie weit die Tsaesci in ihrem Prozess schon gelangt sind, wenn von der Tsaeszenz (Portmanteau aus Tsaesci + Transzendenz), ihrem höchsten Bewusstseinszustand (Meisterschaft“, vgl. Vivecs lorkhanische Gnosis) in der Vergangenheit die Rede ist.
    So entstehen goldgeschuppte Unsterbliche. So hermetisch und interpretationsbedürftig der Text ist (wenn er überhaupt als entschlüsselbar und nicht als Demonstration des Gegenteils für die Tsaesci-Kultur angelegt wurde), wird doch klar, dass wir bei den Tsaesci mit einer ebenso weit fortgeschrittenen wie gefährlichen Manipulation von Sprache rechnen müssen.

    Die Remanada (Reman-ada, etwa der Geist von Reman) wurde im Zusammenhang mit dem Tsaesci-Problem oft übergangen. Unter den archaischen Sentenzen der Remanada lassen sich, bezeichnend für viele MK-Texte, monomythische Muster wie der Enantiomorph oder der Archetyp der padomayischen Suchenden nach Heilung der Herzwunde finden. Es handelt sich sowohl um Remanen- als auch Klingenmythologie - während das erste Kapitel noch einen Gründungsmythos der remanischen Herrschaft bildet, spricht das spätere zweite Kapitel vom ruhmvollen Noch-Kaiser“ Tiber Septim. Teil I setzt im Interregnum nach dem Zusammenbruch des alessianischen Kaiserreichs ein und beklagt den Zustand beider Cyrods:
    Interessant ist die Formulierung, dass schon hier die Weisheit der Schlangen und ihre Warnungen unbeachtet blieben. Eventuell ist hier suggeriert, dass sie schon vor ihrem Erscheinen am Fahlen Pass auf unbekannten Wegen Einfluss zu nehmen suchten, während Cyrodiil in Rausch und Verderbnis versank (daher die Anspielung auf Molag Bals Kalthafen). Die mythische Zeugung und Geburt Remans erlöst schließlich das entzweite Land für eine Weile.

    Das zweite Kapitel nimmt das Motiv des zerrissenen Cyrodiil wieder auf. Nach dem Ende der Remanen ist das nun von den Potentaten regierte Land wieder gespalten:
    Diese Ritter sind die motivische Verbindung zum ersten Kapitel, eine Gruppe Getreuer, die Cyrodiil noch etwas länger zusammenhalten und sich dann wie einst mit König Hrol nach dem Vorbild arthurischer Gralsritter auf die Suche nach Heilung machen. Wir erfahren, dass sie einmal Drachengardisten waren:
    Potentat Shaie als geschuppter König entspricht den goldgeschuppten Tsaesci aus Geheimnisvolles Akavir und dem Goldwandeln ihres Schöpfungsmythos. Wiederum wird eine vampirische Natur für ihre Unsterblichkeit verantwortlich gemacht. Im Kontext der Remanada muss man das nicht zwangsläufig mit den konventionellen Blutsaugern Tamriels erklären, es handelt sich wohl um ein Zehren von fremder Lebensessenz, wofür vampirisch in Tamriel einfach das richtige Wort zu sein scheint. Der Anführer dieser Ritter demonstriert nun in einem erstaunlichen Satz, wie sich Tsaesci zu verwandeln scheinen:
    Savirien war der letzte Akaviri-Potentat, von Morag Tong oder Dunkler Bruderschaft ermordet, woraufhin das Interregnum der Zweiten Ära ausbrach und selbst die Drachengardisten untertauchen. MK erklärt den Schreib- und Gedankenprozess der Remanada in einem lockeren Interview, den Fireside Chats:

    Chevalier Renald, dieser schattenhafte Tsaesci-Ritter, der durch den Text wandert, ohne je wirklich greifbar zu werden, hilft dann in der späten Zweiten Ära Cuhlecain, den Kaiserthron zu besteigen, um näher an Talos, auch genannt Sturmkrone, zu kommen. (Was es mit dem Schwein auf sich hat, auf dessen Befehl handelt, ist übrigens bis heute vollkommen im Dunkeln geblieben). Man hat seither versucht, Renald in den ohnehin aus bestimmten Gründen notorisch uneindeutigen Geschichten vom Aufstieg Tiber Septims auszumachen.
    Eine beliebte Theorie sagt, dass er Zurin Arctus geworden sei, aber das erscheint mir unglaubwürdig. Warum sollte der Beschützer des nördlichen Westens wieder nach Cyrod gehen und eine Kampfmagierdynastie etablieren, wenn der erwartete Heros schließlich im Nordwesten erschien? Vielleicht ist der Chevalier eher die undurchsichtige bretonische Nachtklinge, die manchmal an den Rändern der Tibergeschichten auftaucht (Zurin könnte als nibenischer Aristokrat natürlich trotzdem akavirische Vorfahren haben). Aber tiberische Häresien kann es natürlich nie genug geben.

    Zusammenfassend bieten Tsaesci-Schöpfungsmythos und Remanada als eigentümliche Erklärung für Tsaesci-Schlangenmenschen, dass sie Namen verschlingen und sich darüber transformieren können. Auf diese von Versiduae(?)-Vershu-Renald demonstrierte Weise haben die Schlangen die Menschen von Akavir zugleich verschlungen und sind zu ihnen geworden (wiewohl der Potentat nach wie vor mit goldenen Schuppen beschrieben wird) - eine vollständige mythische Absorption ihrer Identität durch jene, welche nun die Haut von Menschen tragen.
    Das besonders esoterische Pantheon der Magne-Ge spricht sogar einer subdermalen Kultur der Tsaesci, die im Gegensatz zu allen anderen Völkern nicht von Sternzeichen beeinflusst werden kann. Das Wesen der Tsaesci geht unter die Haut.


    VII. Drachenkämpfer (Skyrim)
    TES V: Skyrim (2011) führt im wesentlichen TES IV: Oblivions Ingame-Darstellung menschlich erscheinender Akaviri weiter. Im Mittelpunkt des Spiels stehen Drachen, Drachen, Drachen, also werden ein paar Lore-Texte um diese relative Neuigkeit herumgeschrieben. Die Klingen und ihre Vorläufer begegnen uns nun als Elitetruppe fanatischer Drachenjäger, die mit Fallen, Gift oder Drachentötungszauber (leider ein Zitat!) dutzende Dovah erledigt haben.
    TES V Skyrim klammert aus, dass Tsaesci in Geheimnisvolles Akavir ihrerseits die Roten Drachen unterworfen hatten und der Kleine Reiseführer sogar Drachenreiter erwähnt, auch wird eine möglicherweise nicht ganz unwichtige Verbindung Alduins und der Schwarzen Drachen niemals genauer thematisiert. (In der frühesten Entwicklungsphase gab es übrigens die dann zum Glück restlos aufgegebene, von G.R.R. Martins Bänden inspirierte Idee, Uriel V. mit einer Drachenarmee über das Meer zurückkehren zu lassen).
    Das Buch vom Drachenblut erzählt, dass die Akaviri in Tamriel nach einem Drachenblut-Helden suchten und ihren Mann schließlich am Fahlen Pass fanden:

    In Aufstieg und Fall der Klingen werfen sich die besiegten Akaviri vor Reman auf die Knie:

    Die Annalen der Drachenwache aus dem Tempel der Himmelszuflucht stellen die Drachengarde als eigene Lokalmacht dar, die sich unter Umständen auch gegen den Kaiser von Cyrodiil stellen kann. Die Akaviri-Tempel (Wolkenherrscher, Windscheuer, Sturmklauen und Himmelszuflucht) gönnen sich untereinander nichts und liegen oft im Streit: Während eine Fraktion der Himmelszuflucht versucht, die Nord für sich zu gewinnen ist eine andere gerade dabei, Windhelm zu plündern. Der Chronist beklagt:
    Die Annalen beschreiben auch die Errichtung von Alduins Mauer unter Reman II., welche akavirische Drachenkunde mit nordischer vereint. Das berühmte Relief, das wir aus Skyrim-Trailer und Mainquest kennen, stellt im rechten Abschnitt einen menschlichen Helden in Klingenrüstung und seine drei Mitstreiter dar, die einem feuerspeienden Drachen trotzen.


    VIII. In die Zukunft

    MKs C0DA (Februar 2014) ist als Sequel zu TESIII: Morrowind angelegt und ein möglicher Abschluss für Aurbis, der zugleich die Tür für etwas neues aufstößt. Die Geschichte um Jubal-lun-Sul (Mond und Stern) und Vivec spielt in der Velothiid, dunmerisch-khajiitischen Zufluchten unter der Mondoberfläche, in der postapokalyptischen Fünften Ära. In Einschüben wird die Geschichte unter anderem im Stil des alten Morrowind oder des ultrakommerzialisierten Tomorrowind vervielfältigt, bevor ein symbolisches Finale verschiedene Stränge der Anuade und von Vivecs Lehren in einer Hochzeit auflöst, die Lorkhans traumatische Herzwunde heilt und den Amarant als Schöpfer eines neuen Universums hervorbringt. C0DA ist vieles - Liebesbrief, Manifest, Kommentar, Erzählung und bei weitem nicht nur die Metapher zu absurd-obsoleten Kanonkonzepten, auch wenn das Wort leider zum missverstandenen Meme wurde.

    In einer der Tomorrowind-Szenen jedenfalls treten "serpentine Tsaesci in lab coats and goggles" auf - das Bild schurkischer Wissenschaftler, die dem bösartigen "Intellective"-Superhirn dienen, eine besonders grelle Demonstration ihrer quasi popkulturellen Wahrnehmung. In MKs weniger bekannter Trans-Cyrod: Insurgency, ein Skript für ein ähnliches History-Drama über die Septimreiche aus einer späteren Zeit (tatsächlich ursprünglich ein Star Wars-Skript!) - "the finest culmination of Hjalti's nonsense in the Tamriels" - findet sich eine Zeile, die Zurin Arctus als Tsaesci nahelegt: "Zurin Arctus passes in front of Boma, HISSING at him when he gets too close." Das ist Entertainment.

    Davon abgesehen hat MK die Frage, was die Amarantfigur aus C0DA sein kann, im RP einmal für sich mit Tosh-Raka beantwortet, was sein Akavir zu einer neuen Zukunftswelt werden lässt. Der Thread, der diese Idee zuerst aufbrachte, war zugleich eine Polemik gegen die Interpretation der Akaviri als Otherkin und kontrovers nicht zuletzt deshalb, weil C0DA selbst die Frage nach dem Amarant individueller Beantwortung überließ. Unabhängig davon aber hat das Konzept der kontinentalen Zeitlinien einiges für sich, wenn auch die Zusammenführung von Kalpa-Zyklen, Träumen, Reisen zwischen den Kontinenten, Walkabouts uvm. in einer umfassenden aurbischen Traumgeographie tatsächlich eine Wissenschaft für sich darstellt: Die Grundidee lautet, dass sich eine Zeitline von Ost nach West erstreckt, so dass Yokuda die Vergangenheit bildet, Akavir die Zukunft, Atmora im Norden in ewiger, totaler Zeit erstarrt, gefroren ist und Aldmeris unmöglich außerhalb der Zeit steht. Der Kontinent Akavir als Zukunft gibt auch sämtlichem Wissen Tamriels über den Osten einen neuen Twist. Alle Informationen über dieses fremde Königreich, alles was Uriel V. oder Reisende wie Kapitän Cyrus (der mit der Carrick einen Ort namens Kô besucht und dort Feuerwerk eintauscht) in Erfahrung gebracht haben, muss daran gemessen werden, schließlich in die Wahrnehmung einer Vergangenheit zurückgeholt worden zu sein.

    Die Zeit nach TES V: Skyrim hat einige der interessantesten Diskussionen zu Tsaesci hervorgebracht. Nirns temporale Mageographie und die Sprachbeherrschung der Tsaesci sind als neue Faktoren hinzugetreten. Wir finden jetzt nicht mehr nur Erklärungsversuche, die mit TESIV: Oblivion hadern, sondern kreative und spannende Auseinandersetzungen: "There's a lot to play with when on Akavir!" Häufig wird sehr grundlegend zwischen den Regeln für beide Kontinente unterschieden: Während Akavir so fremdartig wie möglich imaginiert wird, weil es konstant in der Zukunft liegt, spricht zugleich auch nichts dagegen, im guten alten Tamriel doch auf akavirische Menschenkulturen zurückzugreifen. Um beispielhaft paar Überlegungen aufzugreifen:

    Lord Hoot (der auch eine witzige Apocrypha über Tang Mo geschrieben hat) hält Akavir z.B. für weniger wirklich als Tamriel. Es ist ein Ort, der als Heimat legendärer Wundervölker am Rand der Karte begann und sich aus den Phantasien von Mensch und Mer zusammensetzte, nur um dann real genug zu werden, eine Invasion zu starten. Lirhrys hat die Tsaesci mit den Krillitanern aus Doctor Who verglichen, die sich die physische Erscheinung der Spezies aneignen, die sie gerade erobert haben. Andere SciFi-inspirierte Ideen assoziierten Tsaesci mit körperlosen Viren oder Symbionten (wie die Goa'uld oder im Stil von V - Die Besucher), parasitische Verzehrer, die im Inneren der Menschen von Akavir leben und sie vollkommen kontrollieren, eventuell sogar bewirken, dass sie leicht serpentine Züge annehmen. Eine andere, quasi religionsethnologische Interpretation fragte nach Praktiken von Anbetung und Nachahmung, vielleicht einer intensiven Totemverehrung, die in der Verbindung von Totem und den Akaviri zu einer neuen Überseele resultierte: Tsaesci wären vielleicht Menschen, die versucht hätten, sich der Schlange als ihrem höchsten Ideal durch Ästhetik, Mythologie, Rituale, Illusionen, Tätowierungen, Körpermanipulationen etc. anzunähern. Das ist nicht einmal eine besonders fantasievolle Erklärung, gibt es doch Totem- und Schlangenkult (Alik'rs Satakali sind das extremste Beispiel) auch in Tamriel. Vielleicht lohnt es in dem Zusammenhang auch, allgemein über die Schlangensymbolik des Verschollenen Gottes ("Lorkhan") in Aurbis nachzudenken und wie die Tsaesci damit zusammenhängen könnten. In Richtung sprachfressender Tsaesci geht wiederum Maerings Idee, der sich mit MK fragt, ob das Shaie in Versiduaes Namen eigentlich einen Plural, einen Titel, einen Daseinstzustand oder alles zusammen meint:
    Es gab hier also zahlreiche neue und interessante Ansätze zu den Schlangenmenschen, die nicht einfach nur den seit TES: Arena überkommenen Vorstellungen von tamrielischen Tiervölkern folgten.


    IX. Die andere Invasion (Online)
    TES: Online (2014) führt gameplaybedingt den Ebenherz-Pakt als eine der drei Allianzen ein, dessen Wurzeln im gemeinsamen Widerstand von Nord, Dunmern und Argoniern gegen Ada'Soom Dir-Kamal liegen, und widmet sich auch diesem bei aller Aufmerksamkeit für Tsaesci inzwischen halb vergessenen anderen Akaviri-Volk. Die ESO-Haupthandlung spielt nur ein knappes Jahrzehnt nach dem Einfall der Kamal, näher waren wir einem fernöstlichen Einfall chronologisch nie und treffen auch ganze Reihe Veteranen, die noch gegen die Invasoren gekämpft haben. Die Erinnerung ist relativ frisch, und weder Augenzeugen noch die jüngeren Schriften (z.B. Jorunn der Skaldenkönig) sprechen bei den Kamal von dämonischen Schneegeistern. Zugleich bemerkt Die Zweite Akaviri-Invasion schon, dass Tatsachen verdunkelt und zu Legenden entrückt werden.

    Tamriel weiß nicht, wonach die Kamal gesucht haben (das "Ordained Receptacle" steht für Spekultionen offen), lediglich, dass sie aus einem anderen Königreich als Tsaesci stammen und jeden Wikinger mit ihrem Überraschungsangriff stolz gemacht hätte. ESO hält aber noch einen anderen Twist parat: Gegen die Schlangen, Denskars wütende Abrechnung mit Jorunns Kriegspolitik, nennt nun die Kamal statt Schneedämonen (wie in Geheimnisvolles Akavir) ebenfalls Schlangen:
    Daela Thadus erzählt, wie Tanval Indoril und Holgunn Einauge auf dem Schlachtfeld zu Schildbrüdern wurden:

    Ich hatte es zuerst für schlecht recherchiert gehalten, aber die Bezeichnung von Kamal als Schlangen hat Methode. Schlangen ist hier die allgemeine tamrielische Bezeichnung für sämtliche Akaviri!
    Eines der von Jan Pospíšil illustrierten Tales of Tamriel-Bücher mit ESO-Geschichten enthält sogar mehrere Bilder von Akaviri. Ein Concept Art zeigt verschiedene (Samurai-)Rüstungen. Dagegen gibt es eine Zeichnung von Schlangen und sowie ein Bild, das in bekannter Horror-Einstellung lediglich den Schatten eines Monsters an die Wand wirft, das eindeutig nicht menschlich ist. Die künstlerischen Interpretationen legen sich also noch nicht eindeutig fest.

    Im Sinne dieser Mehrdeutigkeit wissen die ESO-Schreiber natürlich, dass die Lore, wie Larry Schick es formulierte, in der Regel durch die vielen unterschiedlichen Überzeugungen der Leute von Tamriel selbst präsentiert wird. Darum bleibt auch die Tsaesci-Frage ambivalent. In der 15ten Episode von ESO Live rekapituliert Schick den Stand der Dinge, der Rest bleibt ungewiss:
    Und darum spricht Der Ehrenwerte Ar-Azal auch wieder von einem Schlangenkopf-Potentaten. Die Bibliothek der Dämmerung nennt die okkulte Gwylim-Praxis einer Goldenen Schlange, bei der es darum geht, Personen im Augenblick ihres Todes Magicka zu entziehen, und spielt damit wieder auf die vermeintlich vampirischen Talente der Tsaesci an. Auf der anderen Seite noch ein letztes, für sich sprechendes Detail: Handwerksstile 18, Kapitel 3 beschreibt endgültig einmal ihre verdammten Stiefel:


    [AN DIESER STELLE FEHLEN NOCH SÄMTLICHE JÜNGEREN ESO-INFOS, INSBESONDERE AUS DEM ELSWEYR-ADDON und den folgenden Updates, in denen unter anderem Chevalier Renald einen Auftritt hat.]



    X. Ein labyrinthischer Palast

    Es ist kein Geheimis, dass Tsaesci und Kamal in Tamriel als Menschenvölker auftreten, exotische Erscheinungen zweifelsohne, aber keine Tiermenschen. Die Yuan-Ti-artigen Tsaesci sind vor allem die Idee eines wirklich guten Romans. Tang Mo und Ka' Po'Tun mögen vielleicht sogar die beschriebenen Völker sein, wer kann's sagen, wurden diese Wesen doch nie außerhalb von Geheimnisvolles Akavir gesichtet.
    Ted Peterson und Michael Kirkbride haben die Akaviri, nachdem sie erst einmal als Menschenvolk etabliert wurden, für Morrowind mit doch recht unterschiedlichem Akzent verfremdet, der eine als Hybridwesen aus dem DnD-Handbuch, der andere als mythische Schlangen, die wie Menschen aussehen, weil sie dieses sprachliche Konzept gefressen haben. Oblivions Ingame-Darstellung der Akaviri als menschliche Soldaten hat sich in Skyrim und bedingt auch in ESO gehalten. Zugleich dringen Texte wie Remanada oder der Schöpfungsmythos tiefer in abstrakte Konzepte vor, die sich tatsächlich noch weit hinter Tamriels Horizont befinden und jene unsterblichen, vampirischen Schlangenmenschen präsentieren, die sich scheinbar in gefressener Linguistik transformieren können - sich gleichsam durch Sprache häuten. Machen wir es uns nicht zu einfach; Akavir hat immerhin Potential und Aufgabe, die vertrauten Wunder Tamriels noch um ein vielfaches zu übertreffen.

    Das Thema ist ein labyrinthischer Schlangenpalast aus 15 Jahren Mystifizierung und Gerüchten, Wunder- und Schreckensberichten, vagen Suggestionen und doppelzüngigen Enthüllungen. Ich glaube nicht, dass einmal ein künftiger Elder Scrolls-Titel in diesen fernsten Osten segelt. Akavir ist in erster Linie als Worldbuilding-Instrument angelegt und auf Tamriel bezogen. Aber falls doch, sind wir nun etwas besser vorbereitet. Und heißt es nicht, ein Nerevarine sei schließlich nach Akavir aufgebrochen?
     
    Zuletzt bearbeitet: 11. Juli 2019
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  3. RoterHase

    RoterHase Angehöriger

    Erstmal Danke für deinen tollen Artikel.

    Was ist eigentlich mit den Lamien?
     
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