Oblivion:Der Argonische Bericht - Band I

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Diese Seite enthält den Text des ersten Bandes von Der Argonische Bericht aus The Elder Scrolls IV: Oblivion.

Inhalt

Der Argonische Bericht - Band 1
von
Waughin Jarth


An einem kleinen aber vornehmen Platz in der Kaiserstadt stand oder vielmehr erstreckte sich die Baubehörde von Fürsten Vanech. Es war ein einfallsloses, bescheidenes Gebäude, das weniger aufgrund seiner ästhetischen oder architektonischen Vorzüge auffiel, als wegen seiner erstaunlichen Länge. Falls irgendwelche Kritiker sich wunderten, warum ein so schmuckloses langes Gebäude solche Faszination für den Fürst Vanech hielt, behielten sie es für sich.


Im 398. Jahr der 3. Ära war Decumus Scotti Beamter bei der Baubehörde.


Es war ein paar Monate her gewesen, dass dieser schüchterne Mann mittleren Alters Fürst Vanech einen höchst lukrativen Vertrag eingebracht hatte, der der Baubehörde das ausschließliche Recht gewährte, die Straßen von Valenwald wiederaufzubauen, die im Fünfjährigen Krieg zerstört worden waren. Dafür war er zum Liebling der Betriebsleiter und der Beamten geworden, und nun verbrachte er seine Tage damit, seine Abenteuer mehr oder weniger wahrheitsgetreu wiederzugeben… obwohl er das Ende der Geschichte wegließ, da viele von seinen Kollegen am feierlichen Unthrappa-Bratenessen teilgenommen hatten, zu dem die Silenstri eingeladen hatten. Seinen Zuhörern mitzuteilen, dass sie Menschenfleisch gierig verschlungen haben verbessert nur wenige Geschichten von gutem Geschmack.


Scotti war weder besonders ehrgeizig noch fleißig, also machte es ihm nichts aus, dass Fürst Vanech ihm keine richtige Aufgabe gegeben hatte.


Wann immer Fürst Vanech Decumus Scotti im Büro begegnete, pflegte der untersetzte, koboldhafte Mann zu sagen, „Ihr macht der Baubehörde Ehre. Weiter so mit der guten Arbeit.”


Am Anfang hatte Scotti befürchtet, dass er tatsächlich etwas tun sollte, aber nachdem einige Monate vergangen waren, antwortete er nur noch, „Danke. Mache ich.”


Andererseits musste er an seine Zukunft denken. Er war kein junger Mann mehr und obwohl er für jemanden, der keine tatsächliche Arbeit leistete, ein anständiges Gehalt erhielt, beunruhigte es Scotti, dass er bald in Pension gehen musste und nicht mehr dafür bezahlt werden würde, dass er keine Arbeit tat. Es wäre schön, dachte Scotti, wenn sich Fürst Vanech aus Dankbarkeit für die Millionen an Gold, die der Valenwald-Vertrag abwarf, ihn zum Partner machen würde. Oder zumindest einen kleinen Anteil der Beute mit ihm teilte.


Decumus Scotti tat sich schwer, solche Fragen zu stellen. Dies war einer der Gründe, warum er vor seinen Erfolgen in Valenwood als Amtmann von Fürst Atrius, ein miserabeler Agent gewesen war. Er hatte sich gerade dazu durchgerungen, Fürst Vanech doch etwas zu sagen, als dieser auf unvermutete Weise die Sache vorantrieb.


„Ihr macht der Baubehörde Ehre,” sagte das watschelnde kleine Ding und hielt dann inne. „Habt Ihr in Eurem Terminplan einen freien Moment?”


Scotti nickte eifrig und folgte dem Fürsten in seinen grauenhaft eingerichteten, beneidenswerten Hektar Büroraum.


„Zenithar hat uns mit Eurer Gegenwart in der Baubehörde gesegnet,” quiekste der kleine Kerl. „Ich weiß nicht, ob Ihr das wisst, aber bevor Ihr zu uns kamt hatten wir eine schwierige Zeit. Gewiss, wir hatten eindrucksvolle Projekte, aber sie waren nicht erfolgreich. In Schwarzmarsch, zum Beispiel, versuchen wir seit Jahren, die Straßen und Wege für den Handel zu verbessern. Ich setzte meinen besten Mann, Flesus Tijjo, darauf an, aber jedes Jahr wird der Handel entlang jener Routen, trotz Schwindel erregender Mengen an Zeit und Geld, nur langsamer und langsamer. Jetzt haben wir Euren sehr schönen, sehr, sehr Gewinn bringenden Valenwood-Vertrag, mit dem der Gewinn der Baubehörde erhöht wird. Ich glaube, es wird Zeit, dass Ihr belohnt werdet.”


Scotti lächelte ein breites Grinsen der großen Bescheidenheit und subtilen Habgier.


„Ich möchte, dass Ihr das Schwarzmarsch-Konto von Flesus Tijjo übernehmt.”


Scotti zitterte, als würde er aus einem angenehmen Traum in die schreckliche Wirklichkeit erwachen. „Mein Fürst, ich - ich könnte niemals -”


„Unsinn,” zirpte Fürst Vanech. „Sorgt Euch nicht um Tijjo. Bei der Pension, die er von mir erhält, wird er sich sehr gern zur Ruhe zu setzen, zumal diese Schwarzmarsch-Geschichte äußerst nervenaufreibend gewesen ist. Genau die richtige Herausforderung für Euch, mein lieber Decumus.”


Scotti brachte keinen Ton hervor, obwohl seine Lippen schwach das Wort „Nein” formten, als Fürst Vanech den Behälter mit der Dokumentation zu Schwarzmarsch hervorholte.


„Ihr lest ja schnell,” meinte Fürst Vanech. „Ihr könnt das dann alles unterwegs lesen.”


„Unterwegs nach... ?”


„Schwarzmarsch natürlich,” kicherte das Kerlchen. „Ihr seid ein Witzbold. Wohin solltet Ihr wohl sonst gehen, um Euch nach der Arbeit zu erkundigen, und wie man sie verbessern kann?”


Am nächsten Morgen brach Decumus Scotti mit dem fast unberührten Stapel Dokumente in südöstlicher Richtung zur Reise nach Schwarzmarsch auf. Fürst Vanech hatte einen kräftigen, recht schweigsamen Rothwardonen namens Mailic angeheuert, um seinen besten Agenten zu schützen. Sie ritten gen Süden am Niben entlang, und dann Richtung Südosten entlang dem Silberfisch in die Wildnis von Cyrodiil, wo die Nebenflüsse keine Namen hatten und selbst die Vegetation aus einer anderen Welt zu stammen schien als die schönen, gepflegten Gärten der nördlichen Kaiserlichen Provinz.


Scottis Pferd war an das von Mailic angebunden, damit der Beamte lesen konnte. Dadurch war es schwierig, sich auf den Weg zu konzentrieren, den sie nahmen, aber Scotti wusste, dass er sich mit den Geschäften der Baubehörde in Schwarzmarsch wenigstens flüchtig vertraut machen musste.


Es war ein riesiger Kasten mit Unterlagen, die vierzig Jahre zurückgingen, als der Bauausschuss mehrere Millionen in Gold von einem wohlhabenden Händler, Fürst Xellicles Pinos-Revina, bekommen hatte, um den Zustand der Straße von Gideon nach Cyrodiil zu verbessern. Zu jener Zeit dauerte es drei Wochen, eine unerhört lange Zeit, bis der Reis und die Wurzeln, die er importierte, halb verfault in der Kaiserlichen Provinz ankamen. Pinos-Revina war schon lange tot, aber im Laufe der Jahrzehnte hatten viele andere Investoren, darunter sogar Pelagius IV, den Bauausschuss damit beauftragt, Straßen zu bauen, Sümpfe trockenzulegen, Brücken zu konstruieren, Vorkehrungen gegen Schmuggler einzurichten, Söldner anzustellen, kurz, um alle Maßnahmen zu treffen, durch die der Handel zwischen dem größten Reich in der Geschichte und Schwarzmarsch verbessert würde. Den neusten Zahlen nach war das Ergebnis, dass es inzwischen zweieinhalb Monate dauerte, bis Waren nun ankamen, und zwar völlig verdorben.


Scotti stellte fest, dass, wann immer er von dem aufsah, worauf er sich gerade konzentrierte, die Landschaft sich geändert hatte. Immer dramatisch. Und immer zum Schlechteren.


„Das hier ist Dunkelforst, Herr,” sagte Mailic auf Scottis unausgesprochene Frage hin. Es war tatsächlich dunkel und waldreich, also fand Decumus Scotti den Namen sehr passend.


Schließlich stellte er die Frage, die ihm schon seit geraumer Weile auf der Zunge lag: „Was stinkt hier bloß so schrecklich?”


„Sumpfspitze, Herr,” antwortete Mailic, als sie um die nächste Ecke bogen, wo der schattige Tunnel aus ineinander verflochtenen Ästen und Ranken sich zu einer Lichtung öffnete. Dort standen mehrere offiziell aussehende Gebäude im tristen kaiserlichen Design, das der Bauausschuss des Fürsten Vanech wie auch jeder Kaiser seit Tiber bevorzugte. Gleichzeitig stieg Scotti ein derart unglaublich abscheulicher Gestank in die Nase, dass er sich plötzlich fragte, ob man wirklich dergleichen riechen und überleben könne. Die Schwärme blutigroter, sandkorngroßes Insekten, welche die Lichtung verdunkelten, machten die Aussicht nicht besser.


Scotti und Mailic schlugen auf die summenden Wolken ein, während sie auf das größte der Gebäude zuritten. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass dieses am Ufer eines dickflüssigen schwarzen Flusses stand. Ihrer Größe und ihrem offiziellen Aussehen nach, so erriet Scotti, handelte es sich um das Zollamt für die breite weiße Brücke, die über das brodelnde, dunkle Wasser zum Schilf auf der anderen Seite führte. Es war eine sehr schöne, kräftig aussehende Brücke, gebaut, wie Scotti wusste, von seiner Baubehörde.


Auf Scottis Klopfen hin öffnete ein kleiner, reizbarer Beamter die Tür. „Herein, herein, schnell! Lasst die Fleischfliegen nicht herein!”


„Fleischfliegen?” Decumus Scotti zitterte. „Fressen die etwa Menschenfleisch?”


Der Soldat verdrehte die Augen. „Wenn man so dumm ist und sie hereinlässt, ja.” Er hatte nur ein halbes Ohr, und als Scotti die anderen Soldaten in der Festung betrachtete, bemerkte er, dass sie alle etwas angeknabbert aussahen. Einer von ihnen hatte so gut wie gar keine Nase mehr. „Also, was habt Ihr für ein Anliegen?”


Scotti erzählte es ihm und fügte hinzu, dass sie, wenn sie vor der Festung stehen würden, statt im Inneren, mehr Schmuggler fangen könnten.


„Ihr solltet Euch lieber darüber Gedanken machen, wie Ihr diese Brücke überqueren wollt,” versetzte der Soldat höhnisch. „Die Flut kommt, und wenn Ihr euch nicht beeilt, könnt Ihr erst in vier Tagen wieder nach Schwarzmarsch.”


Das war doch absurd. Eine Brücke über einem Fluss, die durch das Wasser der Gezeiten überschwemmt wurde? Aber der Blick des Soldaten sagte Scotti, dass dieser nicht scherzte.


Als er aus der Festung trat, sah er, dass die Pferde, offensichtlich der Qual durch die Fleischfliegen überdrüssig, sich von ihren Stricken losgerissen hatten und in den angrenzenden Wald davongaloppierten. Das ölige Wasser des Flusses schwappte bereits über die Bohlen der Brücke und sickerte durch die Spalten. Scotti überlegte, dass es ihm nur recht sein konnte, wenn er erst in vier Tagen nach Schwarzmarsch weiterzog, aber Mailic lief bereits über die Brücke.


Scotti rannte ihm keuchend nach. Er war nicht in bester körperlicher Verfassung und war es niemals gewesen. Der Kasten mit den Dokumenten der Baubehörde war schwer. In der Mitte der Brücke machte er kurz Pause, um Atem zu holen, und entdeckte plötzlich, dass er sich nicht bewegen konnte. Seine Füße klebten fest.


Der schwarze Schlamm, den der Fluss führte, war ein dicker klebriger Brei, und nachdem er über die Bohlen geschwappt war, auf denen Scotti stand, hielt er seine Füße fest. Panik ergriff Scotti. Er blickte von der Falle auf und sah Mailic von Bohle zu Bohle vor sich her springen, um schnell ins Schilf auf der anderen Seite zu gelangen.


„Hilfe!" schrie Scotti. „Ich stecke fest!”


Mailic drehte sich nicht einmal um, sondern hüpfte weiter. „Ich weiß Herr. Ihr seid ein wenig zu schwer.”


Decumus Scotti wusste zwar, dass er einige Pfunde Übergewicht hatte, und er hatte sich vorgenommen, demnächst weniger zu essen und sich mehr zu bewegen, aber jetzt mit einer Diät zu beginnen, versprach in seiner gegenwärtigen Lage wohl kaum rechtzeitige Hilfe. Keine Diät auf Nirn hätte ihm in diesem Moment nützen können. Nach kurzer Überlegung begriff Scotti jedoch, dass der Rothwardone den Kasten mit den Dokumenten meinte, denn Mailic trug nichts mehr von dem Reisegepäck, das er vorher bei sich gehabt hatte.


Mit einem Seufzer warf Scotti den Kasten mit den Papieren des Bauausschusses in die schwarze Brühe und spürte in diesem Moment, wie die Bohle unter seinen Füßen um einen Viertel Zoll nach oben nachgab; gerade genug, um ihn aus dem Klammergriff des Schlamms zu befreien. Mit einer aus Todesangst geborenen Behändigkeit begann Scotti Mailic hinterher zu hüpfen, wobei er auf jeder dritten Bohle aufkam und weitersprang, bevor der Strom ihn wieder ergreifen konnte.


Nach sechsundvierzig Sprüngen brach Decumus Scotti durch das Schilf und landete auf festem Boden neben Mailic, in Schwarzmarsch. Hinter sich vernahm er ein schlürfendes Geräusch, als die Brücke mitsamt seinem Kasten mit den wichtigen amtlichen Aufzeichnungen der Baubehörde von den steigenden Massen des dunklen Stroms verschlungen wurden, um nie wieder aufzutauchen



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