Online:Vom Alten zum Neuen

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Diese Seite enthält den Text von Vom Alten zum Neuen aus The Elder Scrolls Online.

Inhalt

Vom Alten zum Neuen

Die Geschichte von zwei Festen Von Botjolf Metwärmer

„Pa, warum ist der Verkünder des Neujahrs so gruselig?“

Als meine Jüngste mir während eines Neujahrsfestes diese Frage stellte, lachte ich. Ich hatte meinem eigenen Pa einst dieselbe Frage gestellt. Er antwortete: „Wenn der Herbst kommt, solltest du das deine Großmutter fragen.“

Um diese Antwort zu verstehen, müssen wir uns das Altjahrsfest genauer ansehen, das wir begehen, wenn die Tage kürzer werden und die Felder brachliegen. In dieser Zeit erzählt man sich düstere Geschichten und singt beunruhigende Lieder. Der „Namenlose Reisende“ berichtet von einer Gestalt in weitem Umhang, von dessen Ankunft auf dem Schiff keiner der anderen Reisenden etwas mitbekommen hat. „Das verlorene Kitz in den Wäldern“ erkennt, dass ein sich heranpirschender Wolf seine Mutter getötet hat und ihre Haut trägt, doch in der Panik der Flucht sucht es im Bau des Wolfes Schutz. „Der mitternächtliche Gast“ mietet in tiefster Nacht ein Zimmer, verschwindet jedoch vor dem Morgengrauen – zusammen mit dem Kind des Gastwirts.

Je länger die Nächte werden, desto mehr dieser Geschichten erzählt man sich. Jedes Volk schmückt sie mit leichten Abwandlungen aus, doch in ganz Tamriel finden sich dieselben Themen: Gefahr in der Dunkelheit, eine Bedrohung der Unschuldigen oder Jungen und eine heimtückische Kreatur, die sich in die vermeintliche Sicherheit von Heim und Herd schleicht. Doch „Der Wolf, der nach den Gestirnen lechzt“ lässt mich noch immer erschaudern, ganz gleich, wie lichterloh das Feuer brennt.

So wie meine Oma die Geschichte allen Kindern des Dorfes in einer Nacht vor langer Zeit erzählte, schlich ein großer Wolf mit Augen wie Feuer nachts durch das Land. Sein unbändiger Hunger trieb ihn über das Land, wo er sich an den Vulkanen Morrowinds labte, die Iliac-Bucht so leer trank, dass sich die Alik'r-Wüste bildete, und die großen Bäume des Valenwaldes als Zahnstocher nutzte. Doch der Wolf war nie gesättigt, egal, wie viel er fraß oder trank. Er wollte mehr und mehr und mehr.

Eines Nachts sah der Wolf die beiden Monde über den Himmel tanzen. Masser, der größere der beiden, lachte und zog weiter seine Bahnen. Secunda, der kleinere, folgte Massers Beispiel.

„Seid still!“, knurrte der Wolf. „Sonst hole ich euch vom Himmel. Dann breche ich euch auf und verschlinge alles, was in euch ist, wie die Städte der Ayleïden.“

„Du erreichst uns nie!“, spottete Masser. „Erreichst uns nie“, wiederholte Secunda.

„Oh?“, knurrte der Wolf. „Ich werde vom höchsten Berg springen, bis ich den Himmel erreiche. Dann werde ich mit zwei Pfoten auf jedem von euch stehen, zerfleischen und reißen, bis es keine Monde mehr gibt.“

„Doch jeder wird bemerken, wenn einer von uns fehlt!“, rief Masser. „Einer von uns fehlt“, wiederholte Secunda.

„Ich werde die Farbe meines Pelzes ändern, damit sie der des Firmaments gleicht“, knurrte der Wolf. „Meine flammenden Augen werden an eurer Stelle scheinen. Niemand wird den Unterschied erkennen.“

„Die Sonne wird wissen, dass wir nicht sind, was wir zu sein scheinen!“, rief Masser. „Nicht sind, was wir zu sein scheinen“, wiederholte Secunda.

„Dann werde ich auch die Sonne verspeisen“, knurrte der Wolf. „Und anschließend fresse ich alle Sterne.“

„Das kannst du uns nicht antun!“, rief Masser. „Kannst du uns nicht antun“, wiederholte Secunda.

„Natürlich kann ich das“, knurrte der Wolf. „Und wenn ich mich an den Gestirnen gelabt habe, wenn es nur noch Dunkelheit gibt, werde ich noch immer auf der Welt stehen und heulen!“

Als sich meine Großmutter mit krallenartig ausgestreckten Fingern nach vorn lehnte, brach eine Gestalt mit Wolfskopf in den Raum und heulte. Alle Kinder kreischten. Dann erloschen die Kerzen.

Ich erinnere mich, wie ich in der Dunkelheit zitterte und versuchte, keinen Mucks von mir zu geben. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, doch wahrscheinlich war es eher ein Dutzend Herzschläge lang.

Ein sanftes Licht erstrahlte von der Laterne, die meine Großmutter in die Höhe hielt. Sie trat der Gestalt mit Wolfskopf entgegen und sagte „Noch nicht, Wolf. Das Licht der Sonne ist ein zu reichliches Mahl. Es wird stattdessen dich verschlingen.“

„Dann will ich warten, bis die Sonne am schwächsten ist“, knurrte der Gestaltwandler. „An diesem Tage will ich sie vollständig verschlingen.“

„Das kannst du versuchen“, sagte meine Großmutter mit fester Stimme. „Doch die Sonne mag ihre eigenen Pläne haben.“

Da flackerte die Laterne. Der Gestaltwandler heulte vor Schmerz auf und stahl sich aus dem Raum. Einige Augenblicke lang folgte nur Stille. Dann sprach meine Großmutter.

„Vergesst nie die Gefahr, die in der Dunkelheit lauert. Sie kann mitten unter euch schlüpfen und euch in die Nacht zerren. Doch noch das schwächste Licht ist das alte Jahr, das hinter uns liegt. Bald schon wird neues Leben entstehen und die Sonne wird dessen Ankunft verkünden.“

Einige Wochen vergingen. Das Neujahrsfest begann. Ich erinnere mich, wie wir uns kurz vor Mittag auf dem Platz versammelten. Und ich erinnere mich, wie die Kinder schrien, als der Wolfsmann kühn auf uns zu schritt. Doch wir hielten inne, als er den Wolfskopf von seinen Schultern nahm und so die Person darunter enthüllte.

Es war mein eigener Pa!

Er war gar kein Wolfsmann. Im Licht der Mittagssonne war er einfach nur eine Person in einem Kostüm. Die Bärenkrallen und das Knurren, die stilisierten Gesichter, die in sein Gewand gearbeitet waren, – dies alles wirkte am helllichten Tage fast schon lächerlich. Er lächelte und erzählte uns, das Licht der Sonne hätte ihm Hoffnung gespendet, und dass er beim Fest unser Verkünder des Neujahrs sein werde.

Als nun also Jahre später meine Jüngste mich fragte, weshalb der Verkünder des Neujahrs so gruselig sei, lachte ich.

„Wenn der Herbst kommt, solltest du das deine Großmutter fragen.“
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