Online:Heilige Zeugin, Teil 2

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Inhalt

Heilige Zeugin, Teil 2
Von Enric Milres

„Ich bin nicht hier, um die Dienste der Bruderschaft in Anspruch zu nehmen“, sagte ich respektvoll.

„Warum seid Ihr dann hier?“, fragte die Mutter der Nacht, wobei ihre Augen auf den meinen blieben.

Ich sagte ihr, dass ich mehr über sie erfahren wollte. Ich erwartete keine Antwort darauf, doch sie sprach zu mir.

„Ich habe nichts gegen die Geschichten, die Ihr Schriftsteller Euch über mich einfallen lasst“, meinte sie, leise in sich hineinlachend. „Manche davon sind sehr amüsant, andere sind gut fürs Geschäft. Mir gefällt besonders die verführerische dunkle Dame, die sich in Carlovac Stadtwegs Geschichten auf einem Diwan räkelt. In Wahrheit würde meine Geschichte keine besonders dramatische Erzählung abgeben. Ich war eine Diebin, vor langer, langer Zeit, damals, als die Diebesgilde noch in den Kinderschuhen steckte. Es ist so umständlich, bei einem Einbruch heimlich durchs Haus zu schleichen, und viele von uns fanden es daher höchst effektiv, den Bewohner des Hauses zu erwürgen. Einfach aus Gründen der Bequemlichkeit. Ich schlug der Gilde vor, einen Teil unseres Ordens den Künsten und Wissenschaften des Mordens zu widmen.“

„Mir erschien die Idee gar nicht so heikel“, fuhr die Mutter der Nacht mit einem Achselzucken fort. „Wir hatten Experten in Fassadenkletterei, Taschendiebstahl, Schlösserknacken, Hehlerei, all den anderen wichtigen Aspekten unserer Tätigkeit. Doch die Gilde glaubte, dass eine Ermutigung zum Mord schlecht fürs Geschäft wäre. Das ginge dann doch zu weit, meinten sie.“

„Vielleicht hatten sie recht“, fuhr die alte Frau fort. „Doch ich hatte herausgefunden, dass auch im plötzlichem Tod ein gutes Geschäft steckt. Nicht nur kann man den Toten ausrauben, sondern, wenn das Opfer Feinde hat, wie das bei reichen Leuten häufig der Fall ist, kann man sich sogar noch mehr dafür bezahlen lassen. Nach dieser Erkenntnis änderte ich die Art und Weise, wie ich Leute ermordete. Nachdem ich sie erwürgt hatte, legte ich zwei Steine auf ihre Augen, einen schwarzen und einen weißen.“

„Warum?“, fragte ich.

„Das war sozusagen meine Visitenkarte. Ihr seid Schriftsteller … Wollt Ihr denn nicht Euren Namen auf Euren Büchern sehen? Auch wenn ich meinen Namen nicht benutzen konnte, wollte ich, dass mögliche Kunden mich und meine Werke kannten. Mittlerweile verzichte ich darauf, weil ich es nicht mehr nötig habe, aber damals war das mein Markenzeichen. Die Kunde verbreitete sich, und bald hatte ich ein ziemlich erfolgreiches Geschäft.“

„Und so entstanden die Morag Tong?“, fragte ich.

„Ach du meine Güte, nein“, lächelte die Mutter der Nacht. „Die Morag Tong gab es schon lange vor meiner Zeit. Ich weiß, dass ich alt bin, aber so alt nun auch wieder nicht. Ich habe lediglich einige ihrer Meuchelmörder angeheuert, als die Vereinigung nach dem Mord am letzten Potentaten begann auseinanderzufallen. Sie wollten nicht mehr zu den Tong gehören, und da ich das einzige andere nennenswerte Mordsyndikat darstellte, haben sie sich mir angeschlossen.“

Ich formulierte meine nächste Frage sorgfältig. „Werdet Ihr mich jetzt umbringen, nachdem Ihr mir all dies erzählt habt?“

Sie nickte traurig, und ihr entfuhr ein kleiner großmütterlicher Seufzer. „Ihr seid ein so netter, höflicher junger Mann, dass ich unsere Bekanntschaft nur ungern beenden würde. Würdet Ihr mir vielleicht ein oder zwei Zugeständnisse machen, falls ich Euch am Leben lasse?“

Zu meiner ewigen Schande stimmte ich zu. Ich erklärte, ich würde nichts über unser Treffen sagen, was, wie der Leser sehen kann, ein Versprechen war, das ich Jahre später schließlich brechen würde. Warum habe ich mein Leben derart in Gefahr gebracht?

Wegen der Versprechen, die ich gehalten habe.

Ich habe der Mutter der Nacht und der Dunklen Bruderschaft bei Taten geholfen, die zu verabscheuenswürdig, zu blutig waren, als dass ich sie zu Papier bringen könnte. Meine Hand zittert, wenn ich an die Leute denke, die ich verraten habe, angefangen in jener Nacht. Ich versuchte, meine Gedichte zu schreiben, doch die Tinte schien sich in Blut zu verwandeln. Schließlich floh ich, änderte meinen Namen und reiste in ein Land, in dem mich niemand kennen würde.

Und ich schrieb diese Worte nieder. Die wahre Geschichte der Mutter der Nacht, nach dem, was sie mir in der Nacht erzählte, in der wir uns begegneten. Es wird das Letzte sein, was ich je schreibe, das weiß ich. Und jedes Wort ist wahr.

Betet für mich.

– Anmerkung des Herausgebers: Obwohl das Buch ursprünglich anonym veröffentlicht wurde, bestanden über die Identität des Autors niemals wirklich Zweifel. Jeder Laie, der mit dem Werk des Dichters Enric Milnes vertraut ist, wird in der Heiligen Zeugin die vertraute Kadenz und den Stil seiner Werke wie „Die Alik'r“ wiedererkennen. Kurz nach der Veröffentlichung wurde Milnes ermordet; sein Mörder wurde niemals gefasst. Man hatte ihn erwürgt und zwei Steine, einen schwarzen und einen weißen, gewaltsam in seine Augenhöhlen gedrückt. All das auf sehr brutale Weise.
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