Skyrim:Die wahre Barenziah, Buch V | ElderScrollsPortal.de

Skyrim:Die wahre Barenziah, Buch V

Version vom 25. Mai 2025, 13:23 Uhr von Scharebot (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „{{Quelle (Skyrim) |Titel = Die wahre Barenziah, Buch V |Originaltitel = The Real Barenziah, v5 |ID = 0001ACDA |Gewicht = 1.00 |Wert = 5 |Inhalt = Die wahre Barenziah Band V Verfasser unbekannt 50px|text-bottomie von Symmachus vorausgesagt, hatte der Diebstahl des Stabs des Chaos keine unmittelbaren Folgen. Der herrschende Kaiser, Uriel Septim, verschickte einige recht scharf formulierte Botschaften, in denen er seine E…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version ansehen (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Die wahre Barenziah, Buch V
ID: 0001ACDA
Zur Schrift
Wert 5 Gewicht 1.00 GE

Diese Seite enthält den Text von Die wahre Barenziah, Buch V (engl. The Real Barenziah, v5) aus The Elder Scrolls V: Skyrim.

Inhalt

Die wahre Barenziah

Band V

Verfasser unbekannt

ie von Symmachus vorausgesagt, hatte der Diebstahl des Stabs des Chaos keine unmittelbaren Folgen. Der herrschende Kaiser, Uriel Septim, verschickte einige recht scharf formulierte Botschaften, in denen er seine Erschütterung und sein Missfallen über das Verschwinden des Stabs zum Ausdruck brachte, und wies Symmachus an, mit aller Kraft dem Verbleib des Stabes nachzugehen und dem kürzlich ernannten Kaiserlichen Kampfmagier Jagar Tharn, in dessen Hände man die Sache gelegt hatte, seine Fortschritte mitzuteilen.

„Tharn!“ donnerte Symmachus voll Empörung und Frustration. Er schritt in der kleinen Kammer, in der die seit einigen Monaten schwangere Barenziah saß und gelassen eine Babydecke bestickte, ungeduldig auf und ab. „Ausgerechnet Jagar Tharn. Ihm würde ich nicht einmal helfen, die Straße zu überqueren, und wenn er ein tatteriger alter Trunkenbold wäre.“

„Was hast du denn gegen ihn, Liebster?“

„Ich traue diesem Mischlingselfen einfach nicht. Teils Dunkelelf, teils Hochelf, den Rest seines Blutes kennen nur die Götter. Und er hat nur die schlechtesten Eigenschaften seines vermischten Blutes geerbt, möchte ich wetten.“ Er schnaubte. „Niemand weiß etwas über ihn. Er behauptet, er sei im südlichen Valenwald von einer Waldelfin geboren worden. Seitdem scheint er überall gewesen zu sein ...“

Barenziah, dank ihrer Schwangerschaft müde und zufrieden, hatte Symmachus bislang nur geneckt. Doch nun ließ sie ihre Stickerei fallen und musterte ihn. Etwas hatte ihr Interesse geweckt. „Symmachus. Könnte dieser Jagar Tharn vielleicht Nachtigall gewesen sein, getarnt?“

Symmachus überlegte kurz, bevor er antwortete. „Nein, meine Liebste. Menschenblut scheint als Einziges in Tharns Abstammung zu fehlen.“ Für Symmachus, so wusste Barenziah, war dies ein Makel. Ihr Mann verachtete Waldelfen als faule Diebe, und Hochelfen als verweichlichte Intellektuelle. Aber er bewunderte Menschen, und vor allem Bretonen, weil sie Pragmatismus, Intelligenz und Tatkraft besaßen. „Nachtigall stammt gewiss aus Ebenherz, vom Clan Ra'athim - aus dem Hause Hlaalu, oder noch wahrscheinlicher aus dem Hause Mora. Dieses Haus hat schon immer Menschenblut geführt. Ebenherz war eifersüchtig, dass der Stab hier niedergelegt wurde, als Tiber Septim das Horn der Einheit von uns nahm.“

Barenziah seufzte leise. Die Rivalität zwischen Ebenherz und Gramfeste reichte fast bis zum Anbeginn von Morrowinds Geschichte zurück. Einst waren die zwei Nationen vereint und alle einträglichen Gruben im Lehensbesitz der Ra'athim gewesen, deren Adel der Hochkönig von Morrowind entstammte. Ebenherz war in zwei getrennte Stadtstaaten geteilt worden, Ebenherz und Gramfeste, als die Zwillingssöhne der Königin Lian, Enkel des legendären Königs Moraelyn, als gemeinsame Erben übrig blieben. Etwa zur gleichen Zeit wurde das Amt des Hochkönigs zugunsten eines einstweiligen Kriegsführers aufgegeben, der in Ausnahmezuständen von einem Rat ernannte wurde.

Dennoch bestand Ebenherz als älterer Stadtstaat von Morrowind eifersüchtig auf seinen Vorrechten - „Der Erste unter Gleichen“ war ein oft zitierter Ausdruck seiner Herrscher - und behauptete, der Stabs des Chaos gehöre in die Obhut seines herrschenden Hauses. Darauf antwortete Gramfeste, König Moraelyn selbst habe den Stab in die Hände des Gottes Ephen gelegt, und Gramfeste sei unbestreitbar der Geburtsort dieses Gottes.

„Dann erzähle doch Jagar Tharn von deinem Verdacht. Soll er den Stab zurückholen. Was spielt es für eine Rolle, wer ihn zurückholt, oder wo er aufbewahrt wird? Hauptsache, er ist in Sicherheit.“

Symmachus blickte sie verständnislos an. „Es spielt eine Rolle“, erwiderte er schließlich leise. „Aber wohl keine so große.“ Und fügte hinzu: „Jedenfalls keine so große, dass du dir darüber den Kopf zerbrechen musst.“ Er lächelte leise. „Bleib du einfach dort sitzen und widme dich weiter deiner Stickerei“ fügte er mit einem boshaften Lächeln hinzu.

Barenziah schleuderte ihm ihr Sticktuch entgegen und traf Symmachus damit mitten ins Gesicht - samt Nadel und Fingerhut.

Wenige Monate später brachte Barenziah einen prächtigen Sohn zur Welt, den sie Helseth nannten. Vom Stab des Chaos und Nachtigall hörte niemand mehr etwas. Wenn Ebenherz den Stab im Besitz hatte, prahlte man dort jedenfalls nicht damit.

Die Jahre vergingen schnell und glücklich. Helseth wuchs und wurde groß und stark. Er war seinem Vater, den er vergötterte, in vieler Hinsicht ähnlich. Als Helseth acht Jahre alt war, gebar Barenziah ein zweites Kind, eine Tochter, sehr zum Entzücken von Symmachus. Helseth war sein Stolz, aber der kleinen Morgiah - genannt nach Symmachus" Mutter - gehörte sein Herz.

Unglücklicherweise läutete Morgiahs Geburt keine besseren Zeiten ein. Aus unklaren Gründen verschlechterten sich die Beziehungen zum Kaiserreich allmählich. Mit jedem verstreichenden Jahr wurden die Steuern höher und die Lehensabgaben größer. Symmachus vermutete, dass der Kaiser ihn verdächtigte, beim Verschwinden des Stabs die Hand im Spiel gehabt zu haben, und er versuchte, seine Loyalität zu beweisen, indem er sich alle Mühe gab, die ständig steigenden Anforderungen zu erfüllen. Er verlängerte Arbeitsstunden und erhob Zolltarife, ja, er glich sogar Fehlbeträge mit Mitteln des königlichen Schatzamtes sowie seines eigenen Privatvermögens aus. Aber die Abgaben wurden immer höher, und sowohl das Volk als auch der Adel begannen, sich zu beklagen. Es war ein unheilvolles Murren.

„Ich möchte, dass du die Kinder nimmst und in die Kaiserstadt reist“, sagte Symmachus schließlich eines Abends nach dem Essen. Er klang verzweifelt. „Du musst das Gehör des Kaisers finden, sonst wird ganz Gramfeste im kommenden Frühling in Aufruhr sein.“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Du weißt mit Männern umzugehen, Liebste. Schon immer.“

Barenziah zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. „Sogar mit dir, nehme ich an.“

„Ja. Besonders mit mir“, erwiderte er liebevoll.

„Beide Kinder?“ Barenziah sah zu einem Eckfenster, wo Helseth auf einer Laute klimperte und mit seiner kleinen Schwester leise zweistimmig sang. Helseth war inzwischen fünfzehn, Morgiah acht.

„Vielleicht können sie sein Herz erweichen. Außerdem wird es höchste Zeit, dass Helseth am Kaiserlichen Hof vorgestellt wird.“

„Mag sein. Aber das ist nicht der wahre Grund.“ Barenziah nahm tief Luft und packte den Stier bei den Hörnern. „Du glaubst, hier nicht für ihre Sicherheit garantieren zu können. Wenn das der Fall ist, dann bist du hier auch nicht sicher. Komm mit uns“, drängte sie.

Er nahm ihre Hände in seine. „Barenziah. Meine Liebste. Herz meines Herzens. Wenn ich jetzt fortgehe, wird es hier bei unserer Rückkehr nichts mehr für uns geben. Mach dir um mich keine Sorgen. Es wird mir schon gut gehen. Ich kann auf mich selbst aufpassen - und zwar umso besser, wenn ich mich nicht um dich und die Kinder sorgen muss.“

Barenziah lehnte ihren Kopf an seine Brust. „Denk nur daran, dass wir dich brauchen. Ich brauche dich. Wir können auf alles verzichten, wenn wir nur einander haben. Leere Hände und leere Bäuche sind leichter zu ertragen als ein leeres Herz.“ Sie begann zu weinen, wobei sie an Nachtigall und den unerquicklichen Zwischenfall mit dem Stab des Chaos dachte. „Meine Dummheit hat uns in diese Lage gebracht.“

Er lächelte sie zärtlich an. „Wenn das stimmt, dann ist es gar keine so schlechte Lage.“ Sein Blick ruhte sanft auf den Kindern. „Niemals soll einer von uns schmachten oder darben. Niemals. Niemals, meine Liebe, das verspreche ich dir. Ich habe dich einst alles gekostet, Barenziah, ich und Tiber Septim. Ohne meine Hilfe hätte es das Kaiserreich nie gegeben. Ich habe geholfen, es aufzubauen.“ Seine Stimme wurde hart. „Ich kann es auch zu Fall bringen. Das kannst du Uriel Septim sagen. Das, und dass meine Geduld nicht unendlich ist.“

Barenziah stockte der Atem. Es war nicht Symmachus„ Art, leere Drohungen auszusprechen. Die Vorstellung, er könne sich jemals gegen das Kaiserreich erheben, war ihr ebenso fremd wie die, dass der alte Hauswolf, der vor dem Kamin lag, sich gegen sie wenden könne. “Aber wie?" fragte sie atemlos. Doch er schüttelte den Kopf.

„Es ist besser, wenn du es nicht weißt“, sagte er. „Sag ihm einfach das, was ich dir gesagt habe, wenn er sich stur stellt. Und hab keine Angst - er ist Septim genug, seine Wut nicht gegen den Boten zu richten.“ Er lächelte grimmig. „Denn wenn er das täte, wenn er dir, meine Liebe, oder den Kindern auch nur ein Haar krümmte, so wahr mir alle Götter von Tamriel helfen, er würde sich wünschen, nie geboren zu sein. Ich würde ihn und seine ganze Familie zur Strecke bringen. Und ich würde nicht ruhen, bis der letzte Septim tot wäre.“ Symmachus„ rote Dunkelelfenaugen glänzten hell im lodernden Feuerschein. “Diesen Eid schwöre ich dir, meine Liebe. Meine Königin ... meine Barenziah."

Barenziah drückte ihn an sich, so fest sie nur konnte. Aber trotz der Wärme seiner Umarmung musste sie zittern.

Barenziah stand vor dem Thron des Kaisers und versuchte, ihm den Ernst der Lage in Gramfeste zu erklären. Sie hatte wochenlang auf eine Audienz mit Uriel Septim gewartet und war immer wieder unter diesem oder jenem Vorwand vertröstet worden. „Seine Majestät ist unpässlich.“ - „Eine dringende Sache erfordert die Aufmerksamkeit Seiner Exzellenz.“ - „Ich bedauere, Eure Hoheit, es muss ein Irrtum vorliegen. Eure Audienz ist erst nächste Woche. Nein, seht Ihr...“ Und jetzt verlief es gar nicht gut. Der Kaiser gab sich nicht einmal den Anschein, als würde er ihr zuhören. Er hatte sie weder aufgefordert, sich zu setzen, noch hatte er die Kinder entlassen. Helseth stand regungslos da wie eine Statue, aber allmählich fing die kleine Morgiah an zu zappeln.

Ihre eigene Gemütsverfassung half ihr auch nicht gerade. Kurz nach ihrem Eintreffen in ihrer Unterkunft hatte der Botschafter von Gramfeste in der Kaiserstadt mit verschiedenen Nachrichten von Symmachus erschienen. Es waren schlechte Neuigkeiten, und zwar jede Menge. Der Aufstand hatte schlussendlich begonnen. Die Bauern hatten sich um einige empörte Mitglieder des niederen Adels von Gramfeste geschart und verlangten, dass Symmachus zurücktreten und die Regierung abgeben solle. Nur die kaiserliche Wache und eine Handvoll Truppen, deren Familien seit Generationen Gefolgsleute des Hauses von Barenziah gewesen waren, standen noch zwischen Symmachus und dem Pöbel. Feindseligkeiten waren bereits ausgebrochen, aber offenbar war Symmachus noch wohlauf und Herr der Lage. Aber nicht mehr lange, wie er schrieb. Er bat Barenziah inständig, beim Kaiser ihr Bestes zu versuchen - aber sie sollte auf jeden Fall so lange in der Kaiserstadt bleiben, bis sie von ihm hörte, dass es sicher sei, mit den Kindern heimzukehren.

Sie versuchte mit allen Mitteln, die Bürokratie der Kaiserstadt zu umgehen - mit wenig Erfolg. Und zu ihrer wachsenden Verzweiflung brachen plötzlich alle Nachrichten aus Gramfeste abrupt ab. Erbarmungslos verstrich Woche um Woche voll qualvoller Spannung. Ihre Gefühle schwankten zwischen Wut auf die unzähligen Lakaien des Kaisers, und Angst vor dem Schicksal, das sie und ihre Familie erwartete. Dann kam eines Tages der Botschafter von Gramfeste zu ihr, um ihr mitzuteilen, dass sie spätestens am folgenden Abend eine Nachricht von Symmachus bekommen würde, die nicht über die normalen Kanäle, sondern von einer Nachtschwalbe überbracht werden würde. Scheinbar war ihr das Glück endlich hold, denn bald darauf erfuhr sie durch einen Beamten des kaiserlichen Hofs, dass sich Uriel Septim endlich dazu bereit erklärt hatte, ihr am nächsten Morgen eine Audienz zu gewähren.

Als sie am nächsten Tag den Audienzraum betrat, hieß der Kaiser sie alle drei mit einem etwas zu strahlenden Lächeln willkommen, dessen Wärme sich nicht ganz bis in seine Augen erstreckte. Dann, als sie ihre Kinder vorstellte, betrachtete er diese mit echtem Interesse, das ihr irgendwie unangemessen erschien. Barenziah pflegte seit fast fünfhundert Jahren den Umgang mit Menschen und hatte inzwischen eine Befähigung entwickelt, ihre Gesichtsausdrücke und Körpersprache auf eine Weise zu deuten, die weit über das hinausging, was ein Mensch jemals wahrzunehmen vermochte. So sehr sich der Kaiser bemühte es zu verbergen, in seinem Blick lag Hunger - und noch etwas. Bedauern? Ja. Bedauern. Aber warum? Er hatte selbst mehrere prächtige Kinder. Warum sollte er also die ihren begehren? Und warum war sein Blick auf sie, wenn auch nur kurz, von einem so glühenden Verlangen erfüllt? Vielleicht war er seiner Gemahlin überdrüssig geworden. Die Wankelmütigkeit der Menschen war allbekannt, wenn auch vorhersehbar. Nach diesem einen langen, brennenden Blick wandte er seine Augen ab, als sie begann, von ihrer Mission zu sprechen und die Feindseligkeiten zu beschreiben, die in Gramfeste ausgebrochen waren. Während ihrer Rede saß er wie zu Stein erstarrt da.

Verwirrt und unendlich irritiert über seine Gleichgültigkeit suchte Barenziah in dem blassen, unbeweglichen Gesicht nach Anzeichen des Septims, den sie einmal gekannt hatte. Sie kannte Uriel Septim nicht sehr gut, da sie ihm nur zweimal begegnet war. Beim ersten Mal war er noch ein Kind, das zweite Mal war bei seiner Krönung zwanzig Jahre später. Zweimal, nicht mehr. Bei der Zeremonie war er, selbst als junger Mann, eine ernste und würdevolle Erscheinung gewesen, doch nicht annähernd so eisig und abwesend wie dieser reifere Mann. Tatsächlich wirkte er, trotz der äußeren Ähnlichkeit, überhaupt nicht wie dieselbe Person. Irgendwie wirkte er verändert, und dennoch war ihr irgendetwas an ihm seltsam vertraut, vertrauter, als es sein sollte. Etwas an seiner Körperhaltung, an seinen Gesten ...

Auf einmal durchlief sie ein heißer Schauer, als hätte man sie mit Lava übergossen. Eine Illusion! Die Künste der Illusion hatte sie eingehend studiert, nachdem Nachtigall sie so arg getäuscht hatte. Sie hatte sich ein Gespür angeeignet - und sie spürte es jetzt ebenso sicher, wie ein Blinder die Sonne auf seinem Gesicht fühlt. Illusion! Aber warum? Ihre Gedanken arbeiteten fieberhaft, während sie weitere Einzelheiten über die Unruhen in Gramfeste schilderte. Eitelkeit? Menschen waren oft ebenso beschämt über die äußeren Zeichen ihres Alters, wie Elfen stolz waren, diese zur Schau zu tragen. Doch das Gesicht, das Uriel Septim trug, stimmte mit seinem Alter überein.

Barenziah wagte es nicht, ihre eigene Magie einzusetzen. Sogar der niedere Adel war imstande, Magie wahrzunehmen, und sich sogar innerhalb ihrer eigenen Mauern von deren Wirkung abzuschirmen. Durch den Gebrauch von Zauberei würde sie sich hier den Zorn des Kaisers ebenso sicher zuziehen, als hätte sie einen Dolch gezogen.

Magie.

Illusion.

Plötzlich kam ihr Nachtigall in den Sinn. Und schon saß er vor ihr. Dann verschwand das Bild, und er war wieder Uriel Septim. Er sah traurig aus, gefangen. Und dann verschwand das Bild noch einmal, und ein anderer Mann erschien an seiner Stelle, wie Nachtigall, und doch anders. Helle Haut, blutunterlaufene Augen, Elfenohren, und über ihm ein grelles Leuchten der puren Bosheit, eine Aura gespenstischer Energie - ein schrecklicher, zerstörerischer Schimmer. Dieser Mann war zu allem fähig!

Und dann blickte sie wieder in das Gesicht von Uriel Septim.

Wie konnte sie sicher sein, dass es keine Einbildung war? Vielleicht hatte ihr Verstand ihr nur einen Streich gespielt. Sie spürte plötzlich eine lähmende Erschöpfung, als hätte sie eine drückende Last zu lange und zu weit getragen. Sie beschloss, ihren ernsten Bericht über die Probleme von Gramfeste aufzugeben - da es offensichtlich ohnehin nichts brachte - und wieder auf leichtes Geplauder umzuschalten. Dabei verfolgte sie jedoch geheime Absichten.

„Eure Majestät, erinnert Ihr Euch noch an damals, als Symmachus und ich kurz nach der Krönung Eures Vaters mit Eurer Familie diniert haben? Ihr wart nicht älter als die kleine Morgiah hier. Es war uns eine außerordentliche Ehre, an jenem Abend die einzigen Gäste zu sein - abgesehen natürlich von Eurem besten Freund, Justin.“

„Ach ja“, sagte der Kaiser, vorsichtig lächelnd. Sehr vorsichtig. „Ich glaube, ich erinnere mich tatsächlich.“

„Ihr wart mit Justin so eng befreundet, Eure Majestät. Mir wurde gesagt, dass er kurz danach gestorben ist. Wie traurig.“

„In der Tat. Ich mag noch heute nicht von ihm sprechen.“ Seine Augen wurden leer - oder noch leerer, wenn das möglich war. „Was Eure Bitte betrifft, Milady, so werden wir diese sorgfältig prüfen und Euch die Antwort wissen lassen.“

Barenziah verbeugte sich. Die Kinder taten es ihr nach. Mit einem kurzen Nicken des Kaisers wurden sie entlassen und verließen rückwärts gehend den Saal.

Sie atmete tief auf, als sie aus dem Audienzsaal kamen. Justin war ein imaginärer Spielgefährte gewesen, obwohl der junge Uriel darauf bestanden hatte, dass bei jeder Mahlzeit ein Platz für Justin aufgedeckt wurde. Ganz abgesehen davon war Justin, trotz des jungenhaften Namens, ein Mädchen! Symmachus hatte diesen Witz weitergesponnen, noch lange nachdem Justin den unvermeidlichen Weg imaginärer Freunde gegangen war, indem er sich nach Justins Gesundheit erkundigte, wann immer er Uriel Septim begegnete, und dieser hatte ihm mit gespieltem Ernst geantwortet. Zuletzt hatte Barenziah vor ein paar Jahren von Justin gehört. Der Kaiser hatte mit Symmachus gescherzt, sie habe einen abenteuerlustigen jungen Mann aus Khajiit kennen gelernt, diesen geheiratet und sich in Lilandril niedergelassen, wo sie Feuerfarn und Beifuß anbaute.

Der Mann, der auf dem Diwan des Kaisers saß, war nicht Uriel Septim! War es Nachtigall? Konnte es sein...? Ja. Ja! Der Gedanke brachte in ihr eine Saite der Erinnerung zum Erklingen, und Barenziah wusste, dass sie Recht hatte. Er war es. Er war es! Nachtigall! Er gab sich als der Kaiser aus! Symmachus hatte sich so gründlich geirrt ...

„Doch was nun?“, fragte sie sich verzweifelt. Was war aus Uriel Septim geworden? Und noch wichtiger, was bedeutete das alles für sie und Symmachus, und für das Volk von Gramfeste? Rückblickend war Barenziah davon überzeugt, dass ihre Schwierigkeiten das Werk dieses falschen Kaisers, dieses von Nachtigall erzeugten Trugbildes waren, oder was er auch immer in Wirklichkeit war. Er musste den Platz von Uriel Septim eingenommen haben, kurz bevor die unmäßigen Forderungen an Gramfeste begonnen hatten. Das erklärte die Verschlechterung der Beziehungen über einen so langen Zeitraum, zumindest nach menschlicher Zeitrechnung, lange nach ihrer missbilligten Liaison mit Tiber Septim. Nachtigall wusste, dass Symmachus dem Hause Septim treu war und die Familie gut kannte, und hatte daher zum Präventivschlag ausgeholt. Wenn dies stimmte, befanden sie sich alle in schrecklicher Gefahr. Hier in der Kaiserstadt war sie mit den Kindern in seiner Macht, und Symmachus würde in Gramfeste alleine die von Nachtigall erzeugten Schwierigkeiten bewältigen müssen.

Was sollte sie tun? Barenziah trieb die Kinder vor sich her, eine Hand auf jeder Schulter, und versuchte vor den Hofdamen und der Rittereskorte, die hinter ihr her stapfte, kühl und gelassen zu wirken. Schließlich erreichten sie ihren wartenden Wagen. Obwohl ihre Unterkunft nur einige Straßen vom Palast entfernt lag, verbot es die Hofetikette, selbst kürzeste Entfernungen zu Fuß zu bewältigen - und ausnahmsweise war Barenziah diesmal froh darüber. Der Wagen erschien ihr jetzt wie eine Art Zuflucht, so trügerisch dieses Gefühl auch war.

Ein Knabe eilte zu einem der Wächter, reichte ihm eine Schriftrolle und zeigte dann auf den Wagen. Der Wächter brachte sie ihr. Der Knabe wartete mit leuchtenden Augen. Der Brief war kurz und höflich gefasst. Es wurde angefragt, ob König Eadwyre von Wegrast aus der Provinz Hochfels eine Audienz bei der berühmten Königin Barenziah von Gramfeste gewährt werden könne, da er viel von ihr gehört habe und hocherfreut wäre, ihre Bekanntschaft zu machen.

Barenziahs erster Impuls war es, abzulehnen. Sie wollte jetzt nur noch diese Stadt verlassen! Ihr stand der Sinn bestimmt nicht nach einer Tändelei mit einem von ihr betörten Menschen. Sie blickte stirnrunzelnd auf, und ein Wächter sagte „Edle Dame, der Knabe sagt, sein Herr warte auf Eure Antwort da drüben.“ Sie sah in die Richtung, in die er zeigte und erblickte einen stattlichen älteren Mann zu Pferd, umgeben von einem halben Dutzend Höflinge und Kavaliere. Er erwiderte ihren Blick und verneigte sich respektvoll, wobei er seinen Federhut abnahm.

„Also gut“, sagte Barenziah spontan zu dem Knaben. „Sag deinem Herrn, dass er mir heute Abend nach der Abendessen seine Aufwartung machen darf.“ König Eadwyre wirkte höflich und ernst, und etwas besorgt, aber nicht im Geringsten verliebt. Immerhin etwas, dachte sie bei sich.

Barenziah stand am Turmfenster und wartete. Sie konnte die Nähe des Vertrauten spüren. Aber obwohl für ihre Augen der Nachthimmel so klar wie der helle Tag erschien, konnte sie ihn noch nicht sehen. Dann war er plötzlich da, ein sich schnell bewegender Punkt unter den nächtlichen Federwolken. Einige Minuten später ging der große Nachtfalke nieder, faltete die Flügel, und schloss die Krallen um ihr dickes Lederarmband.

Sie trug den Vogel zu seiner Sitzstange, wo er keuchend wartete, während ihre ungeduldigen Finger nach der an seinem Bein befestigten Kapsel mit der Nachricht tasteten. Als sie sie gefunden hatte, trank der Falke heftig aus dem Wasserbehälter, plusterte sich auf und begann, sich offenbar in Barenziahs Gegenwart sicher fühlend, sein Federkleid zu putzen. Ein winziger Teil ihres Bewusstseins nahm die Gedanken des Vogels wahr, seine Zufriedenheit darüber, die Aufgabe erledigt und nun Ruhe verdient zu haben ... doch darunter lag Besorgnis. Selbst sein bescheidener Vogelverstand hatte begriffen, dass etwas im Argen lag.

Ihre Finger zitterten, als sie das dünne Pergament entfaltete und die gedrängte Zeilen studierte. Das war nicht die kühne Handschrift von Symmachus! Barenziah setzte sich langsam hin und glättete das Dokument mit den Händen, während sie sich geistig und körperlich auf das Schlimmste gefasst machte.

Es war das Schlimmste.

Die kaiserliche Wache hatte Symmachus verlassen und sich den Rebellen angeschlossen. Symmachus war tot. Die verbleibenden loyalen Truppen hatten eine entscheidende Niederlage erlitten. Symmachus war tot. Der Rebellenführer war von Gesandten des Kaisers als König von Gramfeste anerkannt worden. Symmachus war tot. Barenziah und die Kinder waren zu Verrätern am Kaiserreich erklärt worden, und man hatte einen Preis auf ihre Köpfe ausgesetzt.

Symmachus war tot.

Demnach war die Audienz beim Kaiser früh an diesem Morgen nichts als eine List, eine Finte gewesen. Eine Farce. Der Kaiser musste es bereits gewusst haben. Man hatte sie nur hingehalten, gesagt, sie solle Geduld haben und sich keine Gedanken machen. „Edle Königin, genießt doch die Kaiserstadt und die Freuden, die sie zu bieten hat. Verlängert Euren Aufenthalt, bleibt, solange Ihr wollt.“ Ihren Aufenthalt? Ihren Arrest. Ihre Gefangenschaft. Und in aller Wahrscheinlichkeit ihre bevorstehende Verhaftung. Sie machte sich keine Illusionen über ihre Situation. Sie wusste, der Kaiser und seine Günstlinge würden ihr nie erlauben, die Kaiserstadt jemals wieder zu verlassen. Jedenfalls nicht lebendig.

Symmachus war tot.

„Herrin?“

Barenziah schreckte aus ihren Gedanken hoch. Sie hatte die Dienerin nicht bemerkt. „Was ist?“

„Der Bretone ist hier, Herrin. König Eadwyre“, fügte die Frau eifrig hinzu, als sie Barenziahs verständnislosen Blick sah. Sie zögerte. „Gibt es Neuigkeiten, Herrin?“ fragte sie, zum Nachtfalken hin nickend.

„Nichts, was nicht Zeit hätte“, sagte Barenziah schnell, und ihre Stimme schien in der Leere zu hallen, die sich plötzlich wie ein klaffender Abgrund in ihr aufgetan hatte. „Kümmere dich um den Vogel.“ Sie stand auf, glättete ihr Gewand und bereitete sich vor, ihren königlichen Besucher zu empfangen.

Sie fühlte sich wie erstarrt. So starr wie die steinernen Mauern um sich her, starr wie die stille Nachtluft ... erstarrt wie ein Leichnam.

Symmachus war tot!

König Eadwyre grüßte sie ernst und höflich, wenn auch ein wenig zu überschwänglich. Er behauptete, ein leidenschaftlicher Bewunderer von Symmachus zu sein, der in den Legenden seiner Familie eine wichtige Rolle spielte. Allmählich lenkte er das Gespräch auf ihre Audienz beim Kaiser. Er erkundigte sich nach Einzelheiten und fragte, ob das Ergebnis zu Gramfestes Gunsten ausgefallen war. Als sie auf seine Fragen unverbindlich antwortete, platzte er plötzlich heraus, „Edle Königin, Ihr müsst mir glauben. Der Mann, der sich als Kaiser ausgibt, ist ein Betrüger! Ich weiß, dass das verrückt klingt, aber ich ...“

„Nein“, sagte sie mit plötzlicher Entschlossenheit. „Ihr habt völlig Recht, edler König. Ich weiß es.“

Eadwyre entspannte sich zum ersten Mal auf seinem Stuhl, sein Blick plötzlich scharf. „Ihr wisst es? Ihr wollt mich nicht nur bei Laune halten, weil Ihr mich für einen Verrückten haltet?“

„Ich versichere Euch, Herr, das liegt mir fern.“ Sie holte tief Luft. „Und wer, glaubt Ihr, gibt sich als der Kaiser aus?“

„Der Kaiserliche Kampfmagier, Jagar Tharn.“

„Ah. Werter König, habt Ihr vielleicht von jemandem gehört, den man Nachtigall nennt?“

„Ja, meine Dame. das habe ich in der Tat. Meine Verbündeten und ich glauben, dass er und der abtrünnige Tharn ein und derselben Mann sind.“

„Ich wusste es!“ Barenziah stand auf und versuchte, ihre Erregung zu verbergen. Die Nachtigall - Jagar Tharn! Dieser Mann war ein Dämon! Diabolisch, heimtückisch, und so durchtrieben. Durch seine Ränke hatte er ihren Untergang perfekt besiegelt! Symmachus, mein Symmachus ...!

Eadwyre räusperte sich. „Meine Dame, ich... wir ... wir brauchen Eure Hilfe.“

Barenziah lächelte grimmig über die Ironie. „Ich dachte, ich sollte es sein, die diese Worte spricht. Aber bitte, fahrt fort. Wie kann ich euch helfen, edler König?“

Schnell umriss der Monarch seinen Plan. Die Magierin Ria Silman, eine frühere Schülerin des niederträchtigen Jagar Tharn, war vom falschen Kaiser zum Verräter erklärt und getötet worden. Sie hatte jedoch einen Teil ihrer Kräfte zurückbehalten und war noch in der Lage, sich mit einigen von denen in Verbindung setzen, die sie auf der Ebene der Sterblichen gekannt hatte. Sie hatte einen Helden auserwählt, der sich erbieten würde, den Stab des Chaos zu suchen, den der verräterische Magier an unbekannter Stelle verborgen hatte. Dieser Held sollte die Kräfte des Stabes nutzen, um den ansonsten unverwundbaren Jagar Tharn zu vernichten, und den wahren Kaiser zu retten, der in einer anderen Dimension gefangen gehalten wurde. Nun schmachtete jedoch dieser Held, obwohl zum Glück noch am Leben, in den kaiserlichen Kerkern. Tharns Aufmerksamkeit musste abgelenkt werden, während der Erwählte mit Hilfe des Geistes von Ria entkam. Barenziah hatte das Ohr des falschen Kaisers - und offensichtlich auch sein Auge. Ob sie für die notwendige Ablenkung sorgen würde?

„Ich könnte wohl eine weitere Audienz bei ihm erbitten“, sagte Barenziah zögernd. „Aber würde das genügen? Ich muss Euch sagen, dass man meine Kinder und mich soeben zu Verrätern des Kaiserreichs erklärt hat.“

„In Gramfeste vielleicht, meine Dame, und in Morrowind. In der Kaiserstadt und der kaiserlichen Provinz sieht es anders aus. Derselbe Verwaltungsmorast, der es nahezu unmöglich macht, eine Audienz beim Kaiser und seinen Ministern zu erhalten, garantiert ebenso, dass Ihr niemals ohne Rechtsbeistand oder gar ohne Prozess eingesperrt oder sonstwie bestraft würdet. Für Euch und Eure Kinder ist die Situation durch Euer königliches Geblüt ohnehin noch komplizierter. Als Königin und, im Falle der Kinder, rechtmäßige Thronfolger genießt ihr volle Immunität - seid also unantastbar.“ Der König lächelte breit. „Die kaiserliche Bürokratie, edle Dame, ist ein zweischneidiges Schwert.“

Also, wenigstens waren sie und die Kinder vorläufig sicher. Dann kam ihr ein Gedanke. „Werter König, was meintet Ihr damit, als Ihr sagtet, ich hätte das Auge des falschen Kaisers? Und noch dazu so offensichtlich?“

Eadwyre wirkte peinlich berührt. „Unter den Dienern wird hinter vorgehaltenem Hand geflüstert, dass Jagar Tharn in seinen Gemächern ein Bildnis von Euch in einer Art Schrein aufbewahrt.“

„Ich verstehe.“ Ihre Gedanken schweiften einen Augenblick lang zurück zu der wahnsinnigen Romanze zwischen ihr und Nachtigall. Sie war schrecklich verliebt in ihn gewesen. Törichte Frau. Und dieser Mann, den sie einmal geliebt hatte, war nun schuld am Tod dessen, den sie tatsächlich geliebt hatte. Geliebt hatte. Nun war er tot, er war ... er ... Sie konnte sich noch immer nicht an den Gedanken gewöhnen, dass Symmachus tot war. Aber selbst dann, sagte sie sich entschlossen, bleibt meine Liebe allzeit lebendig. Er würde immer bei ihr sein, wie auch der Schmerz. Der Schmerz darüber, für den Rest ihrer Tage ohne ihn leben zu müssen. Der Schmerz, jeden Tag und jede Nacht ohne seine Gegenwart, seinen Trost, seine Liebe überstehen zu müssen. Vor allem der Schmerz bei dem Gedanken, dass er nicht erleben würde, wie seine Kinder zu zwei prächtigen Erwachsenen heranwuchsen. Diese würden ihren Vater nicht mehr kennen, nicht wissen, wie tapfer, wie stark, wie wunderbar und liebevoll er war ... besonders die kleine Morgiah.

Und dafür, Nachtigall, für alles, was du meiner Familie angetan hast, wirst du sterben.

„Überrascht Euch das?“

Eadwyres Worte unterbrachen ihre Gedanken. „Wie? Ob mich was überrascht?“

„Euer Bildnis. In Tharns Gemächern.“

„Oh.“ Ihr Gesicht wurde zu einer undurchdringlichen Maske. „Ja. Und nein.“

An ihrem Ausdruck konnte Eadwyre erkennen, dass sie das Thema wechseln wollte. Er wandte sich wieder den Plänen zu. „Unser Held braucht eventuell einige Tage für seine Flucht, edle Dame. Könntet Ihr etwas mehr Zeit für ihn gewinnen?“

„Ihr vertraut mir diese Aufgabe an, mein König? Warum?“

„Wir sind verzweifelt, Milady. Wir haben keine andere Wahl. Aber selbst wenn wir - doch, ja. Ja, auch dann würde ich sie Euch anvertrauen. Ich vertraue Euch blind. Euer Mann ist über die Jahre immer gut zu meiner Familie gewesen. Fürst Symmachus ist ...“

„Ist tot.“

„Was?!“

Schnell und sachlich berichtete Barenziah von den jüngsten Ereignissen.

„Liebe Dame ... Königin ... aber wie schrecklich! Es ... es tut mir aufrichtig leid ...“

Zum ersten Mal drohte Barenziah, die Beherrschung zu verlieren. Sie spürte, wie ihre äußere Gelassenheit unter seinem mitfühlenden Blick zu bröckeln begann. Ihre Kräfte sammelnd, zwang sie sich zur Ruhe.

„Edle Dame, unter diesen Umständen können wir wohl kaum verlangen ...“

„Doch, mein Herr. Unter diesen Umständen muss ich alles in meinen Kräften Stehende tun, um mich am Mörder des Vaters meiner Kinder zu rächen.“ Eine einzelne Träne rann ihr die Wange hinunter. Sie wischte sie ungeduldig fort. „Als Gegenleistung bitte ich Euch nur darum, meine verwaisten Kinder nach Kräften zu beschützen.“

Eadwyre richtete sich auf. Seine Augen glänzten. „Diesen Eid schwöre ich gern, meine tapfere und edle Königin. Die Götter unseres geliebten Landes, ja von Tamriel selbst, mögen meine Zeugen sein.“

Seine Worte berührten sie seltsamerweise tief. „Ich danke Euch von Herzen und aus tiefster Seele, guter König Eadwyre. Ich und m-meine Kinder sind Euch zu ewiger D-Dank ... Dankba ...“

Dann brach sie zusammen.

In dieser Nacht schlief sie nicht, sondern saß auf einem Stuhl neben ihrem Bett, die Hände im Schoß gefaltet, bis zum Morgengrauen in tiefes Nachdenken versunken. Sie würde den Kindern noch nichts erzählen - erst, wenn es sein musste.

Es war nicht notwendig, um eine weitere Audienz beim Kaiser zu ersuchen. Bei Tagesanbruch kam eine Vorladung.

Sie erzählte den Kindern, sie würde voraussichtlich für ein paar Tage fort sein, bat sie, den Dienern keinen Ärger zu machen, und sagte ihnen mit einem Kuss Lebewohl. Morgiah jammerte ein wenig. Sie langweilte sich und fühlte sich in der Kaiserstadt einsam. Helseth schaute mürrisch drein, sagte aber nichts. Er war seinem Vater sehr ähnlich. Seinem Vater ...

Am kaiserlichen Palast wurde Barenziah nicht in den großen Audienzsaal, sondern zu einem kleinen Salon eskortiert, in dem der Kaiser einsam beim Frühstück saß. Er begrüßte sie mit einem Nicken und deutete zum Fenster. „Eine großartige Aussicht, nicht wahr?“

Barenziah starrte über die Türme der großen Stadt. Es dämmerte ihr, dass dies derselbe Raum war, in dem sie vor so vielen Jahren Tiber Septim zum ersten Mal begegnet war. Vor Jahrhunderten. Tiber Septim. Noch ein Mann, den sie geliebt hatte. Wer war da noch gewesen? Symmachus, Tiber Septim ... und Cumar. Sie erinnerte sich an den großen blonden Jungen mit plötzlicher, intensiver Zuneigung. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie auch Cumar geliebt hatte. Nur hatte sie es ihm nie gezeigt. Sie war damals noch so jung gewesen, in jenen sorgenfreien, glücklichen Tage ... vor all dem, vor diesem ganzen ... bevor er kam. Nicht Symmachus. Sondern Nachtigall. Sie war von sich selbst schockiert. Dieser Mann konnte immer noch ihr Innerstes berühren. Sogar jetzt. Nach allem, was geschehen war. Eine Welle unbestimmter Gefühle überkam sie.

Als sie sich schließlich umdrehte, war Uriel Septim verschwunden - und an seinem Platz saß Nachtigall.

„Du hast es gewusst“, sagte er ruhig, in ihrem Gesicht forschend. „Du hast es sofort gewusst. Ich wollte dich überraschen. Du hättest doch wenigstens so tun können.“

Barenziah breitete die Arme aus und versuchte, den Wirbel der Gefühle zu unterdrücken, der in ihr tobte. „Ich fürchte, meine Fähigkeiten in der Kunst der Verstellung sind den Euren weit unterlegen, mein Gebieter.“

Er seufzte. „Du bist böse auf mich.“

„Ein wenig schon, muss ich zugeben“, sagte sie kühl. „Ich weiß nicht, wie du darüber denkst, aber ich finde Verrat nicht gerade anständig.“

„Wie überaus menschlich von dir.“

Sie holte tief Atem. „Was willst du von mir?“

„Nun verstellst du dich aber.“ Er stand auf und sah ihr direkt ins Gesicht. „Du weißt, was ich von dir will.“

„Du willst mich quälen. Nur zu. Ich bin in deiner Gewalt. Aber lass meine Kinder in Frieden.“

Er ging auf sie zu. „Nein, nein, Barenziah, das will ich überhaupt nicht“, sprach er leise, mit der ihr so vertrauten, zärtlichen Stimme, die ihr damals wohlige Schauer durch den Körper gejagt hatte. Hier und jetzt hatte diese Stimme dieselbe Wirkung. „Verstehst du denn nicht? Es war die einzige Möglichkeit.“ Seine Hände umfassten ihre Arme.

Sie spürte, wie sie in ihrer Entschlossenheit schwankte, wie der Ekel vor ihm schwand. „Du hättest mich mitnehmen können.“ Ungewollt stiegen ihr Tränen in die Augen.

Er schüttelte den Kopf. „Dazu hatte ich nicht die Macht. Aber jetzt ... jetzt habe ich alle Macht! Alles gehört mir, zu teilen wie ich will, zu schenken wem ich will - dir zu geben.“ Er deutete wieder auf das Fenster und die dahinter liegende Stadt. „Ganz Tamriel gehört mir, und ich lege es dir zu Füßen - und das ist erst der Anfang.“

„Es ist zu spät. Zu spät. Du hast mich an ihn verloren.“

„Er ist tot. Der Bauer ist tot. Die paar Jahre sind doch nicht von Bedeutung.“

„Die Kinder ...“

„Kann ich doch adoptieren. Und gemeinsam werden wir weitere bekommen, Barenziah. Oh, und was das für Kinder sein werden! Was werden wir ihnen alles vererben! Deine Schönheit und meine Magie. Ich verfüge über Kräfte, die du dir noch nicht einmal in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst!“ Er zog sie an sich, um sie zu küssen.

Doch sie entglitt seinem Griff und wandte sich ab. „Ich glaube dir nicht.“

„Doch, du glaubst mir. Du bist nur immer noch wütend auf mich, das ist alles.“ Er lächelte. Aber es erreichte seine Augen nicht. „Sag mir, was du willst, Barenziah. Barenziah, meine Geliebte. Sag es mir und es soll dir gehören.“

Sie sah ihr ganzes Leben wie einen Film vor ihren Augen vorbeiziehen. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, die vor ihr lag. Verschiedene Zeiten, verschiedene Leben, verschiedene Barenziahs. Welche davon war die echte? Welche war die wahre Barenziah? Mit dieser Entscheidung würde sie über ihr weiteres Schicksal bestimmen.

Sie traf die Entscheidung. Sie wusste es. Sie wusste, wer die wahre Barenziah war, und was sie wollte.

„Ein Spaziergang im Garten, mein Gebieter“, sagte sie. „Ein oder zwei Lieder vielleicht.“

Nachtigall lachte. „Du möchtest umworben werden.“

„Und warum nicht? Darin bist du doch so gut. Außerdem habe ich lange nicht mehr das Vergnügen gehabt.“

Er lächelte. „Wie du willst, edle Königin Barenziah. Dein Wunsch ist mir Befehl.“ Er nahm ihre Hand und küsste sie. „Jetzt und auf ewig.“

Und so verbrachten sie ihre Tage bei gemeinsamen Spaziergängen, mit Unterhaltung, Gesang und Gelächter, während die Geschäfte des Kaiserreichs den Untergebenen überlassen wurden.

„Ich möchte den Stab sehen“, sagte Barenziah eines Tages nebenbei. „Ich habe ihn nur einmal kurz erblickt, wie du dich erinnern wirst.“

Er runzelte die Stirn. „Nichts würde mir mehr Vergnügen bereiten, mein Herz - aber das ist leider unmöglich.“

„Du vertraust mir nicht“, schmollte Barenziah, aber ihre Lippen wurden weich, als er sich über sie beugte, um sie zu küssen.

„Unsinn, meine Liebe. Natürlich vertraue ich dir. Aber er ist nicht hier.“ Er lachte leise. „Um ehrlich zu sein, er ist nirgendwo.“ Er küsste sie wieder, diesmal noch leidenschaftlicher.

„Du sprichst wieder in Rätseln. Ich will ihn sehen. Du kannst ihn nicht zerstört haben.“

„Aha. Du hast an Weisheit gewonnen, seit wir uns das letzte Mal trafen.“

„Du hast meine Lust am Lernen ein wenig geweckt.“ Sie stand auf. „Der Stab der Chaos kann nicht zerstört werden. Und er kann nicht aus Tamriel fortgebracht werden, ohne dass es schreckliche Folgen für das Land hätte.“

„Ahhh. Du beeindruckst mich, meine Liebe. Alles wahr. Er wurde nicht zerstört, und er wurde nicht aus Tamriel fortgeschafft. Und doch, wie gesagt, ist er nirgendwo. Kannst du das Rätsel lösen?“ Er zog sie zu sich heran, und sie lehnte sich an ihn. „Ich habe ein noch schwierigeres Rätsel für dich“, flüsterte er. „Wie macht man aus zwei eins? Das kann und werde ich dir zeigen.“ Ihre Körper verschmolzen, ihre Glieder ineinander verschlungen.

Später, als sie nebeneinander lagen und er vor sich hin döste, dachte sie schläfrig, „Aus zwei eins, aus einem zwei, aus drei zwei, aus zweien drei ... was sich nicht zerstören oder verbannen lässt, kann vielleicht gespalten werden ...“

Sie stand auf. Ihre Augen funkelten. Sie fing an zu lächeln.

Nachtigall führte ein Tagebuch. Jeden Abend kritzelte er Einträge hinein, nachdem ihm seine Untergebenen kurz Bericht erstattet hatten. Er bewahrte es in einem Sekretär auf, aber das Schloss war leicht zu öffnen. Schließlich war sie in einem anderen Leben Mitglied der Diebesgilde gewesen ... in einem anderen Leben ... eine andere Barenziah ...

Eines Morgens gelang es Barenziah, einen kurzen Blick darauf zu werfen, während er bei seiner Morgentoilette war. Sie entdeckte, dass der erste Teil des Stabs des Chaos in einer alten Zwergenmine, genannt Fang Lair, versteckt war. Allerdings wurde seine Lage nur sehr vage beschrieben. Das Tagebuch war voller Notizen in einer sonderbaren Kurzschrift und sehr schwer zu entziffern.

„Ganz Tamriel in seinen Händen“, dachte sie, „und in meinen, und vielleicht noch mehr - und dennoch ... “

Trotz seines äußeren Charmes befand sich dort, wo sein Herz hätte sein sollen, eine eisige Leere, ein Vakuum, dessen er sich gar nicht bewusst war, dachte sie. Man konnte es gelegentlich sehen, wenn sein Blick leer und hart wurde. Und doch sehnte auch er sich nach Glück und Zufriedenheit, auch wenn seine Vorstellung davon eine andere war als ihre. Bauernträume, dachte Barenziah, und hatte kurz den verlorenen und traurig dreinblickenden Cumar vor Augen. Und dann Therris, mit seinem katzenhaften Khajiit-Lächeln. Tiber Septim, mächtig und einsam. Symmachus, der zuverlässige, unerschütterliche Symmachus, der schnell und besonnen das tat, was getan werden musste. Nachtigall. Nachtigall, ein Rätsel und eine Gewissheit, sowohl Finsternis als auch Licht. Nachtigall, der über alle herrschen wollte, und mehr - und der im Namen der Ordnung Chaos verbreiten würde.

Barenziah bekam seine widerwillige Erlaubnis, ihre Kinder zu besuchen, denen sie noch nicht vom Tod ihres Vaters und vom Schutzangebot des Kaisers erzählt hatte. Dies tat sie schließlich, was ihr nicht leicht fiel. Morgiah klammerte sich lange und jämmerlich schluchzend an ihr fest, während Helseth in den Garten lief, um allein zu sein, und später alle ihre Versuche ablehnte, mit ihm über seinen Vater zu sprechen, oder gar von ihr in den Arm genommen zu werden.

Eadwyre besuchte sie während sie dort war. Sie erzählte ihm, was sie bis jetzt entdeckt hatte, und erklärte, dass sie noch eine Zeitlang bleiben musste, um so viel wie möglich zu erfahren.

Nachtigall zog sie mit ihren ältlichen Bewunderern auf. Er war sich Eadwyres Verdacht durchaus bewusst, aber es störte ihn nicht im Geringsten, denn diesen alten Dummkopf nahm ja niemand ernst. Barenziah gelang es sogar, eine Art Versöhnung zwischen den beiden herbeizuführen. Eadwyre widerrief öffentlich seine Bedenken, und sein „alter Freund“, der Kaiser, verzieh ihm. Er wurde später eingeladen, mindestens einmal wöchentlich mit ihnen zu speisen.

Die Kinder mochten Eadwyre, selbst Helseth, der das Verhältnis seiner Mutter mit dem Kaiser missbilligte und diesen deshalb verabscheute. Mit der Zeit wurde er mürrisch und launenhaft und stritt sich oft sowohl mit seiner Mutter als auch mit ihrem Geliebten. Eadwyre war über die Affäre auch nicht glücklich, und Nachtigall bereitete es bisweilen großes Vergnügen, seine Zuneigung zu Barenziah offen zu zeigen, nur um den alten Mann zu ärgern.

Heiraten konnten sie natürlich nicht, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt, weil Uriel Septim bereits verheiratet war. Kurz nachdem er den Platz des Kaisers eingenommen hatte, hatte Nachtigall die Kaiserin verbannt, aber er hatte es nicht gewagt, ihr etwas anzutun. Ihr wurde vom Tempel des Einen Zuflucht gewährt. Offiziell hieß es, ihre Gesundheit sei angeschlagen, und Nachtigalls Agenten setzten Gerüchte in Umlauf, sie sei geisteskrank. Die Kinder des Kaisers waren in verschiedene, als „Schulen“ getarnte Gefängnisse in ganz Tamriel verbracht worden.

„Mit der Zeit wird sich ihr Zustand verschlimmern“, meinte Nachtigall lässig in Bezug auf die Kaiserin. Er musterte Barenziahs prallen Busen und anschwellenden Bauch mit Befriedigung. „Und was ihre Kinder betrifft ... tja, das Leben ist voller Gefahren, nicht wahr? Wir werden heiraten. Dein Kind wird mein rechtmäßiger Erbe sein.“

Er wollte wirklich das Kind. Davon war Barenziah überzeugt. Sie war jedoch von seinen Gefühlen ihr gegenüber weniger überzeugt. Sie stritten sich nun fortwährend, häufig sogar heftig. Meistens ging es um Helseth, den er zu einer Schule auf der Insel Summerset schicken wollte, in die von der Kaiserstadt am weitesten entfernte Provinz. Barenziah bemühte sich nicht, diese Auseinandersetzungen zu vermeiden. Schließlich hatte Nachtigall kein Interesse an einem ruhig dahinplätschernden Leben. Außerdem gefiel ihm die anschließende Versöhnung immer außerordentlich ...

Gelegentlich zog sich Barenziah mit den Kindern in ihre alten Räume zurück und erklärte, sie wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben. Aber er kam immer, um sie zurückzuholen, und sie ließ sich immer zurückbringen. Es war so unweigerlich wie der Auf- und Untergang der Zwillingsmonde von Tamriel.

Sie war im sechsten Monat schwanger, als sie endlich den Ort des letzten Teils des Stabes herausfand - ein Leichtes, da jeder Dunkelelf wusste, wo der Berg von Dagoth-Ur war.

Beim nächsten Streit mit Nachtigall verließ sie einfach mit Eadwyre die Stadt, und beide ritten so schnell sie konnten nach Hochfels und Wegrast. Nachtigall war wütend, aber er konnte wenig ausrichten. Seine Meuchelmörder waren ziemlich ungeschickt, und er wagte nicht, den Sitz seiner Macht zu verlassen, um die beiden persönlich zu verfolgen. Auch konnte er Wegrast nicht offen den Krieg erklären. Er hatte keinen rechtmäßigen Anspruch auf sie oder ihr ungeborenes Kind. Wie nicht anders zu erwarten, hatte der Adel der Kaiserstadt sein Verhältnis mit Barenziah missbilligt - wie so viele Jahre zuvor bei Tiber Septim - und war froh, sie gehen zu sehen.

In Wegrast traute man ihr ebenfalls nicht über den Weg, aber Eadwyre wurde in seinem florierenden kleinen Stadtstaat glühend verehrt, und daher übte man Nachsicht in Bezug auf seine kleinen ... Verschrobenheiten. Ein Jahr nach der Geburt ihres von Nachtigall gezeugten Sohnes heirateten Barenziah und Eadwyre. Trotz der unglücklichen Umstände wurden sie und ihre Kinder von Eadwyre abgöttisch geliebt. Sie liebte ihn zwar nicht - aber immerhin mochte sie ihn sehr gern. Es war schön, jemanden zu haben, und Wegrast war ein sehr guter Ort. Ein guter Ort, um die Kinder aufzuziehen, um auszuharren, um den rechten Augenblick abzuwarten und um den Erfolg des Champions in seiner Mission zu beten.

Barenziah konnte nur hoffen, dass dieser namenlose Champion, wer auch immer er sein mochte, sich ein wenig beeilen würde. Als Dunkelelf hatte sie alle Zeit der Welt. Alle Zeit gehörte ihr. Aber sie spürte keine Liebe mehr, und keinen brennenden Hass. Ihr war nichts mehr geblieben, nur noch Schmerz, Erinnerungen ... und ihre Kinder. Sie wollte nur ihre Kinder großziehen, ihnen ein gutes Leben bieten, und in den ihr noch verbleibenden Jahren in Ruhe leben. Es würden gewiss noch viele Jahre sein. Und in diesen wollte sie Frieden, Ruhe, und Gelassenheit in ihrer Seele und im Herzen finden. Bauernträume. Das war es, was sie wollte. Das war das, was die wahre Barenziah wollte. Das war das, was die wahre Barenziah war. Bauernträume.

Angenehme Träume.