| Das Jahr 2920, Band 28 Zur Schrift |
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Diese Seite enthält den Text von Das Jahr 2920, Band 28 (engl. The Year 2920, Vol. 28) aus The Elder Scrolls Online.
Inhalt
2920: Das letzte Jahr der Ersten Ära
Von Carlovac Stadtweg
6. Abenddämmerung, 2920
Bodrum, Morrowind
Das vom Schneenebel gedämpfte Fackellicht verlieh dem Ort eine unwirkliche Atmosphäre. Die Soldaten aus beiden Lagern waren um die größten der Lagerfeuer gekauert; so brachte der Winter Feinde, die seit achtzig Jahren miteinander im Krieg waren, näher zusammen. Obwohl nur wenige Mitglieder der Dunmer-Wache in der Sprache von Cyrodiil bewandert waren, fanden sie im Kampf um Wärme ein gemeinsames Ziel. Als eine hübsche rothwardonische Maid sich in ihre Mitte begab, um sich zu wärmen, bevor sie sich in das Zelt daneben zurückzog, erhob so manch ein Mann aus beiden Armeen seine Augen mit wertschätzendem Blick.
Kaiser Reman III war bestrebt danach, die Verhandlungen zu verlassen, bevor sie auch nur begonnen hatten. Einen Monat zuvor dachte er, er könnte als Zeichen seines guten Willens an einem Treffen an dem Ort teilnehmen, an dem Vivecs Armee besiegt worden war, aber hier warteten mehr schlimme Erinnerungen auf ihn, als er gedacht hätte. Ungeachtet der Beteuerungen des Potentaten Versidue-Shaie, dass die Flusssteine von Natur aus rot seien, hätte er schwören können, dass er das Blut seiner Soldaten auf ihnen sah.
„Das Abkommen ist in allen Punkten geklärt“, sagte er, während ihm seine Mätresse Corda ein Glas warmen Yuelle reichte. „Aber hier und jetzt ist nicht der Zeitpunkt, es zu unterzeichnen. Wir sollten das beim Kaiserpalast erledigen, wo Prunk und Pracht diesem historischen Anlass gerecht werden. Außerdem müsst ihr Almalexia mitbringen. Und diesen Zauberer.“
„Sotha Sil“, flüsterte der Potentat.
„Wann?“, fragte Vivec mit unendlicher Geduld.
„In genau einem Monat“, antwortete der Kaiser mit einem großzügigen Lächeln, während er sich unbeholfen aufsetzte. „Es wird zur Feier des Anlasses einen großen Ball geben. Und jetzt muss ich einen Spaziergang machen. Meine Beine sind völlig verkrampft wegen dieses Wetters. Corda, meine Liebste, kommt Ihr mit mir?“
„Natürlich, Eure kaiserliche Hoheit“, antwortete sie und half ihm zum Eingang des Zelts.
„Möchtet Ihr, dass ich Euch ebenfalls begleite, Eure kaiserliche Hoheit?“, fragte Versidue-Shaie.
„Oder ich?“, fragte König Dro'Zel von Senchal, ein frisch ernannter Berater des Hofes.
„Das wird nicht nötig sein, ich bin nur eine Minute weg“, entgegnete Reman.
Miramor kauerte sich zwischen dieselben Schilfrohre, zwischen denen er sich fast acht Monate vorher bereits versteckt hatte. Jetzt war der Boden hart und schneebedeckt, und das Schilf lag unter einer glatten Eisschicht. Jede seiner kleinsten Bewegungen erzeugte ein Knirschen. Hätte die um das Lagerfeuer vereinte Armee von Morrowind und des Kaiserreichs nicht so lautstark gesungen, er hätte es nie gewagt, sich so nahe an den Kaiser und seine Konkubine anzuschleichen. Sie standen bei der Biegung des gefrorenen Baches unter dem Felsufer, umgeben von Bäumen, die vor Eis funkelten.
Behutsam zog Miramor den Dolch aus der Scheide. Er hatte der Mutter der Nacht gegenüber ein klein wenig übertrieben, was seine Fähigkeiten mit der kurzen Klinge anbelangte. Ja, er hatte eine verwendet, um Prinz Juilek die Kehle durchzuschneiden, aber der Junge war damals nicht in der Lage gewesen, sich zu wehren. Und dennoch: Wie schwierig konnte es schon sein, einen einäugigen, alten Mann zu erstechen? Was für eine Klinge sollte man für eine so ein einfaches Attentat schon benötigen?
Da ergab sich der perfekte Moment direkt vor seinen Augen. Die Frau sah etwas tiefer im Wald, einen ungewöhnlich aussehenden Eiszapfen, sagte sie, und sie lief los, um ihn sich zu holen. Der Kaiser blieb lachend zurück. Er drehte sich in Richtung des Felsufers, hin zu seinen Soldaten, die gerade beim Refrain ihres Liedes angekommen waren; nun stand er mit dem Rücken zu seinem Mörder. Miramor wusste, dass der Augenblick gekommen war. Er trat vor, achtete dabei auf das Geräusch seiner Schritte auf dem vereisten Boden, und stach zu. Oder zumindest hatte er das vorgehabt.
Fast zeitgleich bemerkte er, wie ihn ein starker Arm an seiner Waffenhand packte und ihm ein weiterer einen Dolch in den Hals rammte. Er konnte nicht schreien. Der Kaiser, der noch immer zu den Soldaten hochschaute, bekam gar nicht mit, wie Miramor wieder ins Dickicht gezerrt wurde und eine Hand, die deutlich geschickter als die seine war, ihm in den Rücken schnitt und ihn lähmte.
Als sein Blut aus ihm floss und am Boden bereits zu einer Lache gefror, sah der sterbende Miramor mit an, wie der Kaiser und seine Kurtisane gemeinsam zum Lager oberhalb der Felsküste zurückkehrten.