| Die Bestie von Galen Zur Schrift |
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Diese Seite enthält den Text von Die Bestie von Galen (engl. The Beast of Galen) aus The Elder Scrolls Online.
Inhalt
Von Phrastus von Elinhir
„Khymere! Khymere! Khymere! Wie viele Köpfe habt Ihr heute?“
– Traditionelles Kinderspiel aus bretonischen Hinterhöfen
Auf einer Reise nach Wegesruh vor einigen Jahren beobachtete ich erstmals eine Gruppe Kinder, die das Khymerenspiel spielte. Es ist eines der Abzählspiele, die es in so vielen Kulturen Tamriels gibt. Ich stand in der Tür einer Taverne, von der ich mir eine Mahlzeit und angenehme Gesellschaft versprach, als die Knirpse sich in zwei sich gegenüberstehenden Reihen aufstellten. Die Kinder riefen die Worte gleichzeitig, während das Spiel weiterging, und ich musste lachen. „Khymere“ war offensichtlich eine Abart des Wortes „Schimäre“, das man von der Insel Galen kennt. Das Kind ganz vorn in der Reihe sagte laut, welcher Kopf es war. Der Greifen- oder der Schlangenkopf oder wer auch immer lief in Richtung seines Gegenübers, das es ihm gleichtat. Sie tauschten den Platz, sodass das nächste Kind in der Reihe sagen konnte, welchen Kopf es darstellte und diesen Vorgang wiederholen konnte, bis alle Kinder dran waren.
„Der Schlangenkopf macht Zischhhhhhh!“
– Traditionelles Kinderspiel aus bretonischen Hinterhöfen
Eine weitaus nüchternere Stimmung empfing mich, als ich ein Ahngezeitenlager in den tiefen Wäldern Galens betrat. Ein leichter Regen fiel, als meine Begleitung mich vorbei an mehreren Steinhütten und behauenen Säulen führte. Aus mit Vorhängen verschlossenen Durchgängen hörte man leise Gesänge, und von überall her blickten mich Augen in stiller Verachtung an. Ich war mir sicher, dass ohne meine akademischen Verbindungen und der großzügigen Summe, die ich für meine Ortskundige bezahlt hatte, das Lager mir ein feindseliger, wenn nicht gar gefährlicher Ort gewesen wäre. Vor uns sah ich eine Reihe von Monolithen vor dem bewölkten Himmel stehen. Hinter den Dolmen lag ein gewaltiger Höhleneingang. Aus dieser Höhle hörte ich ein leises Grummeln, wie das einer gewaltigen Kreatur. Es war so tief und kraftvoll, dass ich innehielt.
„Der Löwenkopf macht Brülllll!“
– Traditionelles Kinderspiel aus bretonischen Hinterhöfen
Die Kinder vor dem Gasthaus zur Trüben Neige waren still, als ich mich zu meinem Essen mit einer geschätzten Kollegin von der Universität von Gwylim setze. Sie bereiste gerade die Welt und erzählte mir nur zu gern von der Rolle der Schimäre in der bretonischen und druidischen Legende. Schon das Wort ist faszinierend, wie einem sofort klar wird. Die meisten Gelehrten, denen das Studium der abwechslungsreichen Kulturen Tamriels noch neu ist, halten das Wort möglicherweise für eine Verballhornung des kulturellen Namens „Chimer“, das wir für die Vorfahren der heutigen Dunmer verwenden. In Wahrheit ist unsere heutige Verwendung dieses Wortes, mit dem wir die Vorgänger der Dunkelelfen bezeichnen, selbst nur eine Abwandlung eines deutlich älteren altmerischen Wortes für „Veränderung“. Womit wir natürlich beim anderen Begriff sind, mit dem man die Kulturgruppe der Chimer gemeinhin bezeichnet: „die Veränderten“.
Die Wortbedeutung „eine Bestie der Veränderung“ oder „eine veränderte Bestie“ stammt aus der Zeit der Direnni-Hegemonie als Hypothese moderner Studien prä-alessianischer Texte. Die Verwendung des Wortes in diesem Kontext lässt eine Menge Interpretationsspielraum zu. Schließlich lag die Schöpfung der Bestien Galens, die den Namen tragen, zu der Zeit, als das Wort von einem jungen Direnni-Schriftgelehrten in einem Brief an seinen Tutor zu Beginn der Ersten Ära verwendet wurde, noch Jahrhunderte in der Zukunft.
Ich musste enorm mit Getränken nachhelfen, bevor mein Gegenüber beim Abendessen eingestand, dass das Wort selbst sich möglicherweise ursprünglich auf Bretonen bezogen haben könnte. Welche bessere Beschreibung könnte schließlich ein gebildeter Direnni-Gelehrter dieser Ära verwenden für eine Gestalt, die halb Mensch und halb Mer war, wenn nicht „Schimäre“?
„Der Greifenkopf mach Kraaaaaaah!“
– Traditionelles Kinderspiel aus bretonischen Hinterhöfen
Hinunter in den steinernen Schoß unter der heiligen Stätte gingen wir, und die Wände um mich herum wurden immer wärmer. Hier war eindeutig das vulkanische Wesen der Systren am Werk, und das Klima unten in dieser Grotte war zweifelsohne auch angenehmer für die gewaltige, bullige Bestie, die sich vor mir erhob. Sie wandte sich mir zu mit ihren drei Augenpaaren. Die drei Köpfe und ihre sehnigen Hälse streckten sich und schwankten, als das Monstrum sich erhob. Ich spürte die Angst wie eine kalte Nadel in meinem Genick. Und dann fing die Bestie schlagartig an zu wanken. Mit der Endgültigkeit einer Eiche, die zur Ruhe kommt, setzte sie sich mit einem Ächzen zurück auf den Erdboden.
Die Schimären sind so gut wie verschwunden aus dem Land. Es gibt nur noch eine Handvoll, die die uralten Steine bewachen, die zur Zeit des letzten Druidenkönigs gelegt worden sind. Sogar die Geheimnisse ihrer Schöpfung sind so gut wie vergessen. Meine Ortskundige war der Ansicht, dass nur noch ein paar alte Rankenbärte die Zauber wirken und Y'ffres Hand leiten könnten. Die Bestie, die vor mir lag, richtete ihren Schlangenkopf schwerfällig auf und blickte ihren Pfleger mit vom Alter stumpfen Augen an. Der Druide, streng und unnachgiebig wie die Stürme, die sein Zirkel beschwor, schritt an ihre Seite und legte eine beruhigende Hand auf ihre Schnauze. Ich mag es mir nur eingebildet haben, aber ich glaube, dass Tränen unter seiner Kapuze funkelten.
„Khymere! Khymere! Khymere! Haltet die Tore, bewacht die Steine! Wir alle kehren nach Hause zurück!“
– Traditionelles Kinderspiel aus bretonischen Hinterhöfen
Als meine Kollegin und ich aus der Tavernentür stolperten, hatten die Kinder ihr Spiel schon beendet. Wir verabschiedeten uns nett voneinander, und ich machte mich auf den Rückweg zu meiner nächtlichen Unterkunft. Dabei dachte ich über die Rolle der Schimäre in der großen Geschichte des Bretonentums nach. Über die lange Diaspora der Druiden und ihren Einfluss auf die allgemeine Kultur. Wenn die Schimäre für Veränderung steht, zum Guten oder zum Schlechten, gilt das dann nicht auch auf gewisse Weise für die Druiden? Und welche Rolle werden sie jetzt spielen, in unserer modernen Welt?
Werden sie sich anpassen und überleben? Oder werden wir eines Tages Geschichten über die Druiden von Galen schreiben, wie wir es heute über die Schimäre tun? Sind sie wertvolle Teile einer großen Kultur, die es eines Tages womöglich nicht mehr gibt?