Online:Die Turmspitzen der 34. Lektion | ElderScrollsPortal.de

Online:Die Turmspitzen der 34. Lektion

Die Turmspitzen der 34. Lektion
Zur Schrift

Diese Seite enthält den Text von Die Turmspitzen der 34. Lektion (engl. The Spires of the 34th Sermon) aus The Elder Scrolls Online.

Inhalt

Hinweis: Diese hingekritzelten und keinem Verfasser zugeordneten Erinnerungen wurden in einem durchnässten und zerfledderten Tagebuch in den Hinterhöfen von Nekrom gefunden. Es ist unklar, wann diese Aufzeichnungen entstanden, aber die verwendete Sprache erscheint alt. Ein Geschäftskollege in der Stadt kaufte das Buch einem Hüter der Toten für ein paar Münzen ab, und ich halte es hier für die Nachwelt fest als Anhang zur diesmonatigen volkstümlichen Veröffentlichung. Die rührenden Erlebnisse dieses Bittstellers sind es meiner Meinung nach wert, dass man ihrer gedenkt. Möge der Große Vater alle behüten, die die Wahrheit im Glauben suchen.

Zamshiq af-Halazh, Universität von Gwylim

  • * *

Ich stand im Innenhof von Nekrom und erhob meinen Blick gen Himmel. Meine Augen waren feucht vor Tränen, und die Asche meines Vaters fiel mir noch aus dem Haar. Wir hatten immer gemeinsam voller Bewunderung auf die Felssporne geschaut, er und ich. War es real? War das Monster wirklich dort, vor uns, genau wie die 34. Predigt es prophezeite?

Hier gab es nichts mehr für mich. Das Haus hatte sich von mir abgewandt. Mutter war seit Langem in den Krypten. Und ich weiß, ich hätte Erleichterung empfinden sollen. Erleichtert darüber, dass sein Schmerz ein Ende fand. Dass er nun bei Mutter und meinen Ahnen war und an ihrer Seite auf meine Ankunft warten würde. Ich hatte noch seinen Fingerknochen in meiner Tasche für den Schrein zu Hause, wo er aufgenommen werden würde in das Pantheon unserer eigenen verehrten Toten.

  • * *

Ich nahm eine Fähre nach Vivec. Ich möchte den Meister fragen. Er hat sicher eine Antwort für einen trauernden Sohn.

  • * *

Ich kam an einem Middas an. Die Schlange war lang und das Stehen zermürbend. Ich war an die komfortablen Kissen gewohnt, an das flackernde Kerzenlicht, an das Kratzen der Schreibfeder. All das Gold in meinem Beutel gab ich aus für Almosen, für Essen für mich und die anderen Bittsteller, für den Klerus, der mir versicherte, mich dafür umso schneller zum Meister zu bringen. Ihr Lächeln war so strahlend, das weiß ich noch. Ihre Zähne waren so weiß.

  • * *

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich wartete, wie lange es dauerte, bis die Almosen dem Fasten wichen. Wenn ich ein einfaches Gebet wollte, so sagte man mir, würde es einige Stunden dauern. Nein, sagte ich, ich muss eine Frage stellen. Ich muss den Poeten nach seiner Kunst fragen. Dann wird es lange dauern, sagten sie. Tage, sagten sie. Das spielt keine Rolle, antwortete ich. Ich brauchte die Wahrheit.

  • * *

Es war Loredas, als ich an der Seite des Meisters kniete. Ich hielt meinen Blick gesenkt, wie man mir gesagt hatte, aber ich spürte die Wärme seiner Augen auf mir, als er sich vor mich setzte, als er vor mir schwebte. Ich weiß nicht, wie lange ich auf diesen Augenblick gewartet hatte, aber das Wasser, das ich aus der Kelle trank, war sauber und kühl. Die Dochtgraskekse waren wie ein Festmahl. Ich versuchte zu sprechen, doch mir entkam nur ein kehliges Geräusch. Ich spürte die Geduld des Meisters, stark und tief, und wie die Zeit verging. Ich hatte so wenig Zeit.

Als ich endlich das Gefühl hatte, sagen zu können, was zu sagen ich gekommen war, hob ich meinen Kopf. Ein unterdrückter Fluch vom Kleriker hinter mir, aber das Gesicht des Meisters zeigte keine Regung. Er wartete.

„Ich habe sehr lange gewartet, Meister, und ich komme von weit her. Ich und mein Vater und dessen Vater und dessen Vater vor ihm schreiben die Schriftrollen der Toten für jene, die nach Nekrom kommen. Meine Familie stand über Jahrhunderte im Innenhof der Stadt und schaute zu den Felsspitzen. Wir rätselten und unterhielten uns und sagten die 34. Predigt auf, da Eure Worte uns so berührten. Insbesondere mein Vater, der vor Kurzem zu seinen Ahnen gegangen ist.“

So viel hatte ich seit Tagen nicht gesprochen, und ich brauchte kurz, um neue Kraft zu schöpfen. Das Gesicht des Meisters zeigte keine Regung, auch nicht die kleinste, als er mich weiter beobachtete.

„Ich muss Euch dies fragen, Meister, für meinen Vater und für meine Familie. Damit ich nach Nekrom zurückkehren und den Bewohnern der Stadt berichten kann, was wahr ist und was Poesie. Sind die Felsspitzen, die sich über die Stadt erheben, die Knochen von Gulga Mor Jil? Ist es wahr, dass er ein Sohn von Molag Bal war? Dass Ihr ihn im Dorf am Meer kennenlerntet, wo die Bestie mit den Beinen im Wasser und einem besorgten Blick im Gesicht saß? Dass sie freiwillig in ihren Tod ging zu Muatras Ende und nun unter der Stadt ruht, die mein Zuhause ist?“

Der Mutter-Vater der Monster, der Meister von Morrowind, der Fürst Vivec saß und blickte mich so lange an, dass ich schon dachte, ich sei gestorben. Ich spürte, wie mein Körper wegfiel von meinem Geist und ein Lichtkranz erblühte um die Fackeln herum, die den Raum beleuchteten. Ich weinte …

  • * *

„Aber warum, Meister? Warum verwendet Ihr solche Wörter, wenn eines einem Sterblichen so viel bedeuten würde, der Euch liebt?“

Er schüttelte den Kopf, eine kleine Bewegung, die mein Haar zerzauste und den Erzkanoniker an der Tür das Bewusstsein verlieren ließ.

„Ihr wollt eindeutige Wahrheiten, wo keine sind. Ihr wollt, dass ich ein Mysterium löse, das innerhalb einer Metapher besteht, obgleich dies überhaupt nicht meine Rolle ist.“ Das Gesicht des Meisters war beinahe traurig, als er sprach.

„Tochter-Sohn der Asche, letzter Eurer Familie, nicht alles Wissen dieser Welt ist für Euch bestimmt. Den Predigten ist es egal, ob Ihr sie versteht, und mir ebenfalls. Wer hat Euch erzählt, dass die Welt immer einen Sinn ergeben muss? Dass alles entweder wahr sein muss oder nicht, dass es nichts dazwischen gibt?“

  • * *

Ich konnte kein weiteres Wort mehr ertragen, aber der Meister sprach erneut. „Ich sehe, dass Euch diese Antwort nicht erfreut. Dass Ihr das Gefühl habt, Eure Zeit hier war vergeudet. Aber ein Leben kann nicht vergeudet sein. Ein Leben ist nicht die Bahn eines Mondes, der über den Himmel zieht, oder der Weg eines Pfeils, der sich zum Hals eines Guar begibt.“ Er lehnte sich herunter, und ich spürte den göttlichen Atem auf meinem Gesicht.

Das Letzte, was er zu mir sagte, bevor die anderen mit einer Geste das Licht im Raum erlöschen ließen, bevor ich allein war, wirklich und völlig allein, war dies: „Euer Leben ist nicht mehr und nicht weniger als eine Reihe von Ereignissen, aus denen Ihr eine Lektion lernt. Oder eben nicht. Und die Entscheidung zu dieser Wahrheit liegt ganz allein bei Euch.“