| Sotha Sil und der Schreiber Zur Schrift |
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Diese Seite enthält den Text von Sotha Sil und der Schreiber (engl. Sotha Sil and the Scribe) aus The Elder Scrolls Online.
Inhalt
Von Andrunal, Seher der Verse
Der Schreiber rieb sich die Schläfen; sein Kopf schmerzte nach einer weiteren langen Nacht, in der er versucht hatte, dem Mythos und der Erinnerung Sinn abzuringen. Die Stimme Sotha Sils riss ihn aus seinen Gedanken.
„Ihr solltet häufiger ruhen, mein Freund. Ein müder Geist verwandelt selbst die einfachsten Dinge in Rätsel.“ Der Schreiber sah auf. Sil war da und nicht da, wie immer.
„Ich hatte nicht erwartet, Euch wiederzusehen“, antwortete der Schreiber. Die Worte klangen womöglich forscher als beabsichtigt. In Wahrheit ging ihm bei diesem Anblick das Herz auf.
„Ihr konntet dieses Mal die Worte nicht niederschreiben“, stellte Sotha Sil fest. „Weil sie mir gewidmet waren?“
Der Schreiber zuckte mit den Schultern. „Wie könnte ich?“ Er musste die Frage nicht weiter ausführen. Beide wussten, was sie einander bedeuteten.
Seht lächelte. Ein seltener Anblick, selbst wenn er unter Freunden war. „Ich mag, was Ihr aus dem Garten gemacht habt. Rolandstränen. Geschickt.“
„Manipulativ“, gab der Schreiber angewidert zurück.
Sotha Sil breitete seine Arme aus. Er hatte sich entschieden, dieses Mal beide leibhaftig darzustellen. „Ist das nicht die Rolle des Schreibers?“
„Ich wollte, dass sie Euch kennen, wie ich Euch kenne, doch die Worte kamen nicht. Ich musste die Aufgabe einem anderen übertragen.“
„Ihr meint, Ihr habt jemand anderen mit der Aufgabe betraut, die Euch so sehr zu Herzen geht, dass Ihr die Feder nicht auf das Pergament zu setzen imstande wart.“ In Sehts Ton schwang ein seltener Hauch von Erheiterung mit. „Das ist für Leute wie uns nichts Schlechtes.“
Der Schreiber schüttelte den Kopf. „Ich hatte Angst, falsch zu liegen.“
„Nein, Ihr hattet Angst, nicht perfekt zu sein.“ Sotha Sil beschwor einen alten Folianten und blätterte durch die Seiten. „Die habt Ihr stets. Liebt Ihr sie wirklich so sehr?“
Der Schreiber stand langsam auf und wand seinen Blick einer Karte von Nirn zu, die an der Wand seiner Gemächer befestigt war. „Nein“, sprach er die Wahrheit ruhig aus. „Aber ich liebe sie. Und sie gehört zu ihnen.“
„Falls das hilft, die Worte, die ich sprach, waren wahr.“
„Ich weiß“, antwortete der Schreiber. „Ich habe sie viele Male gelesen.“
„Ihr mögt sie“, sagte Seht.
„Das tue ich.“
Sotha Sil schuf einen Sessel und setzte sich. Der Schreiber wandte sich seinem Freund, seinem Mentor, seinem Kind, das er mit vielen anderen Vätern teilte, zu. „Seid Ihr gekommen, Lebewohl zu sagen, Seht?“
„In gewisser Weise“, antwortete Seht, und es lag keine Traurigkeit in seiner Stimme. „Vielleicht wird in einer anderen Geschichte eine andere Gestalt erscheinen, die sehr nach mir aussieht, und die Rolle spielen, die sie spielen muss. Dann werde ich gegangen sein.“
Der Schreiber nickte, während er zu seinem Stuhl zurückging. Er schaute über seinen Schreibtisch in Sotha Sils Gesicht und in Sehts Augen.
„Wird das, was wir zu tun versucht haben, genügen?“ Der Schreiber sah Verständnis, während er sprach. Das Licht des Wissens konnte Gefangenen Mut machen, doch nie dem Schreiber.
„Diese Welt kann keinen Frieden erfahren“, erklärte Sotha Sil der Gott. „Ebenso wie diejenigen, die sich um sie kümmern, es nicht können. Es wird niemals genügen, doch wir bemühen uns weiter um die Schönheit der Morgendämmerung trotz langer Nächte.“
Nun war es an Seht, sich vorzulehnen. „Alle Eltern glauben, sie hätten nicht genug getan.“
Da dachte der Schreiber über all das nach, was er bereute, sprach jedoch nur eines aus. „Ich habe versucht, Euch zu retten“, sagte er. „Den Mythen Gewicht zu verleihen. Doch was ist, kann ich nicht aufhalten.“
„Ihr habt entschieden, es nicht zu tun, weil Ihr mich liebt.“ Einmal mehr verliehen die Worte des Gottes der Wahrheit Ausdruck.
„Ihr seid der Vater der Mysterien“, sagte der Schreiber.
„Und ich muss gehen, ob ich es wünsche oder nicht“, entgegnete Seht. „Könnte doch nur Sotha Sil bleiben.“
Der Schreiber nickte erneut. „Werdet Ihr uns irgendwelche Anweisungen hinterlassen?“
Der Uhrwerkgott presste die Lippen zusammen, dann sprach er. „Hütet Euch vor dem Sprung in die Gewissheit. Die genannten Daedra haben viele Geheimnisse. Viele Gesichter. Lasst nicht zu, dass ein Aspekt einen anderen überwältigt, denn sie sind Repräsentanten des Chaos. Zuzulassen, dass sich ihre Natur festigt, führt zu Selbstgefälligkeit und Ruin. Diese Ära des Zwist kann nicht enden, bis Ihr die Lüge ihrer Einfältigkeit zerschlagen habt.“
Der Schreiber neigte seinen Kopf in stiller Zustimmung und öffnete dann wieder seine Augen. „Und Ihr, Seht?“
„Ich habe die Unvollkommenheiten in allem gesehen, um das ich je bemüht war“, sinnierte Seht, während er auf die Karte von Nirn blickte. „Selbst Unvollkommenheiten in meinem Bestreben, mich von ihnen freizumachen. Trotz allem konnte ich nie aufhören herumzubasteln. Ich konnte nie aufhören zu erschaffen. Ich liebte sie zu sehr. Ich werde euch, die ihr die Liebe bereits kennt, keine Anweisung geben.“
Sotha Sils Körper entstofflichte sich in Tausende kleiner Lichter. Sie tanzten durch den Raum, erhellten Bücher und Schriftrollen und Karten mit göttlich-goldenem Glanz. Seht sprach die letzten Worte.
„Ich überlasse es euch.“
Eine berauschende Stille breitete sich in der Kammer des Schreibers aus, füllte den spärlich beleuchteten Raum mit neuerlicher und feierlicher Bestimmung. Schließlich formte der Mund des Schreibers ein Lächeln, und er nahm erneut die Feder zur Hand.