Morrowind:Das Spiel mit dem Schicksal

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Diese Seite enthält den Text von Das Spiel mit dem Schicksal aus The Elder Scrolls III: Morrowind.

Inhalt

Das Spiel mit dem Schicksal
von
Zylmoc Golge

Mit ihren sechzehn Jahren hatte sich Minevah Iolos schon zu einem nicht gern gesehenen Gast in allen Läden und Landhäusern von Balmora entwickelt. Manchmal ließ Sie einfach alles, was dort wertvoll war, mitgehen. An anderen Tagen jedoch vergnügte sie sich nur daran, einen Weg an den Schlössern und Fallen vorbei zu finden. Wie auch immer, sie hinterließ jedes Mal an einer auffälligen Stelle zwei Würfel als Visitenkarte, damit die Besitzer wussten, wer sie beraubt hatte. Der unheimliche Geist wurde mit der Zeit von den Dorfbewohnern nur noch „das Spiel” genannt.


Ein normales Gespräch in Balmora lief zu der Zeit in etwa so ab:


„Meine Liebe, was ist denn mit Eurer wunderbaren Halskette geschehen?”


„Meine Gute, sie ist im Spiel abhanden gekommen.”


Das Spiel mochte ihr Hobby nur dann nicht, wenn sie sich verschätzt hatte und auf einen Besitzer oder Wächter traf. Bis jetzt hatte sie jedoch noch keiner ertappt oder auch nur gesehen. Ein paar Dutzend Mal wäre sie allerdings fast erwischt worden. Eines Tages dachte sie daran, ihr Wirkungsfeld zu erweitern. Sie überlegte, ob sie nach Vivec oder Gnisis gehen sollte, doch eines Nachts hörte sie in der Taverne „Zu den acht Tellern” die Sage der heranischen Ahnengruft, einer alten Gruft, die mit Fallen gespickt sein und die heranische Familienschätze von vielen hundert Jahren enthalten sollte.


Der Gedanke, den Fluch der heranischen Gruft zu überwinden und die Reichtümer zu erbeuten, sagte dem Spiel sehr zu. Sie hatte allerdings wenig Erfahrung im Umgang mit den Wächtern der Gruft. Während sie die Möglichkeiten erwog, sah sie Ulstyr Moresby am Tisch nebenan sitzen, alleine wie immer. Er war ein großer, brutal aussehender Bretone, dem nachgesagt wurde, er sei ein sanftmütiger Exzentriker und großartiger Kämpfer, der irre geworden war und den Stimmen in seinem Kopf mehr Aufmerksamkeit schenkte als den Geschehnissen um ihn herum.


Wenn sie schon einen Gefährten in dieser Unternehmung haben musste, dachte das Spiel, dann wäre er der perfekte Partner. Er würde von ihr keinen gerechten Anteil an der Beute verlangen, schon allein, weil er gar nicht verstand, was das bedeutete. Und falls es ganz schlimm käme, würde er am wenigsten vermisst werden, zum Beispiel wenn es mit den Bewohnern der heranischen Gruft zu Komplikationen käme, oder auch nur wenn das Spiel seiner Gesellschaft müde würde und beschlösse, ihn zurückzulassen.


„Ulstyr, ich bin nicht sicher, ob wir uns schon einmal getroffen haben, aber mein Name ist Minevah”, sagte sie, als sie auf seinen Tisch zuging. „Ich plane einen Ausflug zur heranischen Ahnengruft. Wenn du glaubst, dass du mit den Monstern umgehen kannst, dann könnte ich mich auf das Aufbrechen der Schlösser und die Fallen kümmern. Was meinst du?”


Es dauerte einen Moment, ehe der Bretone antwortete. Es schien, als würde er erst einmal hören wollen, was die Stimmen in seinem Kopf dazu zu sagen hatten. Schließlich nickte er zustimmend und murmelte: „Ja, jaja, Steine halten, heißer Stahl. Chitin. Wände hinter Türen. Dreiundfünfzig. Zwei Monate und wieder zurück.”


„Hervorragend”, sagte das Spiel und war nicht ein bisschen durch seine Brabbelei beunruhigt. „Wie ziehen morgen früh los.”


Als das Spiel Ulstyr am nächsten Morgen traf, trug er eine Rüstung aus Chitin und war mit einem ungewöhnlichen Schwert bewaffnet, dessen Magie schwach glänzte. Und so zogen sie los. Sie versuchte, sich mit ihm zu unterhalten, aber seine Antworten ergaben keinen Sinn und so gab sie auf. Ein plötzlicher Regenguss zog über die Ebene und übergoss sie mit Wasser, aber da sie keine Rüstung trug und Ulstyrs Rüstung aus glattem Chitin bestand, tat das ihrem Vorhaben keinen Abbruch.


Sie tauchten in die Dunkelheit der heranischen Gruft ein. Ihre Vorahnung bewahrheitete sich - sie waren ein gutes Gespann.


Sie sah die altertümlichen Schnappfallen aus Draht, die Prügel- und Eisenfallen, ehe sie hineintappen konnten, und brach alle möglichen Arten von Schlössern auf: einfache Zuhaltungen, Kombinationsschlösser, gedrehte Riegel, Doppelverschlüsse, antike Ausführungen ohne Namen, verrostete Dinger, die sogar gefährlich gewesen wären, wenn man den richtigen Schlüssel besessen hätte.

Ulstyr erledigte währenddessen einen Haufen bizarrer Scheusale von der Art, die das Spiel, die ein Stadtkind war, noch nie gesehen hatte. Das Feuer seines magischen Schwerts wirkte besonders gut gegen die Eis-Atronachs. Er rettete sogar ihr Leben, als sie den Halt verlor und fast in eine schattige Spalte im Boden gefallen wäre.


„Tu dir nicht weh”, sagte er und zeigte aufrichtige Besorgnis. „Dort sind Wände hinter Türen und dreiundfünfzig. Abflussring. Zwei Monate und wieder zurück. Steine halten. Komm, Mutter Spiel.”


Das Spiel hatte bisher seinem Gebrabbel nicht viel Beachtung geschenkt, aber als er „Spiel” sagte, erschrak sie. Sie hatte sich ihm als Minevah vorgestellt. Konnte es sein, dass die Bauern Recht hatten und dass die Verrückten, wenn sie sprachen, eigentlich mit dem Daedraprinzen Sheogorath redeten, der ihnen Anweisungen und Informationen gab, die normalerweise ihr eigenes Wissen überstieg? Oder war es vielleicht eher so, dass Ulstyr nur das wiederholte, was man so in Balmora sagte, wo in den letzten Jahren der Ausdruck Spiel ein Synonym für das Knacken von Schlössern geworden war?


Im Weitergehen dachte das Spiel über die gemurmelten Worte von Ulstyr nach. Als er bei ihrem ersten Treffen zusammenhanglos 'Chitin' sagte, hatte sich das in seiner Rüstung bewahrheitet. Ebenso „heißer Stahl”. Was könnte dann „Wände hinter Türen” bedeuten? Oder „zwei Monate und wieder zurück”? Welche Bedeutung hatte die Zahl dreiundfünfzig?


Das Spiel war von dem Gedanken, dass Ulstyr geheimes Wissen über sie und die Gruft besaß, ganz entnervt. Sie beschloss, dass sie sich ihres Gefährten entledigen würde, sobald sie den Schatz gefunden hatte. Er hatte einen Weg durch die lebenden und untoten Wächter der Gruft gebahnt. Wenn sie sich auf ihrem Rückzug strikt an den Weg hielt, durch den sie herein gekommen waren, sollte sie sicher sein.


Ein Ausdruck, den er verwendet hatte, ergab auf einmal sehr viel Sinn: „Abflussring”. Aus einem der Landhäuser in Balmora hatte sie einen Ring mitgehen lassen, einfach weil er hübsch war. Erst später hatte sie herausgefunden, dass sie damit die Lebenskraft anderer Menschen aussaugen konnte. Konnte Ulstyr darüber Bescheid wissen? Würde er überrascht sein, wenn sie ihn an ihm ausprobierte?


Sie schmiedete im Stillen einen Plan, wie sie den Bretonen am besten zurücklassen könnte, während sie den Gang hinunter gingen. Der Durchgang endete abrupt an einer großen metallenen Tür, die durch ein goldenes Schloss gesichert wurde. Mit ihrem Dietrich ließ das Spiel die beiden Zuhaltungen und den Riegel zurückschnappen und schwang die Tür weit offen. Der Schatz der heranischen Gruft lag vor ihnen.


Das Spiel zog leise einen Handschuh aus und entblößte den Ring, als sie den Raum betrat. Dreiundfünfzig Säcke mit Gold waren hier gelagert. Als sie sich umdrehte, schloss sich die Tür zwischen ihr und dem Bretonen. Auf ihrer Seite war die Tür keine Tür mehr, sondern nur eine Wand. Wände hinter Türen.


Viele Tage lang schrie das Spiel sich die Seele aus dem Leib, während sie versuchte, einen Weg aus dem Raum heraus zu finden. Einige Tage lang konnte sie in ihrem Kopf dumpf das Gelächter von Sheogorath hören. Zwei Monate später, als Ulstyr zurückkehrte, war sie tot. Er verwendete einen Stein, um damit die Tür offen zu halten und nahm das Gold mit.

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