Die Chroniken der Rethan

Dieses Thema im Forum "Literaturforum" wurde erstellt von Bloodraven, 4. Mai 2012.

  1. Bloodraven

    Bloodraven Ehrbarer Bürger

    Nach langer (zu langer) Inaktivität im Literaturforum, möchte ich hier offiziell den dritten Teil der Rethan-Familien-Chronik ankünden. Der Prolog ist zur Hälfte fertig, ich werde ihn wahrscheinlich heute Abend einstellen. Dann kanns wieder mit voller Kraft losgehen.

    Um was geht's diesmal? Ich will von der Story nicht zuviel vorweg nehmen, doch der Protagonist hört auf den Namen Sarvos "Schwarzfuchs" Rethan und er lebt zu der Zeit von Königin Pothema. Der Titel deutet ja bereits darauf hin, dass gejagt wird, aber was, dass wird der Prolog offenbaren.

    Direkte Kritik und Kommentare sind wie immer gern gesehen und auch willkommen.
     
    Zuletzt bearbeitet: 8. Mai 2012
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  3. Bloodraven

    Bloodraven Ehrbarer Bürger

    Kapitel-Post

    Wie schon bei Episode 2, werde ich auch hier wieder alle Kapitel posten.

    „Es ist eine Schande! Eine Frechheit!“ Erbost und mit hochrotem Kopf knallte der Dunmer den Krug auf den Tisch. Sein Gegenüber, ebenfalls ein Dunkelelf, nickte zustimmend mit dem Kopf. „Ja“, bestätigte der Zweite, „das ist schon der fünfte Sklave dieser Woche, der befreit wird. Wenn es so weitergeht, wird es noch einen Sklavenaufstand in der Tränenstadt geben.“ Der Erste schüttelte so heftig den Kopf, dass das Bier in seiner Hand gefährlich schwappte. „Niemals! Die Argonier und Khajiit sind doch viel zu dämlich, um einen Aufstand zu organisieren. Sie bräuchten dafür schon Hilfe.“
    „Die Hilfe eines Dunmers etwa?“ Die beiden Dunkelelfen drehten sich um und sahen zu der Stelle, aus der der Kommentar gerade kam. Ein dritter Dunmer saß dort in der Ecke, die Schatten verbargen ihn fast vollständig. Nur ein einzelnes tiefrotes Auge glomm in der Dunkelheit hervor. „Was sagt Ihr das?“, wollte der Erste wissen, während sich der Dritte zu ihnen gesellte. „Es wäre doch möglich, dass die Sklaven von einem Adligen oder Kaufmann Hilfe bekommen, weil dieser mehr Macht erlangen will.“
    „Schwachsinn!“, rief der Erste und nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier. Doch der Zweite schaute den Neuen nachdenklich an. „Ihr könntet wohl möglich recht haben. Sagt mir, wie lautete Euer Name?“ Der Einäugige lächelte verschwörerisch, bevor er antwortet: „Rethan. Sarvos Rethan. Man nennt mich auch Schwarzfuchs.“
    „Euer Name kommt mir bekannt vor“, sagte der Zweite, während er Sarvos musterte, „Ihr seid ein Sklavenjäger, nicht wahr?“ Der Schwarzfuchs nickte. „Wie es scheint, habt Ihr in letzter Zeit viel Arbeit. Bei all den ausgebrochenen Sklaven.“ Wieder ein Nicken. „Gut. Mir ist nämlich auch ein Sklave entkommen, den ich gerne wieder zurück hätte. Ein Argonier namens Sel-Zu. Ich zahle Euch 500 Draken, wenn Ihr ihn zurück bringt.“

    „Muthersa“, begann Sarvos lächelnd, „wir sind doch beide kluge Männer. Wenn Ihr den besten Sklavenjäger der Tränenstadt anheuern wollte, so gehe ich davon aus, dass dieser Sklave bei seiner Flucht etwas Wertvolles mitgehen ließ. Hab ich recht?“ Sein Gegenüber knirschte mit den Zähnen, was Sarvos als ein „Ja“ wertete. Das Lächeln des einäugigen Dunmers wurde breiter. „Und was hat dieser Sel-Zu mitgehen lassen, Sera Ilyos?“ Genüsslich sah Sarvos zu, wie dem anderen Dunmer die Kinnlade herunter klappte. „Ihr wisst, wer ich bin?“
    „Natürlich. Wäre ich denn der Beste, wenn ich nicht wüsste, wer wer in der Stadt ist?“ Sarvos nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug, bevor er mit einem verschlagenen Lächeln fortfuhr: „Ihr seid Meras Ilyos, größter Sklavenhändler der Tränenstadt, mit engen Verbindungen zum Fürstenhaus Dres. Eure Frau ist vor fünf Jahren an der Pest gestorben. Ihr habt einen Sohn, der auf Vvardenfell lebt und eine Tochter hier in der Tränenstadt. Euer älterer Bruder wurde vor wenigen Monaten auf einem 'Einkaufsbummel' in den Schwarzmarschen von einer Horde Argonier förmlich in Stücke gerissen. Ich habe gehört, dass Herz hat man Euch geschickt. Und jetzt ist Eure hübsche Tochter Mayra verschwunden. Genau wie Sel-Zu.“ Lächelnd lehnte sich Sarvos zurück und verschränkte die Finger.
    Jetzt war es Ilyos, der wütend wurde. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzogen, als er aufsprang und mit den Händen auf den Tisch schlug. „Worauf wollt Ihr hinaus?!“ Sarvos lächelte so unschuldig, als könnte er kein Wässerchen trüben. „Ich? Oh, ich will auf gar nichts hinaus. Ich habe nur die Fakten zu dargelegt, wie sie mir bekannt sind. Eure Reaktion bestätigt jedoch eine Theorie, die ich im Hinterkopf. Aber kommen wir doch zum Geschäftlichen zurück.“
    Sarvos beugte sich nach vorne und senkte die Stimme zu einem verschwörerischem Flüstern. Jetzt war es Zeit, sein Angebot zu unterbreiten: „Ich bringe Euch Eure Tochter unversehrt zurück, das garantiere ich. Und den Sklaven bringe ich auch wieder in die Tränenstadt. Ob in einem Stück oder scheibchenweise, das überlasse ich Euch. Dafür verlange ich 75.000 Draken plus die Kosten, die ich für Ausrüstung, Reise, Unterkunft und Söldner brauche.“

    Der Kiefer von Meras Ilyos klappte nach unten, als er die Forderung von Sarvos hörte. War dieser einäugige Bastard denn von Sinnen? „Für das Geld kann ich sämtliche Kopfgeldjäger in der Stadt mobilisieren und sie ausrüsten. Was macht Euch so besonders, dass Ihr denkt, ich würde für einen Mann so viel Geld ausgeben?“
    Sarvos ließ sich wieder in seinen Stuhl sinken und lächelte verschlagen. Der Dunmer wusste, dass Ilyos auf sein Angebot eingehen würde. Er hatte gar keine andere Wahl, denn der größte Sklavenhändler von Tränenstadt war auch der meist gehasste. Würde er so eine große Aktion auf die Beine stellen, würden seine Konkurrenten Morgenluft wittern und das gegen ihn verwenden. „Wir wissen doch beide, was geschehen würde, solltet Ihr eine Söldnerstreitmacht anheuern“, stellte Sarvos fest und beobachtete belustigt, wie sich Illyos Gesichtsausdruck von empört zu finster veränderte. „Zahlt mir die Hälfte im Voraus, den Rest, wenn ich wieder hier bin. Ich heuere drei vertrauenswürdige Söldner an und innerhalb weniger Wochen ist Euer kleines Problem gelöst. Schnell und leise.“
    „Ihr seid ein Wucherer, Rethan.“ Die Hand des Sklavenhändlers ballte sich zur Faust.
    Der Jäger lächelte über seinen Krug hinweg. „Wucherer? Bitte, Ihr verletzt mich. Ich lass mich nur meiner Effektivität entsprechend entlohnen. Mehr nicht. Mein Angebot steht. 75.000 Draken, zuzüglich der Kosten für Ausrüstung und Reise. Nehmt es an, dann mache ich mich noch heute auf die Suche. Lehnt ab und ich bin trotzdem weg.“

    Man konnte förmlich sehen, wie es in dem Gehirn von Meras Ilyos arbeitet. Sollte er das unverschämte Angebot dieses dreisten Einauges annehmen? Oder sollte er mit dem Geld sämtliche Kopfgeldjäger der Stadt mobilisieren? Was Rethan sagte, war nicht ganz falsch. Eine solche Söldnerarmee würde seinen Konkurrenten nur einen weiteren Grund geben, gegen ihn vorzugehen. Aber war ein einzelner Mann – selbst wenn er mit drei weiteren Söldner unterwegs war – wirklich so eine Summe Gold wert? Letztendlich hatte Meras keine Wahl, er musste den großspurigen Worten von Rethan vertrauen: „Na schön. Ihr bekommt Eure Draken, Rethan. Die Hälfte im Voraus, den Rest bei Erfolg. Ihr bekommt das Geld noch heute Nacht.“
    Und nun erschien wieder das verschlagene Lächeln auf dem Gesicht des Schwarzfuchses. Hab' ich dich. „Sehr schön. Ich werde mich sofort an die Arbeit machen. Sollte das Geld jedoch vor Mitternacht nicht bei mir sein, ist unsere Abmachung gestorben. In Ordnung?“ Sarvos erhob sich und streckte seinem Auftraggeber die behandschuhte Hand hin. Widerwillig schlug dieser ein und besiegelte somit den Vertrag.

    * * *


    Gut gelaunt schlenderte Sarvos durch die Straßen der Tränenstadt. Er hätte nicht gedacht, dass es mit Ilyos so gut verlaufen würde. Der Sklavenhändler war als geiziger Mann und harter Verhandlungspartner berühmt und berüchtigt. Vielleicht war es die Sorge um seine verschwundene Tochter, die ihn so schnell weichkochte. Oder die Tatsache, dass ein Sklave mit eben jener Tochter durchgebrannt sein könnte. Ilyos Beweggründe waren Sarvos allerdings einerlei, zumindest für den Moment. Nun musste er drei Gefährten finden, die mit ihm den gefährlichen Weg in die Schwarzmarschen antreten würden. Denn der Schwarzfuchs war sich fast sicher, dass der Argonier in seine Heimat fliehen wollte.
    Sarvos' erste Anlaufstation war eine kleine Schmiede unweit der Taverne, die er vor wenigen Minuten verlassen hatte. Hier hatte der Nord Gerlof Ein-Hand seit fast dreißig Jahren sein recht erfolgreiches Geschäft eingerichtet. Doch der Mann, der schon stark auf die 60 zuging, war nicht nur ein meisterhafter Schmied, sondern auch ein ausgezeichneter Krieger. Zwar hatte Gerlof bei einer Auseinandersetzung mit einem Banditen seine rechte Hand eingebüßt, doch focht der Nord mit der Linken noch besser als die meisten Männer. Selbst Sarvos, der äußerst geschickt und bände mit dem Speer kämpfte, konnte den grimmigen Nord bisher noch nie besiegen. Die beiden Männer verbanden eine enge Freundschaft, gepaart mit ein wenig gesunder Rivalität.

    Als Sarvos die Schmiede betrat, schlug ihm sofort die schier unerträgliche Hitze des Schmiedefeuers entgegen. Schon oft hatte er sich gefragt, wie man nur den ganzen Tag in dieser Hölle arbeiten konnte und das dann auch noch sieben Tage die Woche. Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des Schwarzfuchses, die er mit einem seidenen Tuch weg tupfte. Die Schmiede lief auf vollen Touren, doch von Gerlof war nichts zu sehen. „Gerlof?“ Langsam ging Sarvos weiter in die Schmiede hinein. Wo konnte der alte Hitzkopf nur stecken? Für Versteck-Spiele hatte der Schwarzfuchs keine Zeit, immerhin musste er noch heute Nacht aufbrechen. „Gerlof?!“ Ein wenig lauter rief Sarvos nun den Namen des Nords.
    Im hinteren Teil der Schmiede regte sich etwas und kurz darauf flog ein tönerner Becher quer durch den Raum. Gerade noch rechtzeitig konnte Sarvos sein Kurzschwert ziehen und das Geschoss im Flug durchtrennen.
    „Ihr verfluchten Steuereintreiber! Ich hab Euch Bastarden schon einmal gesagt, Ihr kriegt Euer verdammtes Geld, wenn ich es habe, verflucht!“ Gerlof erschien und hatte seine Mine zu einer zornigen Grimasse verzogen. Der alte Nord hatte ein zerfurchtes Gesicht, einen schneeweißen Pferdeschwanz, der mittlerweile immer schütterer wurde und die Gestalt eines kräftigen Mannes. Seine grauen Augen kniffen sich eng zusammen, denn im schummrigen Licht der Schmiede konnte er den Mann, der mit gezogener Waffe vor ihm stand, nicht richtig erkennen.
    „Gerlof!“ Sarvos steckte das Schwert zurück in die Scheide und breitete die Arme aus, um seine alten Freund zu umarmen.
    Erst jetzt erkannte Gerlof den einäugigen Dunmer. Sein Gesicht hellte sich auf und er drückte Sarvos herzlich. „Schwarzfuchs! Alter Halunke! Ich hab dich ja schon ewig nicht mehr gesehen! Das mit dem Becher tut mir leid. Komm!“ Der Nord zog Sarvos nach hinten, wo sich seine Wohnräume befanden. Kurzer Hand bugsierte er den Dunmer an einen äußerst instabil aussehenden Tisch. Gerlof zog aus einem Schrank zwei Tonbecher hervor, stellte sie auf das Möbelstück und goss sie bis zum Rand mit Met voll. „Auf unsere Freundschaft!“
    Sarvos stieß mit den Nord an, bevor er gleich zur Sache kam: „Ich habe einen Auftrag angenommen, bei dem ich deine Hilfe gebrauchen könnte.“
    Gerlof leerte seinen Becher auf einen Zug, knallte das Gefäß auf den Tisch und blickte Sarvos dann mit seine grauen Augen an. „Du fällst immer gleich mit der Tür ins Haus, was? Ein Auftrag? Hör zu. Ich habe eine Schmiede, ein friedliches Leben. Ich werde langsam alt. Weshalb sollte ich mein Leben erneut auf's Spiel setzen?“
    Der Schwarzfuchs hatte schon damit gerechnet, dass sich der alte Nord nicht einfach mir nichts dir nichts dazu entschließen würde, mit zukommen. Doch der gewiefte Dunmer hatte auch für diese Situation ein Ass im Ärmel. Sarvos lehnte sich über den Tisch und flüsterte Gerlof zu: „Der Auftraggeber ist Meras Ilyos.“

    Allein die Nennung des Namens ließen bei dem Nord alle Sicherungen durchbrennen. Aufgebracht sprang Gerlof auf, der Stuhl fiel scheppernd auf den Boden. Kurz darauf hatte er auch Sarvos am Kragen nach oben gezogen und sah ihn zornig an. „Ilyos?!“, brüllte Gerlof den Schwarzfuchs an, der eine unbeeindruckte Mine zog. „Du weißt, dass dieser Bastard für den Tod meiner Frau verantwortlich ist! Wieso sollte ich für diesen Sohn einer Hündin auch nur einen Finger krumm machen?“
    Auf diese Frage hatte Sarvos gehofft. Eines von Sarvos' berühmten Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Ganz einfach. Ilyos hat mich dafür bezahlt, seinen Sklaven und seine Tochter in die Tränenstadt zurück zu bringen. Allerdings hat er nicht für meinen Schweigen bezahlt.“
    „Willst du mir sagen, du hast vor, den mächtigsten Sklavenhändler der Stadt zu erpressen?“ Sarvos lächelte Gerlof nur noch breiter an. „Glaubst du etwa, Gold könnte meine Frau zurückholen?!“
    „Nein“, antwortete der Schwarzfuchs wahrheitsgemäß, „aber wäre es nicht viel befriedigender, Ilyos in der Gosse zu sehen, all seines Reichtums beraubt? Wäre dies nicht eine viel härtere Strafe als der Tod?“
    Gerlof dachte nach. Die Worte des Dunmers machten Sinn. Seine Hand lockerte sich und gab Sarvos frei. „Einverstanden. Ich bin dabei. Aber du willst die Sache doch nicht alleine durchziehen, oder?“
    Der Schwarzfuchs strich lächelnd seine Kleidung glatt, nahm eine Schluck Met und erklärte Gerlof dann, wen er noch auf die Reise mitnehmen wollte.

    „Ist es wirklich eine gute Idee, hier herum zu laufen?“ Gerlof war beileibe kein ängstlicher Mann, doch diese Gegend von Tränenstadt bereitete selbst dem gestandenen Nordkrieger Magenschmerzen. Sarvos hatte ihn in das „Mörderviertel“ geführt, wie die Einwohner diesen Teil der Stadt abfällig nannten. Hier musste man selbst am helllichten Tag damit rechnen, von irgendeinem Schurken erdolcht zu werden. Mord, Bestechung und Diebstahl standen hier an der Tagesordnung. Es war nicht unbedingt der Ort, an dem man einen fröhlichen Spaziergang machen sollte, so wie es Sarvos tat.
    In der Tat schien der Schwarzfuchs reichlich unbekümmert zu sein. Die Hände hatte er in den Hosentaschen stecken, dazu pfiff er noch ein fröhliches morrowind'sches Volkslied, das so gar nicht zu den verfallenen Holzbauten des Mörderviertel passte. Die meisten Leuten warfen dem Dunmer und seinem nordischen Begleiter deswegen auch den ein oder anderen seltsamen oder feindlichen Blick hinterher, doch keiner sagte etwas.
    „Mach dir keine Sorgen“, antwortete Sarvos nun endlich auf Gerolfs Frage. „Uns wird hier schon nichts geschehen. Weißt du, ich habe hier so meine Kontakte, die für unsere Sicherheit sorgen.“ Ganz sicher war sich Sarvos allerdings selbst nicht, denn seine Kontaktpersonen im Mörderviertel waren nicht gerade für ihre Loyalität bekannt. Immerhin war in den zwanzig Minuten, die sie bereits im Viertel verbrachten, noch nichts geschehen. Er sah das als gutes Zeichen. Gerolf hatte offensichtlich weniger Vertrauen, denn sein Kopf zuckte ständig umher, sein Blick fiel in jede noch so enge Gasse, immer auf der Suche nach möglichen Attentätern. Sarvos musste bei dem Anblick schmunzeln. „Beruhige dich, alter Freund. Wir haben unser Ziel fast erreicht. Dann wirst du den zweiten Mann unserer kleinen Jagdgesellschaft kennenlernen. Er ist gleich dort...“
    Ein gellender Schrei unterbrach Sarvos mitten im Satz. Die Köpfe der beiden Männer zuckten nach rechts, ihr Blick fiel in eine Gasse, die zwischen einer Taverne und einem Bordell verlief. Der Schrei kam eindeutig von einem Mädchen. „Komm.“ Zielstrebig ging Sarvos auf die Gasse zu, er wollte sehen, was dort geschah.

    „Na, jetzt bist du wohl nicht mehr so mutig, du kleine Schlampe, was?“ Ein halbwüchsiger Dunmer trat nach einem am Boden liegenden Mädchen, das darauf wieder schrie. Seine beiden Freunde lachten über diese Grausamkeit. „Das hast du davon, dass du uns bestehlen wolltest!“ Wieder ein Tritt, diesmal härter als zuvor.
    „Bitte...“, wimmerte das Mädchen, „Es tut mir leid. Ich wollte doch nur..“ Ein dritter Tritt brachte sie zum Schweigen.
    „Halts Maul!“ Der Peiniger ging neben dem Häufchen Elend in die Knie. „Aber du kannst deinen Fehler wieder gut machen.“ Mit einem Grinsen griff der Halbstarke seinem Opfer zwischen die Beine, worauf das Mädchen wie ein Schlosshund zu heulen begann.
    „Helft mir mal Jungs!“ Zu dritt rissen sie dem hilflosen Mädchen die Kleider vom Leib. Als die Halbstarken gerade ihre Hosen öffneten, drang eine gebieterische Stimme vom anderen Ende der Gasse an ihr Ohr.

    „An eurer Stelle würde ich das lassen, wenn euch euer Leben lieb ist.“ Sarvos trat aus den Schatten, das Kurzschwert in der Hand und das verbleibende Auge entschlossen auf die Übeltäter gerichtet.
    Diese packten schnell wieder ihre Siebensachen in die Hose. Ihr Anführer baute sich einige Schritte vor dem Schwarzfuchs auf, in der Hand hatte er nun einen nagelgespickten Knüppel. „Willst du uns etwa drohen, Einauge?“ Seine Kumpane stimmten in das höhnische Gelächter ihres Anführers ein, sie waren sich ihrer Sache sehr gewiss. Immerhin waren sie zu dritt, der andere Dunmer war ganz alleine. Doch ihr Lachen verstummte, als sich auf einmal ein massiger Nord neben dem eher schmal gebautem Sarvos aufbaute.
    „Was sind das für Spaßvögel?“, fragte der einarmige Gerlof, den Streitkolben fest umklammert. Das Gesicht war zu einem grimmigen Ausdruck verzogen.
    Der Schwarzfuchs zuckte mit den Schulter und ließ das Kurzschwert kreisen. „Sie denken, sie könnten ungestraft ein armes Mädchen schänden. Ich finde, wir sollten allen einen Gefallen tun, und diesen Abschaum von den Straßen der Stadt tilgen. Was sagst du dazu, werter Gerlof?“
    Grinsend nickte der Nord. „Ganz deiner Meinung, Schwarzfuchs.“
    Die Halbstarken hatten ihren ersten Schrecken überwunden, anscheinend hielten sie die beiden für keine wahre Bedrohung. „Ha!“, machte ihr Anführer, „Ein Einäugiger und ein Einarmiger! Welcher Kuriositätenschau seid ihr denn entsprungen?! Mischt euch nicht in unsere Angelegenheiten ein. Verpisst euch! Die Roten Schlächter sind die Herrscher über diese Gegend!“
    Sarvos musste kichern. „Was ist so komisch?!“, blaffte der Halbstarke ihn an.
    „Rote Schlächter? Ist das euer Ernst? Auf so einen Namen können auch nur Kinder wie ihr kommen.“ Langsam und mit wirbelndem Schwert näherte sich Sarvos den selbsternannten Herrschern dieser Gegend.
    Seine Bemerkung hatte die gewünschte Wirkung: mit einem zornigen Schrei stürzte sich der Anführer auf den Schwarzfuchs, die Keule hoch über dem Kopf zum Schlag gehoben. Es war allerdings ein leichtes für einen erfahrenen Kämpfer wie Sarvos, so einen Gernegroß auszuschalten. Geschickte drehte er sich unter dem unpräzisen Schlag zur Seite weg. In der selben Bewegung zog Sarvos seine Klinge quer über den Rücken des Jungen. Ächzend fiel dieser auf die Knie, direkt vor Gerlof. Der Nord zögerte nicht lange, sondern zertrümmerte ihm mit einem brutalen Hieb den Schädel.
    Das knackende Geräusch versetzte die anderen beiden Dunmer in Panik. Fliehen konnten sie nicht, denn hinter ihnen befand sich eine Wand, vor ihnen zwei brutale Krieger. Es blieb nur Kämpfen oder um ihr Leben betteln. Der ältere der Beiden entschied sich für den Kampf. Er ging mit einem schartigen Langschwert auf Sarvos los. Den Hieb parierte der Schwarfuchs und ging dann zum Konter über. Die Klinge des Einäugigen pfiff durch die Luft und trennte dem Angreifer die Schwerthand vom Arm. Blut schoss aus dem Stumpf, der Dunmer ging schreiend in die Knie. Doch schnell verstummten sie, als Sarvos ihm mit einem schnellen Schlag den Kopf abschlug. Blieb nur noch ein Roter Schlächter übrig.
    Dieser sah, das er nicht die geringste Chance hatte, deshalb sank er vor Sarvos auf die Knie. „Bitte! Habt Erbarmen!“
    Der Schwarzfuchs setzte ihm das Schwert an die Kehle und sah ihn kalt an. „Mit dem armen Mädchen hättet ihr auch kein Erbarmen gezeigt, deshalb soll es dir auch nicht gewährt werden. Aber ich werde deinen Tod schnell und schmerzlos machen.“ Bevor der Jüngling noch etwas erwidern konnte, stieß der Schwarzfuchs seine Klinge durch den Hals seines Opfers. Innerhalb weniger Minuten war die Herrschaft der Roten Schlächter ohne größere Gegenwehr gebrochen worden.

    „Alles in Ordnung?“ Vorsichtig berührte Sarvos das Mädchen an der Schulter, er wollte es nicht noch mehr verschrecken als es sowieso schon war.
    Die Kleine – ein Dunmer-Mädchen mit äußerst blasser Haut und kurzen ausgefransten kupferroten Haaren – setzte sich auf und bedeckte zunächst ihre Blöße. Sie sah die beiden Männer aus verheulten Augen an und nickte als Antwort nur. Ihr stand die Angst immer noch ins Gesicht geschrieben.
    Sarvos zog seinen Mantel aus und legte ihn dem Mädchen um die Schultern. „Hier. Es muss dich ja nicht jeder nackt sehen. Ich bin übrigens Sarvos. Und das ist Gerlof. Hast du denn auch einen Namen?“
    Dankbar zog das Mädchen den Mantel vor ihren kleinen Brüsten zusammen. „D...danke“, sie neigte den Kopf vor Sarvos. „Ich bin Pyrah. Einfach nur Pyrah. Danke, dass Ihr mich gerettet habt, edle Herren. Ich stehe auf ewig in Eurer Schuld. Solltet Ihr ein Hausmädchen gebrauchen, kann ich Euch dienen. Ich kann kochen, putzen und Wäsche waschen. Und ich könnte auch andere Dienste für Euch erledigen, wenn Ihr wollt...“ Sie ließ den Mantel wieder einen Stück nach unten rutschen, um ihre Brüste zu zeigen, damit Sarvos wusste, worauf sie hinaus wollte.
    „Hast du etwa schon einmal so was gemacht? Wie alt bist du denn, Pyrah?“ Sarvos war ein wenig schockiert, wie sich das Mädchen als Sexsklave anbot.
    „Ich bin 15, Ser Sarvos. Ich hab schon oft mit Männern geschlafen. Wisst Ihr, meine Eltern sind schon lange tot. Meine Mutter war eine Dirne, deshalb wurde ich in einem Freudenhaus aufgezogen. Bis ich 13 war erlernte ich die Kunst, Männer und Frauen zu befriedigen. In diesem Alter hatte ich dann auch meine ersten Kunden. Ich könnte Euch wirklich glücklich machen, Ser. Bitte, nehmt mich mit.“ Nun ließ Pyrah den Mantel vollständig zu Boden fallen und öffnete die Schenkel ein Stück, damit die beiden Männer einen guten Blick auf ihre Weiblichkeit hatten.
    Gerlof zog scharf die Luft ein: „Bei Shor! Bedecke dich, Mädchen!“
    Die Reaktion von Sarvos fiel nüchterner aus. Er zog den Mantel wieder nach oben und sah Pyrah in die Augen. „Sag mir, weshalb haben dich diese Kerle verprügelt?“
    Pyrahs Blick ging zu Boden. „Ich habe sie bestohlen. Sie wollten, dass ich in einem Haus eine Truhe aufbreche und ihnen das Gold bringe. Ich hab es getan, aber einen Teil der Beute für mich behalten. Dass haben sie aber gemerkt.“
    „Weshalb hast du zu weinen begonnen, als dir der eine zwischen die Beine gefasst hat?“
    „Es ist etwas anderes, wenn man freiwillig mit einem Mann schläft, als wenn man vergewaltigt wird, Ser Sarvos.“ Pyrah zog den Mantel fest um die Schulter und wich Sarvos' Blick aus.
    Dieser verstand sofort: „Du wurdest schon einmal vergewaltigt, nicht wahr?“ Tränen liefen über das hübsche Gesicht der jungen Dirne, was dem Dunmer Antwort genug war.
    Sarvos richtet sich wieder auf und hielt Pyrah die Hand hin. „Ich werde dich mitnehmen, Pyrah. Aber nicht als Hausmädchen und auch nicht als Kurtisane, sondern als meine Tochter.“
    Die Dunmer wischte die Tränen weg und sah Sarvos mit großen Augen an. „Als...Eure Tochter?“
    „Ja“, bestätigte Sarvos, „Ich werde dich erziehen, dir lesen, schreiben, rechnen und kämpfen beibringen. Aus dir soll eine echte Rethan werden. Und du wirst mich auf meiner nächsten Reise begleiten, damit du gleich eine Vorstellung davon erhältst, wie ich mein Geld verdiene. Du scheinst gut schleichen und Schlösser knacken zu können. Das könnte nützlich sein. Was hältst du davon?“ Der Schwarzfuchs lächelte das Mädchen freundlich an.
    Pyrah schniefte noch ein letztes Mal, dann ließ sie sich von Sarvos auf die Beine ziehen. „Habt Dank...Vater.“
    „Komm. Wir müssen noch einen alten Freund von mir besuchen, der uns auf unserem Ausflug begleitet.“

    „Hmm...“ Wie gebannt starrte Gerlof die ganze Zeit auf Pyrah, die einige Schritte vor ihm neben Sarvos lief. Sie war immer noch in den Mantel des Schwarzfuchs gekleidet, darunter war sie nackt. Der Nord hatte nicht vergessen, wie das Mädchen ihnen ihre Geschlechtsteile gezeigt hatte. Gerlof schüttelte den Kopf. Wie kam er nur auf solche Gedanken? „Na?“ Unvermittelt tauchte ein lächelnder Schwarzfuchs neben dem Nord auf. „Du hast dich wohl in die Kleine verguckt, hab ich recht?“ Mit dem Ellenbogen stieß er Gerlof in die Seite, worauf dieser missbilligend grunzte.
    „Red' keinen Stuss. Sie könnte meine Enkelin sein. Ich verstehe bloß nicht, warum du sie so offenherzig aufgenommen hast. Ich meine, sie ist doch noch ein Kind!“
    Sarvos zuckte mit den Schultern. „Und wenn schon? Sie scheint eine geschickte Diebin zu sein. Außerdem hab ich ein gutes Herz. Ich kann doch ein armes nacktes Mädchen, dass solche Höllenqualen erlebt hat, nicht einfach in einer dunklen Gasse zurücklassen. Hätte ich das getan, wäre sie wahrscheinlich wieder vergewaltigt worden.“
    Gerlof grummelt etwas unverständliches vor sich hin. Der Nord konnte trotzdem nicht verstehen, weshalb Sarvos Pyrah gleich adoptiert hatte. Er hätte sie ja als Hausmädchen anstellen können, damit hätte das Mädchen gutes Geld verdient. Aber als Tochter eines Sklavenjägers würde Pyrahs Leben nicht ungefährlicher werden, im Gegenteil. Gerlof wartete fast jeden Tag darauf, dass Sarvos der Tod ereilt. Nicht, dass er es dem Dunmer wünschte, doch es war sehr wahrscheinlich. Gerlof sah zu dem Schwarzfuchs, der wieder an Pyrahs Seite zurückgekehrt war.

    „Wie fühlst du dich?“ Sarvos schlenderte durch die Gassen des Mörderviertels, die Hände lässig an seinem Gürtel, das typische Lächeln zierte das Gesicht des Dunmers.
    Pyrah zuckte ein wenig zusammen, als Sarvos neben ihr auftauchte. Sonst war sie eigentlich nie so schreckhaft, doch der Zwischenfall von vor wenigen Minuten hatte ihr schwer zugesetzt. Die Tatsache, dass sie nun einen Vater hatte, tat ihr übriges. Deshalb dauerte es auch einige Augenblicke, bevor Pyrah auf Sarvos' Frage reagierte: „D...danke, es geht.“ Das Mädchen sah schüchtern zur Seite. „Wohin gehen wir?“, fragte sie schließlich zögerlich.
    „In den „Gehängten Wirt“. Das ist eine Taverne am anderen Ende des Mörderviertels. Dort wartet ein alter Freund auf mich. Er ist ein ausgezeichneter Spurenleser und Bogenschütze. Für unsere Jagdgesellschaft also genau der Richtige.“
    „Was gehen wir eigentlich jagen, V...Ser Sarvos?“ Pyrah zog den Mantel enger um die nackten Schultern und starrte zu Boden.
    Abrupt blieb Sarvos stehen und begab sich vor seiner Ziehtochter in die Knie. Sanft legte er seine Händ auf Pyrahs Schultern. „Du kannst ruhig Vater zu mir sagen“, erklärte Sarvos ihr freundlich lächelnd, „denn das bin ich jetzt für dich. Ich bin dein Vater und du meine Tochter. Verstehst du, Liebes?“ Pyrah nickte, ein kleines Lächeln erschien nun auch auf ihrem Gesicht. „Gut.“ Sarvos richtete sich wieder auf, bevor er die eigentliche Frage des Mädchen beantwortete: „Wir jagen einen Argonier und möglicherweise auch eine Dunmer. Komm, ich erzähle es dir auf dem Weg.“

    Als das ungleiche Trio vor dem „Gehängten Wirt“ stand, war Pyrah über alles im Bilde, worum es bei dieser Sache ging und was Sarvos beruflich tat. Zunächst war das Mädchen ein wenig verschreckt gewesen, als sie erfuhr, dass ihr Adoptivvater Jagd auf entlaufene Sklaven machte. Doch als Gerlof ihr erklärte, dass der Schwarzfuchs seine Beute wenn möglich lebend zurück brachte, war sie ein wenig beruhigt. Ihre anfängliche Angst rührte nämlich daher, dass es auch Männer gab, die Dirnen jagten, wenn diese flohen. Und meist kamen die Frauen tot oder geschändet zurück in die Bordell. Pyrah war froh, dass Sarvos versuchte, die Sklaven lebend zu fangen.
    „Da sind wir.“ Der Schwarzfuchs stemmte lächelnd die Hände in die Hüften und besah das Gebäude von oben bis unten. „Es ist schon eine ganze Weile her, seit ich diesem Etablissement einen Besuch abgestattet habe. Schauen wir einmal, ob es sich verändert hat.“ Mit Schwung stieß Sarvos die Tür auf, Gerlof und Pyrah folgten dicht dahinter.

    Tatsächlich fand Sarvos die Taverne so vor, wie bei seinem letzten Besuch vor fast zwei Jahren: der Dunst der Skooma-Pfeife hing in der Luft, derbe Sprüche wurden geklopft und es stank nach Bier, Kotze und Pisse. Doch selbst dieser mehr als unangenehme Geruchsmix ließ das Lächeln auf dem Gesicht des Schwarzfuchses nicht verschwinden. Zielstrebig ging er auf die Theke zu, an der eine recht stämmige Dunmer stand. „Trüben mich meine Augen?“, fragte die Alte ungläubig. Sie ging um die Bar herum, stellte sich dicht vor Sarvos und begutachtete den lächelnden Sklavenjäger genauestens. „Bei allen Teufeln! Du bist es wirklich! Verflucht, Sarvos! Alter Schurke! Du warst ja schon ewig nicht mehr hier!“ Die Wirtin schloss den Schwarzfuchs herzhaft in die Arme.
    „Ich freue mich auch dich zu sehen, Elora“, erwiderte Sarvos freundlich. Der Dunmer befreitet sich sanft aus der Umarmung der resoluten Dame. Nun war es an ihm, sie zu betrachten. „Du siehst aber auch noch so gut aus wie damals.“
    Elora schlug dem Dunmer lachend gegen den Arm. „Sarvos! Immer noch der selbe Charmeur. Was führt den berüchtigsten Sklavenjäger der Tränenstadt in mein bescheidenes Gasthaus? Du kommst doch sicher nicht wegen einer alten Frau den weiten Weg in das Mörderviertel, oder?“
    Sarvos wollte gerade antworten, als der spitze Schrei von Pyrah ihn herumfahren ließ. Die Hand eines hässlichen Orks ruhte auf dem Hintern des armen Mädchens, die andere glitt bereits unter den Mantel. Gerlof wollte bereits eingreifen, doch der Schwarfuchs war wieder einmal schnell. Für das Auge kaum wahrnehmbar zog Sarvos sein Kurzschwert und ließ es durch die Luft pfeifen. Der Ork schrie gellend auf. Seine beiden Hände fielen sauber abgetrennt zu Boden, aus den Stümpfen schoss das Blut in zwei roten Fontänen hinaus. „Wenn noch einer von den Herrschaften es wagen sollte, Hand an Pyrah zu legen, wird es ihm genauso ergehen wie diesem armen Tropf“, drohte Sarvos kalt, dann stieß er dem wimmernden Ork das Schwert in die Brust. Einige Sekunden dauerte der Todeskampf noch an, dann sackte der Mann tot in sich zusammen.
    Mit weit aufgerissenen Augen hatte Pyrah das Spektakel verfolgt. Dankbar umarmte sie Sarvos, grub ihren Kopf in die Brust des Dunmers und ließ ihren Tränen freien Lauf.
    „Schon gut.“ Liebevoll strich Sarvos über den Kopf des Mädchens. „Alles ist gut. Keiner wird dich mehr anfassen.“
    „Oha!“ Eine Stimme am anderen Ende des Schankraums ließ Sarvos von Pyrah aufsehen. „Wie ich sehe, hast du nichts von deinem Talent verloren. So schnell wie eh und je, was Sarvos?“ Eine verhüllte Gestalt erhob sich, in der Linken einen verschnörkelt gearbeiteten Bogen.
    „Daewyn.“ Sarvos löste sich aus Pyrahs Umklammerung und näherte sich seinem alten Freund. Schneller als gedacht hatte er ihn gefunden. Die beiden Männer standen sich nun dicht gegenüber, kein Blatt passte mehr zwischen sie. Das Lächeln war aus Sarvos' Gesicht gewichen, auch der Fremde, ganz offensichtlich ein Bosmer, sah äußerst grimmig drein. Pyrah war hinter Gerlof in Deckung gegangen, sie erwartete offenbar eine weitere Auseinandersetzung.
    Doch es kam ganz anders, als das Mädchen gedacht hatte, denn plötzlich brachen die beiden Männer in Gelächter aus und lagen sich freudig in den Armen. „Daewyn, du Hund! Du schaust beschíssen aus!“, feixte Sarvos grinsend.
    Daewyn musste dröhnend lachen. „Und du schaust wie ein Gockel aus. Das Schicksal hat es wohl gut gemeint mit dir. Du säufst den besten Wein und fíckst die teuersten Fotzen, während ich schales Bier in mich hinein kippe und für fünf Draken die Stunde 'ne dreckige Bordsteinschwalbe besteige.“
    „Es war alles Können“, meinte Sarvos lakonisch. „Naja, vielleicht war auch ein wenig Glück im Spiel. Aber jetzt brauche ich deine Hilfe. Es gibt eine Menge Geld zu verdienen.“
    Der Bosmer wurde hellhörig. „'Ne Menge Geld? Verdammt Sarvos! Da musst du den alten Daewyn nicht zweimal fragen. Egal um was es geht, ich bin dabei.“ Die Männer schüttelten freudig grinsend die Hände. Nun fiel die Aufmerksamkeit Daewyns auf die Begleitung des Schwarzfuchses. „Wer ist eigentlich die Kleine, dass du ein Blutbad für sie anrichtest? Doch nicht etwa dein Betthase? Dachte nicht, dass du auf so junge Dinger stehst.“
    „Hüte deine Zunge.“ Sarvos' Stimme wurde kalt. Selbst einer seiner besten Freunde durfte nicht so über seine Ziehtochter sprechen. Das würde er dem Bosmer klar machen: „Darf ich dir Pyrah Rethan vorstellen, meine Tochter.“ Anständig machte die kleine Pyrah einen Knicks, obwohl ihre Augen Misstrauen gegenüber dem Bosmer verrieten. Sarvos musste lächeln, denn anscheinend hatte das Mädchen im Bordell auch Etikette beigebracht bekommen.
    Daewyn schlug die Kapuze zurück. Zum Vorschein kam ein fast kahl rasierter Schädel mit Drei-Tage-Bart. Die grünen Augen starrten Pyrah unverhohlen an, die sich immer unwohler fühlte und nervös mit dem Fuß über den Boden strich. „Deine Tochter?“ Daewyn war anscheinend wieder aus seiner Sprachlosigkeit zurückgekehrt.
    „Ja“, bestätigte Sarvos. „Ich habe sie vor einer halben Stunde in einer Gasse aufgelesen und adoptiert. Hast du etwa ein Problem damit?“ Demonstrativ legte sich die Hand des Dunmers um den Knauf des Kurzschwertes, mit dem er gerade einen Ork erstochen hatte.
    „Nein, nein“, beeilte sich Daewyn zu sagen. Er kannte Sarvos bereits seid die beiden Kinder waren. Unter der Maske des freundlichen Wohltäters lag in Wirklichkeit ein kalter und berechnender Mörder, der nichts ohne Grund und ohne daraus einen eigenen Vorteil zu erhalten tat. Zwar blieb dem Spurenleser schleierhaft, wieso er die Kleine als Tochter aufgenommen hatte, doch hütete er sich, nachzufragen, denn Sarvos würde ihm ohnehin nur eine Lüge auftischen. „Ich war nur etwas überrascht“, meinte Daewyn und kratze sich am Kopf. „Du hast bisher nicht unbedingt wie ein Mann gewirkt, der unbedingt Vater werden will.“
    „Zeiten und Meinungen ändern sich.“ Sarvos ließ das Schwert wieder los und sein Lächeln wurde wieder breiter. „Aber nun komm. Ich werde dir auf dem Weg erklären, um was es bei unsere Jagd geht.“ Daewyn nickte und folgte Sarvos, Gerlof und Pyrah auf dem Fuße.
    „He!“, meldete sich Elora empört. „Und wer zahlt mir die Reinigung? Ork-Blut geht echt schwer aus den Dielen!“ Doch die Gruppe war bereits nach draußen verschwunden. „Mist.“ Die Wirtin stemmte die Hände in die Hüften und besah sich den Schlamassel, den Sarvos hinterlassen hatte. „Einmal in zwei Jahren ist der Kerl da und dann so was..."

    * * *​


    „Das müssen wir noch ein wenig enger machen. So ungefähr.“ Pyrah schnappte hörbar nach Luft, als der Schneider das Korsett noch enger zu zog. „Ich kriege keine Luft“, jammerte das Mädchen. „Stellt Euch nicht so an!“, hielt der Schneider entgegen und zog wieder an den Schnüren. Seit einer geschlagenen Stunde musste Pyrah nun diese Tortur über sich ergehen lassen. Mit großen Augen sah sie zu Sarvos. „Vater. Warum?“ Mehr brachte sie nicht heraus, zu eng saß das Korsett.
    Der Schwarzfuchs warf ihr einen schelmischen Blick zu. „Weil meine Tochter nicht in einem Mantel herumlaufen soll. Du bekommst ein paar schöne Kleider. Wünscht sich das nicht jedes Mädchen?“
    „Schon, aber...“ Die arme Pyrah bekam nun auch den letzten Rest Luft aus ihren Lungen gedrückt. Ihr Gesicht lief blau an, da beschloss Sarvos einzugreifen. „Mein guter Herr“, sprach er den Schneider an, „Ich denke, dass ist nun wirklich zu eng.“
    Der Schneider lugte hinter Pyrah hervor und besah ihr Gesicht. „Da habt Ihr wohl recht, Ser Rethan. Ich bitte um Verzeihung. Und nun wartet bitte im Vorraum, während ich die junge Herrin fertig einkleide.“

    Sarvos genoss gerade mit Daewyn und Gerlof ein Glas Branntwein, als der Schneider wieder nach vorne trat. „Meine Herren, ich präsentiere Euch Pyrah Rethan.“ Ein wenig zögerlich trat das Mädchen nach vorne. Man erkannte sie kaum wieder. Sie trug eine enge Lederhose, hohe Lederstiefel, eine blütenweißen Bluse mit Rüschchenkragen, darüber einen eleganten Reisemantel, der ihr bis zum Hintern ging. „Wie sehe ich aus?“, fragte sie schüchtern. Auch dem Haar der Dunmer hatte sich der Schneider angenommen. Es stand zwar immer noch unbändigbar in alle Richtungen ab, doch war es nicht mehr so fransig und fettig.
    „Du siehst hinreißend aus, meine Liebe.“ Sarvos nahm seine strahlende Ziehtochter in den Arm. Pyrah fühlte sich in diesem Moment wie eine Prinzessin, obwohl sie nur ihre Reisetracht trug. „Die Rechnung schickt Ihr mir in mein Anwesen, guter Mann.“ Der Schneider zog sich mit einer Verbeugung zurück. „Gut, dann werden wir nun den letzten Teilnehmer an unserer Jagd besuchen. Beziehungsweise die letzte Teilnehmerin. Kommt.“

    Hoch zu Ross machte sich die Gruppe auf, um außerhalb der Tränenstadt die letzte Teilnehmerin der Jagdgesellschaft auf zu lesen. Gerlof und Daewyn hatten jeweils ihr eigenes Pferd, Pyrah nahm hinter Sarvos Platz. Das Mädchen hatten das Reiten bisher noch nicht gelernt, doch der Dunmer gedachte, dies so schnell wie möglich nachzuholen.
    „Also Sarvos“, meldete sich Daewyn nach einer ganzen Weile, als die Stadt schon einige Minuten hinter ihnen lag. „Mach doch nicht so ein verfluchtes Geheimnis aus der Sache. Wen willst du noch aufgabeln?“ Die Frage brannte dem Bosmer schon eine ganze Weile auf der Seele, nun brachte er sie endlich zur Sprache.
    „Claudia.“
    „Was?!“ Ruckartig brachte Daewyn sein Pferd zum Stehen und lenkte es vor das Ross von Sarvos. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Das konnte Sarvos nicht ernst meinen! „Claudia?! Diese verrückte Hexe?! Bist du von Sinnen?! Die Schlampe hat versucht, mir den Schwanz abzuschneiden!“
    Sarvos musste lächeln. Er kannte die Geschichte. Daewyn war einst der Liebhaber der Magierin Claudia gewesen. Die Frau war ziemlich besitzergreifend, wie der Bosmer am eigenen Leibe lernen musste. Als Claudia ihn mit einer anderen Dame im Bett erwischte, grillte sie die Konkurrentin und versuchte dann, mit einem Dolch die Geschlechtsorgane von Daewyn abzutrennen. Er konnte sich nur mit einem beherzten Sprung aus dem Fenster und in einen Misthaufen retten.
    „Keine Sorge“, beschwichtigte Sarvos seinen bosmerischen Freund. „Du musst nicht mit ihr sprechen. Ich werde das übernehmen. Und im Lager bekommt ihr die Zelte an den gegenüberliegenden Seiten. Aber wir brauchen Claudia. Sie ist eine mächtige Magierin, bewandert in Zerstörung und Veränderung. Sie kann uns von großem Nutzen sein.“
    Daewyn murmelte etwas unverständliches, das sich wie eine widerwillige Zustimmung anhörte und ließ Sarvos' Pferd dann passieren. Die Gefährten setzten ihren Weg zu Claudias Behausung, einem kleinen Turm einige Minuten vor den Toren der Tränenstadt.

    Sarvos brachte einige Meter zwischen sich und den anderen, diesen Zeitpunkt nutzte Pyrah, um eine Frage zu stellen: „Ist diese Claudia wirklich so schrecklich, wie Daewyn es sagt?“
    „Schlimmer“, kam die Antwort des Schwarzfuchses. „Sie ist eine unberechenbare Furie, leicht zu reizen und schwer wieder zu beruhigen.“
    Pyrah sog erschrocken die Luft ein. Wie konnte ihr neuer Vater so eine Frau mit auf die Reise nehmen, wenn sie doch so gefährlich war? Das Mädchen verstand diese Aktion nicht. Vielleicht musste sie es auch nicht, Sarvos wusste sicher, was er tat.
    „Da sind wir.“ Abrupt blieb die Gruppe stehen. Vor ihnen schraubte sich ein einfacher Steinturm einige Meter in die Höhe. Es war kein sonderlich beeindruckendes Gebäude, aber der Schein trügt oft. „Ihr beiden bleibt hier“, wies Sarvos Gerlof und Daewyn an. „Pyrah und ich gehen zu Claudia. Die Anwesenheit einer anderen Frau wird sie vielleicht leichter zu überzeugen. Ihre Muttergefühle wecken. Wenn ihr Krach hört, kommt sofort nach oben und helft uns. Verstanden?“ Der Nord und der Bosmer nickten. „Schön. Also komm, Pyrah.“

    * * *​


    Die Tür an Claudias Turm war unverriegelt. Pyrah und Sarvos konnten problemlos eintreten. Das Dunmer-Mädchen wunderte sich, wieso die Magierin das Schloss offen ließ. Andererseits, wenn Claudia wirklich so mächtig war, wie Sarvos sagte, hätte sie von niemanden etwas zu befürchten. Sie würde Eindringlinge einfach verbrennen.
    Der erste Raum des kreisrunden Gebäudes war schon ziemlich eindrucksvoll: an den Wänden standen Regale, die bis oben mit Büchern gefüllt war. In der Mitte war ein Tisch aufgestellt, der mit verschiedensten alchimistischen Gerätschaften und Ingredienzien beladen war. „Fräulein Claudia war schon immer mehr auf Pragmatismus als auf Gastfreundschaft bedacht. Deshalb sieht es bei ihr nie sehr einladend aus.“
    „Wart Ihr schon einmal hier, Vater?“ Mit großen Augen sah sich Pyrah in dem Raum um. Die Magierin schien eine ordentliche Person zu sein, denn nirgendwo fand sich Unordnung oder ein Staubkorn. Die Dunmer entdeckte eine Treppe, die weiter nach oben führte.
    „Ja, war ich.“ Sarvos ging auf die Treppe zu. „Ich hatte schon öfters geschäftlich mit der Zauberin zu tun. Sie ist keine angenehme Person. Kalt ist sie. Und sie vergisst nichts. Darum wird sie sicher nicht besonders glücklich sein, wenn sie Daewyn wieder zu Gesicht bekommt. Nun komm.“ Der Schwarzfuchs stieg die Stufen nach oben. Nun durchquerte auch Pyrah den Raum und schloss zu Sarvos auf.

    Das zweite Stockwerk war schon wohnlicher als der Eingangsbereich. Die Wände wurden auch von Bücherregalen dominiert, es gab hier allerdings noch eine Sitzgruppe, einen Kamin und einen Schreibtisch. An diesem saß eine Frau mit wallenden blonden Locken. Sie hatte Sarvos und Pyrah den Rücken zugewandt, weshalb sie das Eintreffen der beiden Dunmer bisher nicht bemerkt hatte. Das wollte Sarvos ändern. Mit einem Räuspern machte er auf sich aufmerksam.
    Wie von der Tarantel gestochen schoss der Kopf der Zauberin. „Was zum...?“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie Sarvos erkannte. „Ihr!“, fauchte Claudia. Sie stand von ihrem Stuhl auf kam mit schwingenden Hüften zu den beiden Dunmer herüber gelaufen. Ihre eisblauen Augen ließen Pyrah frösteln. Als junge Hure hatte sie bereits gelernt, die Menschen zu durchschauen. Und Claudia kam ihr wirklich so vor, wie Sarvos sie beschrieben hatte. Alleine ihr stechender Blick ließ dem Mädchen das Blut in den Augen gefrieren. Ihren Ziehvater schien das nichts auszumachen, er behielt sein Lächeln bei. Als Claudia dann vor ihnen stehen blieb, verbeugte er sich sogar höflich. Pyrah entschied, es ihm gleich zu tun und machte einen galanten Knicks.
    Das Mädchen wurde von der Zauberin zunächst völlig ignoriert, ihre ganze Aufmerksamkeit lag auf Sarvos. „Ihr. Ihr habt mich betrogen, Schwarzfuchs!“ Selbst ihre Stimme strahlte eine ungesunde Kälte aus. Pyrah war es schleierhaft, wie man mit einem solchen Eisklotz ins Bett steigen konnte.
    „Betrogen?“ Der Schwarzfuchs zog eine unschuldige Mine. „Herrin, Ihr betrübt mich. Ich war stets aufrichtig zu Euch. Mit keiner Faser meines Körpers habe ich je danach gestrebt, Euch etwas böses zu tun.“

    Claudias Augen wurden noch schmaler. Fast kam es Pyrah so vor, als wäre es in dem Raum noch einige Grad kälter geworden. „Ihr lügt, Sarvos. Die Subjekte, die Ihr mir besorgt habt, waren alle kränklich und haben nicht einmal den ersten Durchlauf überstanden. Ich weiß ja nicht, wo Ihr sie aufgetrieben habt, aber sie waren ihr Gold auf keinen Fall wert. Ihr solltet mich entschädigen, bevor ich Euch in eine Eisskulptur verwandle.“ Um die Fingerspitzen der Magierin züngelten nun eisige Fäden, es wurde noch kälter. Pyrah machte vorsichtshalber einen Schritt hinter Sarvos, der immer noch unbeeindruckt vor Claudia stand.
    „Gekauft wie gesehen, meine Liebe. Ihr habt mir die 'Subjekte' nach einer Begutachtung durch einen Eurer Handlanger abgekauft. Wenn Ihr Euch schon beschweren wollt, dann bei Euren Untergebenen. Von mir bekommt Ihr jedenfalls keinen müden Heller zurück.“ Die ganze Zeit über verlor Sarvos nicht sein selbstsicheres Lächeln. Sein Augen blickten herausfordernd in die von Claudia. Sie wird mir nichts tun, dessen bin ich mir sicher. Und wieder einmal lag der Schwarzfuchs richtig: das Glühen von Claudias Händen erlosch, ihre ganze Haltung entspannte sich, obwohl ihre Mine immer noch frostig war. „Schön. Aber sollte das noch einmal geschehen, werde ich nicht mehr so gnädig sein, Sarvos.“
    „Wie Ihr wünscht, Herrin.“ Da sich die Lage wieder beruhigt hatte, kam Pyrah wieder hinter Sarvos hervor. Ein Fehler, wie das Mädchen schnell merken sollte, den nun fiel die Aufmerksamkeit der Magierin auf sie. „Oh, was haben wir denn hier?“ Claudia schritt um Pyrah herum und ließ ihre Blicke über den ganzen Körper der Dunmer wandern. Pyrah war das mehr als unangenehm, deshalb senkte sich den Kopf und starrte ihre Schuhe an.

    Da seine Ziehtochter kein Wort herausbrachte, übernahm Sarvos ihre Vorstellung: „Das ist Pyrah. Ich habe sie vor wenigen Stunden in den Gassen des Mörderviertels aufgelesen, als ein paar Halbstarke versuchten, sie zu vergewaltigen. Sie ist jetzt meine Tochter.“
    Überrascht sah Claudia den Schwarzfuchs an. Hatte sie gerade richtig gehört? Sarvos hatte dieses Mädchen adoptiert? Das konnte sich die Magierin ehrlich gesagt nicht vorstellen. So wie sie den Dunmer bisher erlebt hatte, war er ein eiskalter Jäger und beim besten Willen kein fürsorglicher Vater.
    „Sie ist auf jeden Fall gut gebaut für so eine junge Dame.“ Claudia griff nach einer Brust von Pyrah und drückte zu. Das Mädchen sog scharf die Luft ein, machte einen Schritt nach hinten und sah die Magierin scharf an. Was fiel ihr nur ein, sie so anzufassen?! Hätte Pyrah ein Messer gehabt, wären nur noch die blauen Augen der Magierin übrig.
    Sarvos hingegen fand das ganze sehr amüsant. Er kannte Claudia nun schon einige Jahre und hatte alle Seiten von ihr erlebt, auch die Unverschämten, die sie in diesem Moment gezeigt hatte. Ein wenig gemein war es von dem Dunmer schon, dass er Pyrah nicht vorgewarnt hatte, aber auch ein Sklavenjäger hatte ein wenig Amüsement verdient. „Entschuldige Claudia bitte.“ Das breite Grinsen verschwand einfach nicht von Sarvos' Gesicht. „Sie ist manchmal ein wenig eigen, wenn es um andere Frauen geht.“ Für diesen Kommentar erntete er von Claudia wieder einen kalten Blick. „Ihr solltet aufpassen, was Ihr sagt, sonst verwandle ich Euch in einen Eiswürfel!“
    Damit schien die Magierin gerne zu drohen. Pyrah wusste schon jetzt, dass sie mit Claudia nicht sonderlich gut auskommen würde. Ihr ganze überhebliche Art war der jungen Dunmer mehr als zuwider. Sarvos hingegen bräuchte sie für die Jagd auf den Sklaven, denn in den Sümpfen der Schwarzmarsch lauerten allerlei Gefahren, mit der nur eine Magierin fertig werden konnte.

    „Sagt, was ist eigentlich der Grund für Euren Besuch, Sarvos? Normalerweise kommt Ihr nie ohne einen Grund zu mir.“ „Und auch heute nicht“, bestätigte Sarvos Claudias unausgesprochene Vermutung. „Ich bin tatsächlich wegen etwas geschäftlichem hier. Ich muss einen entlaufenen Sklaven finden, der wohl zusammen mit der Tochter von Meras Ilyos in die Schwarzmarsch geflohen ist.“
    Nun drückte Claudias Blick Interesse statt bloßer Kühlheit aus. „Ilyos? Der große Sklavenhändler?“ Sarvos nickte. „Faszinierend. Denkt Ihr, der Sklave hat das Mädchen entführt?“
    „Nein. Schon seit einigen Wochen gibt es vermehrt entflohenen Sklaven und es gibt Hinweise, dass ihnen jemand geholfen haben könnte.“
    Die kluge Magierin verstand natürlich gleich, worauf der Schwarzfuchs hinaus wollte. Er vermutete wohl, dass Ilyios Tochter etwas mit den Fluchten zu tun hatte und das sie sich nun mit dem Sklaven, der vermutlich noch ihr Liebhaber war, abgesetzt hat. Claudia konnte Ilyos nicht sonderlich gut leiden, er hat sie in der Vergangenheit mehrmals als Hexe beschimpft. Sollte sein eigen Fleisch und Blut wirklich ein Verhältnis mit einem Sklaven haben, konnte sie ihm damit gut eins auswischen. „Ich werde Euch begleiten, Schwarzfuchs. Lasst mich schnell einige Sachen packen.“

    Pyrah konnte es indes kaum glauben. Sarvos hatte nicht mit einem Wort versucht, die Magierin zu überreden, sich ihnen anzuschließen. War das Magie? Für sie schien es wahrlich so.
    Während sich Claudia anschickte, Kleidung, Bücher und allerlei magische Utensilien in eine Reisetruhe zu packen, ließ sich Sarvos auf ihrem Stuhl nieder. „Bevor ich es vergesse: Gerlof und Daewyn werden mit uns reisen.“ Vorsorglich ging Pyrah einige Schritt zurück, denn die Erwähnung des einstigen Geliebten würde in Claudia sicherlich nichts gutes auslösen.
    Und so geschah es dann auch. Wieder wurde es schlagartige kälter in dem Turmzimmer. Das prächtige türkisblaue Gewand, das Claudia gerade in Händen hielt, verwandelte sich mit einem Schlag in einen Eisblock. „Daewyn?“, flüsterte die Magierin, wobei schon ihre Stimme ausreichen könnte, um einen das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. „Ihr bringt dieses untreue Schwein hierher und verlangt, dass ich mit ihm gemeinsam reise?“
    „Bisher habe ich noch gar nichts von Euch verlangt, meine Liebe.“ Stoisch lächelnd erhob sich Sarvos nun wieder. Den Dunmer schien nichts aus der Ruhe bringen, zumindest wirkte es auf Pyrah so. „Ich verlange nicht, dass ihr mit Daewyn reist. Ich biete Euch lediglich die Gelegenheit, in die Schwarzmarschen zu reisen. Ihr könnt die Flora und Fauna erforschen und ich hörte, dass es zudem mächtige magische Artefakte im Land der Echsen geben soll. Denkt Ihr, Ihr könnt für diese Gelegenheit über Euren kleinkarierten Hass gegen einen Mann hinwegsehen, der es nicht wert ist, sich wegen ihm den Kopf zu zerbrechen.“ Die Worte waren weise gewählt und wäre Pyrah nun an Claudias Stelle, so hätte Sarvos sie sicherlich überzeugt.

    Im Kopf der Magierin schien es ebenfalls zu arbeiten. Was Sarvos da sagte, war gar nicht mal so falsch. Daewyn war ein liederlicher Frauenheld, mit ihm konnte man keine ernsthafte Beziehung führen. Das sie ihm das Glied abschneiden wollte, sagte mehr als genug, was sie über ihn dachte. „Ihr habt recht. Ich werde keinen Streit mit ihm anfangen und trotzdem mit Euch reisen.“
    „Fein, dann wäre unsere kleine Gruppe wohl komplett. Wir müssen noch einmal zurück in die Tränenstadt, bevor wir in die Schwarzmarschen aufbrechen. Es gibt nämlich noch einiges zu tun...“
     
    Zuletzt bearbeitet: 1. Juli 2012
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    Kapitel 1 ist fertig
     
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    Kapitel 3 ist endlich fertig
     
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