(Spiegel Online) Sozialstaat gegen Constantin

Dieses Thema im Forum "Off Topic" wurde erstellt von Shi Zon, 19. Juli 2013.

  1. Shi Zon

    Shi Zon Reisender

    Hab mich gestern mit dem Assisstenten von meinem WG Nachbar unterhalten und er hat mich auf den Artikel hingewiesen. In diesem Artikel geht es um den Jura Studenten Constantin Grosch der Muskeldystrophie hat und eine Petition gestartet hat wo wir Behinderten wie alle anderen Arbeitnehmer behandelt werden sollen und nicht wie Hartz IV Empfänger.

    Meine Stimme hat Constantin auf jeden Fall, hier geht es zum Artikel:

    Constantin Grosch: Student kämpft für Inklusion - SPIEGEL ONLINE

    Hier geht direkt zur Petition:

    http://www.change.org/de/Petitionen/...nderungen-2600

    Gruß

    Shi Zon
     
  2. Werbung (Nur für Gäste)
  3. Dacri

    Dacri Vertrauter

    Bei einigen Kommentaren unter dem Artikel frage ich mich, ob die Verfasser den Artikel wirklich verstanden haben. Was Constantin hier fordert ist im Endeffekt: Er will sich selbst Vermögen ansparen dürfen, währenddessen soll jedoch der (Sozial)Staat für seine Kosten aufkommen. Dieses Geld muss wiederum jemand anders aufbringen. Das Prinzip des Sozialstaates ist es, den Leuten zu helfen die sich nicht selbst helfen können. Bei 80 Millionen Menschen in Deutschland kann es passieren, dass jemand in ein Raster fällt, dass er sich eigentlich helfen könnte, es aber nicht tut oder sich nicht helfen kann und trotzdem nichts bekommt.

    Tatsächlich behaupte ich, dass hier auf hohem Niveau gejammert wird. Dank einem Einserabitur wird er wohl auch sein Jurastudium gut abschließen. Und als Anwalt (oder möglicherweise sogar Richter) gehört er sicherlich nicht zu den Geringverdienern. Er besitzt ein Behindertengerechtes Auto, das er alleine fahren kann - mit 170 auf der Autobahn. 80.000€ Ersparnisse seines Vaters gingen dafür drauf? Ob dieser dafür wohl einen Kredit aufnehmen musste? Ich Denke nicht, denn das hätte der SPIEGEL sicherlich als beiläufige Info miteinfließen lassen.

    Ich möchte betonen dass ich nichts gegen behinderte Menschen (oder Ausländer, Religiös anders orientierte... Das wird einem in Deutschland ja gerne schnell mal vorgeworfen) habe, aber wie der Titel sagt: Constantin fordert Gleichberechtigung. Das Ergebnis davon ist, meiner Meinung berechtigterweise: Solange er wenig verdient wird ihm die Unterstützung des Staates zu teil. Wenn er jedoch vorhat mehr zu verdienen ist es nur solidarisch Abstriche an seinen Zuschüssen zu machen.
    Im Artikel steht, er bezahlt 8000€/Monat für 16 h/d Pflegebetreuung. Sobald er mehr als 1600€ verdient müsste er seine Freizeit selbst bezahlen. Aus der Gleichberechtigung schließe ich: Er hat vor wie ein normaler Angestellter ~8h pro Tag zu arbeiten. Das halbiert seine Pflegezeit - damit fallen die Kosten auf 4000€/Monat. Anscheinend ist Constantin ja ein sehr solidarisch und sozial denkender Mensch: Also dürfte es ihm doch eigentlich nichts ausmachen, Dieses Geld für Pflegepersonal aufzuwenden. Schlieslich sichert er hiermit Arbeitsplätze und Leben. Ich weis, auch ein Anwalt verdient keine 10000€/Monat (im Regelfall) aber er wird davon Leben können.
    Es wäre harte Arbeit und er würde sich keine Goldene Nase verdienen - Aber das mit der harten Arbeit und dem trotzdem geringen Verdienst kennt man doch schon irgendwoher? Achja, da sind wir wieder bei der Gleichberechtigung...
     
  4. Shi Zon

    Shi Zon Reisender

    Es geht doch darum, das man als Behinderter nicht heiraten darf, da nämlich der Ehepartner die Aufgaben als Assisstent/in übernehmen muß, egal ob berufstätig oder nicht. Die Pflegekasse (AOK, Barmer etc.), der LWV oder wer für die Person zuständig ist, spart somit Geld ein und ist fein raus. Es geht doch schon los mit der Wohnungssuche, ist man an den Rollstuhl gebunden wird es in Kassel (Hessen) extrem schwierig beinahe aussichtslos eine barrierefrei Wohnung inkl. ebenerdiger Dusche zu finden, die man sich mit Grundsicherung leisten kann. Je nach Art/Grad der Behinderung muß dann auch noch das Bad eine dementsprechende Größe haben, ich rede von mindestens 9 qm (7 qm ist minimale Schmerzgrenze) die benötigt werden, so das man sich mit einem Duschrollstuhl bewegen kann, im Fall von Constantin wären 10 qm und mehr nötig da dort mit einem Lifter hantiert werden muß, der einen großen Wendekreis hat, selbst ein Deckenlifter benötigt Platz.

    Hinzu kommt noch das Bad muß so geschnitten sein, das ein Lifter vor dem Duschrollstuhl und vor der Toilette gestellt werden kann, gar nich so einfach bei ca. 3 Länge und sind vorderen Achsen des Lifters ausgefahren, kommt man ungefähr auf eine breite von 90 cm. Bei uns Rollstuhlfahrern ist das Bad das auschlaggebende bei einer Wohnung, zudem muß die Wohnung mit einem Rollstuhl gut zugänglich sein, mein Aktivrollstuhl hat eine Breite von 44 cm und die Türen müssen 48 cm und breiter sein, damit ich problemlos durchfahren kann ohne mir die Finger zu verletzen, der Flur darf auch nicht zu eng sein, mein Rolli ist wendig aber bei einem zu engen Flur komme ich in kein Zimmer mehr rein. Es gibt eine Menge kriterien die man als Rollstuhlfahrer beachten muß. Barrierefrei heißt dann aber auch, das keine leisten zwischen den Räumen sein dürfen, jemand mit spastischen Armparesen*, wird das ein Hindernis sein was nicht überwunden werden kann. Liegt die Wohnung im dritten Stock wird ein Fahrstuhl benötigt.

    * Erhöhter Muskeltonus** mit Lähmung der Arme
    ** Unkontrollierbare Fehlsteuerung der Muskeln
    (Anmerkung: Durch eine spastische Armparese (in meinem Fall rechtsbetont und mit dystonen = bewegungsgestörten Anteilen) ist der Arm kraftlos/verkrampft gleichzeitig und man hat sehr große Schwierigkeiten mit dem Rolli eine abgeflachte Bordsteinkante zu überwinden.

    Es gibt Neubauwohnungen mit ebenerdiger/barrierefreier Dusche da liegt die Warmmiete aber weit über dem was das Sozialamt zahlt. Lassen wir die Wohnung 900 Euronen inkl. allem warm kosten, hier passt das Beispiel von Constantin wieder (hat 1600 € im Monat über), so hätte er noch 700 Euro für sich, davon zieht man ca. 200 € für Essen und Trinken einkaufen ab, ca. 50 € Internet, Festnetz, Spritkosten (da muß ich raten, fahre kein Auto) 100 €, sind wir jetzt ca. bei 350 €, zieht man noch Deo, Parfüm ab sind es ca. 50 €, neue Klamotten 100 €, Freizeitaktivitäten (Kino, Theater, Museum, Grillen mit Freunden etc.) zirka 100 €, so hätte er am Ende des Monats fast nichts mehr über, wenn dann etwas am Auto ist, sieht es ganz schnell ziemlich düster aus.

    Berufstätige Behinderte werden mit Hartz IV gleichgestellt, mein WG Nachbar war gezwungen sein bitter erspartes Geld bei einem guten Freund zwischen zu parken und ein Teil des Geldes auszugeben ansonsten hätte er die Assisstenzleistung selber zahlen müssen, der Staat zwingt einen Behinderten dazu maximal 2600 € anzusparen, da bleibt einem nichts anderes über als den Staat zu be******en oder das Geld mit Gewalt aus dem Fenster zu ballern, was mich richtig ankotzt, da ich auch fast an der 2600 € Grenze war. Möchte ich meine Küche modernisieren und die kostet 3000 €, kann ich das abschminken da ich das Geld nicht sparen darf, mir bliebe nur Ratenzahlung worauf ich keine Lust habe. Selbst in den Urlaub fliegen kann ich knicken der mehr als 2600 € beträgt, da ich lieber alles Bar bezahle und sofort, zudem habe ich keinen Bock auf die Bevormundung des Sozialstaates, wieviel ich ansparen darf und wo Schluß ist. Das was mit uns Behinderten abgezogen wird ist diskriminierend und ich finde es richtig das Constantin gegen diese Regelungen vorgeht.

    Man darf nicht die Situation mit Constantin Grosch pauschalisieren. Da es alle Behinderten betrifft auch die mit Grundsicherung (zu denen ich auch zähle) wir lassen uns nicht wie Menschen zweiter Klasse behandeln.
     
    Zuletzt bearbeitet: 20. Juli 2013
  5. Werbung (Nur für Gäste)
  1. Diese Seite verwendet Cookies, um Inhalte zu personalisieren, diese deiner Erfahrung anzupassen und dich nach der Registrierung angemeldet zu halten.
    Wenn du dich weiterhin auf dieser Seite aufhältst, akzeptierst du unseren Einsatz von Cookies.
    Information ausblenden