Und ich mache weiter. Diesmal: Tomb Raider (2013)
Dies ist das erste Tomb Raider, das ich spiele. Natürlich kannte ich das Franchise schon vorher, aber selbst Hand angelegt habe ich noch nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob mich das jetzt objektiv oder ungeeignet macht und es ist mir auch egal. Ich drücke euch mein Review trotzdem auf
😉
Was ist also über Tomb Raider zu sagen? Über die Grafik (ich zumindest) nicht viel, da meine Mühle nur mittlere Grafik schafft. Dort sieht es aber recht gut aud. Zu erwähnen ist noch die Haarsimulation TressFX, die Haare wesentlich besser simuliert allerdings zu riesigen Frameeinbrüchen führen soll. Meine GraKa war dafür nicht geeignet, aber hier ist ein Vergleichsvideo:
Link
Gameplaytechnisch ist es ein modernes Action-Adventure mit allem, was dazugehört: Quicktime-Events, Skripte, Cutscenes, unnötige Pseudo-Stealth Passagen, Sammelaufgaben, rudimentäres Erfahrungs- und Skillsystem, erwerbbare Waffenupgrades, Bonuslevel (in Form von "versteckten" Grabkammern mit "Rätseln" drin) und ein vollkommen überflüssiger Multiplayer. Alles nicht überragend aber sehr solide. Mir hat es großteils Spaß gemacht.
Was hier viel interessanter ist, ist das Zusammenspiel - oder besser gesagt die Abwesenheit ebendieses - von Story und Gameplay. Tomb Raider versucht die Geschichte einer unsicheren jungen Frau zu erzählen, die auf Insel voller Kultisten strandet und weit über sich hinauswachsen muss, um sich und ihre Freunde zu retten. Ein wesentliches Problem hierbei: Es interessiert mich nicht. Und das ist nicht meine Schuld. Denn das Spiel beginnt mit dem
Trailer. Ich werde also sofort, ohne Vorgeplänkel in die Katastrophe hineingezogen und soll ernsthaft einen Antrieb haben, ihre Mitreisenden zu finden, von denen ich erst einen überhaupt zu Gesicht bekommen habe? Wie haben sich die Leute von Crystal Dynamics das vorgestellt? Anstatt einen Trailer als Intro verwenden, hätte eine spielbare Einführung auf dem Schiff, in dem man einfach ein bisschen Alltag nachspielt und die Leute kennenlernt Wunder gewirkt. Da das Schiff sowieso schon in zerstörtem Zustand im Spiel ist, hätte das vermutlich nicht mal viel Arbeit gemacht. Es ist mir ein Rätsel, warum man darauf verzichtet hat.
Tomb Raider ist ein Action-Adventure. Action-Adventures haben meist menschliche Gegner. Viele menschliche Gegner. Warum ist das ein Problem? Kurz nach Spielbeginn muss Lara ein Reh erlegen, um nicht zu verhungern. Man nimmt ihr ab, das ihr das nahegeht. Kurz darauf muss sie sich vollkommen verängstigt an Leuten vorbeischleichen, die nach ihr suchen. Schließlich wird sie gefunden und es gelingt ihr schließlich in einer QTE-Schlacht den Angreifer zu überwältigen und mit einem Notwehr-Kopfschuss zu töten. Lara ist sichtlich geschockt von diesem Anblick und der Tatsache, dass sie soeben einen Menschen getötet hat. Dann ist die Cutscene zu Ende und in den nächsten fünf Minuten bringt sie mindestens 20 weitere Menschen um, teilweise aus dem Hinterhalt. Man hat sich nicht mal die Mühe gemacht irgendwelche selbstbeschwichtigenden Bemerkungen einzubauen, obwohl Lara eigentlich ziemlich oft mit sich selbst redet. Da hilft es auch nichts mehr, dass sie kurz darauf heranstürmenden Gegnern aus der Deckung entgegenschreit, sie müssten das nicht tun.
Ein Bild sagt ja bekanntlich mehr als tausend Worte. Leider darf ich es laut Forenregeln hier nicht verlinken, aber man würde Lara durch einen See aus Blut voller Knochen und Fleischreste waten sehen. Das ist wohl das widerlichste, das ich mir vorstellen kann und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich mein Mageninhalt danach auf dem Boden verteilen würde. Nicht so Laras. Ihr ist das nicht mal einen Kommentar wert. Dies geschieht zwar zugegebenermaßen erst bei ca. der Hälfte des Spieles, aber trotzdem geht spätestens da jede emotionale Identifikation mit der Protagonistin flöten.
Das Problem ist also, das das Gameplay nach etwa einer halben Stunde bereits da ist, wo der Storybogen erst nach 50-70% des Spiels angekommen ist - bei der Psychopathin, die alles und jeden niedermäht, der ihr in den Weg kommt. Das ist übrigens ein weiteres Problem: ich weiß ja nicht, wie ich in einer solchen Situation reagieren würde, aber eine Lara, die ihren Gegnern im Kampf zuschreit, sie sollten nur herkommen, sie werde sie sowieso finden, ist dem Spiel in keiner Weise förderlich. Auch die K-D von gefühlt 1000-0 hilft dem Spiel nicht dabei, eine fühlbare Gefahrenathmosphäre aufzubauen. In dieser Hinsicht blockieren das Gameplay (das wie schon gesagt für sich genommen recht gut ist) und die spätere Story massiv die Effektivität der frühen Story mit diesem wunderbaren inneren Konflikt, dessen Entfaltung sich leider auf das narrative beschränken muss. Dieses ganze Szenario (in leicht abgewandelter Form) hätte großes Potential für ein Quantic Dream Spiel, geht jedoch hier komplett in (notwendigen?) Genreklischees unter.
Immerhin versucht die Technik etwas zu retten: Schauspielerin und MotionCapture-Model Camilla Luddington macht ihren Job dabei (für Videospielverhältnisse) ausgezeichnet, und auch die Nebencharaktere klingen meist recht gut. Die deutsche Synchronstimme übernimmt Schauspielerin Nora Tschirner, die ihren Job ebenfalls recht gut macht (zumindest nach dem was ich in den ersten paar Minuten gehört habe).