So. Für die heutige Review ist der pure Zufall verantwortlich, oder genauer gesagt ein Freund, der mir am Morgen nach eine von mir veranstalteten, gemütlichen Filmabend das heutige Spiel mit den Worten "...aber pass auf, das Spiel ist echt voll übel, zieh besser 'ne Windel an!" in die Hand drückte, nachdem ich einen kurzen Kommentar darüber abgegeben hatte, dass mir wieder mal die Horrorspiele ausgegangen wären. Eigentlich hätte ich misstrauisch werden sollen, hatte sich eben dieser Freund noch am Abend vorher sämtliche Fingernägel abgefressen, als wir zusammen Black Sheep gesehen haben - hallo, Black Sheep! Ich habe beim ersten Durchlauf vor Lachen fast am Boden gelegen...
Aber zum Thema. Die empfohlene Windel habe ich (wer hätte das gedacht?) nicht gebraucht. Hätte mich auch sehr gewundert. Ach ja, ich muss ja noch verraten, worums überhaupt geht: F.E.A.R.. Das Original, für PC, ohne Addons, deutsche Version - sprich: geschnitten. Gott allein weiß, was es da groß zu schneiden gab. Und die USK natürlich.
Noch ein Wort dazu, warum ich F.E.A.R. nicht schon längst gespielt habe, wo es doch so etwas wie ein Genreprimus ist, den man "unbedingt kennen muss": ich habe eine Art Gelübde, das mir verbietet, Spiele zu kaufen, die zu 90% in Industriekomplexen ablaufen. Darum. Und F.E.A.R. tut das. An dieser Stelle ein Aufruf an alle Entwickler: Ja, es stimmt, Horror kann sich an jedem beliebigen Ort abspielen. Das schließt alles mit ein. Silent Hill 3 und S.T.A.L.K.E.R. haben bewiesen, dass sogar ein Vergnügungspark gruselig sein kann. Aber das heißt noch lange nicht, dass ein langweiliger Industriekomplex ein für Horror besonders geeigneter Ort wäre. Besonders wenn er (abgesehen von den obligatorischen Blutlachen) klinisch sauber ist. Klinische Sauberkeit kann auch Horror auslösen, nebenbei bemerkt (zum Beispiel, wenn man sich völlig alleine in klinisch sauberen, endlos langen Fluren bewegt und von überall seltsame Geräusche zu hören sind, wenn ich mir jetzt etwas aus den Fingern saugen müsste). Aber hier tut sie das nicht. Also, liebe Entwickler: lasst euch doch bitte, bitte, bitte etwas einfallen. Es ist wirklich nicht schwer. Und wenn es nur ein bisschen Schmutz ist.
Und noch ein anderer Appell: Wenn ihr schon so dreist seid und euer Spiel plakativ F.E.A.R. nennt (und, nein, mir ist es schnurz, ob das eine Abkürzung für First Encounter Assault Recon ist), dann sorgt beim Spieler für etwas davon. Wenn ihr euch Horrorspiel nennen wollt, dann müsst ihr etwas davon bieten, und zwar solchen, den man auch noch als Horror empfinden kann, wenn man nicht mehr vierzehn Jahre alt ist. Horror ist meiner Meinung besonders dann gelungen, wenn er direkten Einfluss auf das Gameplay hat, oder umgekehrt, wie bei der Jagdszene zu Beginn von Resident Evil 4 oder den Psychoterror-Auswirkungen bei Call of Cthulhu. Was ihr uns bietet, sind kurze Schocksequenzen, die von den äußeren Umständen völlig losgelöst sind und bei denen man sich eigentlich gemütlich zurücklehnen kann, wenn nicht gar eine Tasse Kaffee in der Küche besorgen. Nicht, dass die besonders schlecht wären, wenn man sie in den richtigen Kontext bringen würde, könnte man viel daraus machen, aber leider wirken sie so einfach nur aufgesetzt und erbärmlich. Nur am Rande: mit der Zeit entwickelte ich hellseherische Fähigkeiten - zum Beispiel konnte ich vorhersehen, dass in engen, langen Gängen meistens eine Schocksequenz fällig wird. Gruselig, gell?
Und um mein Massaker am Horror des Spieles zu beenden, noch ein Wort zu der Taschenlampe: wie realistisch ist es, dass der Taschenlampe unseres Spacemarine alle paar Minuten der Saft ausgeht? Genau. Unglaublich realistisch. Hallo - wir ballern Klongegner mit unserer (übrigens sehr lustigen) Nailgun an die nächste Wand, nutzen den Bullet-Time-Effekt, aber unsere Akkus machen ständig schlapp. Ein selten dämliches Feature, ich nenne es mal "Zwangsatmosphäre".
Also, kurz gesagt: der Horror ist erbärmlich. Die Story haut auch nichts mehr raus, die beschränkt sich auf das übliche "bööööser Fiesling sitzt in Gebäude, geh rein, mach ihn putt. Nebenbei solltest du noch rauskriegen, dass diese oberböse Kreuzung aus Dr. Lecter, Fritz Haarmann und dem großen Houdini dein [darthvadervoice] Vaaaater - ähm - Bruuuuuder [/darthvadervoice] ist, und dass dieses kleine Mädel, das dir ständig in Visionen begegnet und bei dem man offensichtlich von großen japanischen Horrorstreifen geklaut hat (wie viele verfluchte Mädchen muss dieses Land nur haben?), deine genetische Mutter ist. Zu deutsch: seltener Schwachsinn. Dass die Story größtenteils durch Anrufbeantworternachrichten (hallo, wir befinden uns im 21. Jahrhundert? E-Mails?) vermittelt wird, macht es auch nicht besser.
So, jetzt ist genug genörgelt. Ein Wort zu den positiven Seiten des Spieles: Das Gameplay ist wirklich ganz gut, die Gegner sind nicht hirnamputiert und verhalten sich intelligenter als in den meisten Spielen. Ansonsten kann man eigentlich kaum was zum Gameplay sagen: es hebt sich kaum vom Durchschnitt ab, funktioniert aber. Besondere Finessen habe ich nicht bemerkt, abgesehen von einigen ganz netten Waffen (siehe Nailgun). Ach ja: die KI-Begleiter, die man zeitweise dabeihat, sind erwartungsgemäß nicht gerade helle Köpfchen. Was solls. Ich habe in der Hinsich eben völlig überzogene Erwartungen.
Ein paar Worte zur Technik: die Grafik ist auch jetzt noch gut brauchbar, was aber eine völlig wertlose Tatsache ist, da man nur die bereits erwähnten Industriekomplexe zu sehen kriegt. Ob die Engine weitläufige Außenareale darstellen kann, wage ich anzuzweifeln. Der Sound ist gut, die Hintergrundsounds sorgen immerhin für etwas Atmosphäre, die Sprachausgabe ist in Ordnung (wenn auch nicht mehr).
Kurz gesagt: Den Hype, der damals um Grafik und KI gemacht wurde, ist für mich nachvollziehbar, aber den Horrorpart halte ich für völlig überbewertet. Entweder bin ich mittlerweile völlig abgehärtet (was ich für unwahrscheinlich halte, da mir bei diversen Spielen noch immer das Grausen kommt) oder der Horror taugt schlichtweg nicht viel (was ich für wesentlich wahrscheinlicher halte). Egal. Letztlich kann man in etwa das gleiche sagen wie bei Dead Space - ein gutes Actionspiel, ein mieses Horrorspiel. Obwohl ich Dead Space vorziehen würde, allein wegen der größeren Gegnervielfalt und den schöneren Umgebungen.
F.E.A.R. wird seinem Namen nicht gerecht. Irgendwie hatte ich ja damit gerechtnet...
Ich glaube, in den paar Stunden, die ich für F.E.A.R. aufgebracht habe, hätte ich sinnvollere Dinge tun können. S.T.A.L.K.E.R. spielen zum Beispiel (gleich bescheuerte Abkürzung, aber besser und lustigerweise gruseliger, obwohl nicht auf Horror ausgelegt). The Ring lesen oder den Film reinziehen (Alma wurde ganz offensichtlich von Sadako Yamamura gekont). Marilyn Manson hören (der ist wahrscheinlich gruseliger, gibt außerdem +3 auf pööööhse). Mich reproduzieren. Einen schnieken Amoklauf in der Fußgängerzone veranstalten und anschließen "Computer games made me do it" behaupten. Oder sonstige interessante Freizeitaktivitäten. Irgendwas.